Noch mehr Geld für "The Long War"
Der Rüstungsetat für das Pentagon soll weiter auf 440 Milliarden USD steigen, zusätzlich fordert das Weiße Haus weitere 70 Milliarden für den Krieg; für Rumsfeld findet der wirkliche Krieg in den Hauptstädten der westlichen Länder statt
Wie US-Präsident Bush immer wieder betont, sieht er die USA in einem Krieg, ineinem langen Krieg gegen den Terrorismus auf der ganzen Welt. US-Verteidigungsminister Rumsfeld, der auch die Sicherheitstagung in München besucht, stimmte dem zu und forderte die notwendigen Mittel im Rahmen des alle vier Jahre vorgelegten Pentagonkonzepts Quadrennial Defense Review (QDR) für diesen "langen Krieg gegen einen entschlossenen Feind" (Fighting The Long War). Nach dem Weißen Haus soll der Pentagon-Haushalt für 2007 wieder um 5 Prozent auf 439 Milliarden US-Dollar ansteigen. Zusätzliche 70 Milliarden fordert man für die Einsätze in Afghanistan und im Irak. Die Europäer sollen, so Rumsfeld, endlich auch mehr Geld für die Rüstung ausgeben.
The United States is a nation engaged in what will be a long war. Since the attacks of September 11, 2001, our Nation has fought a global war against violent extremists who use terrorism as their weapon of choice, and who seek to destroy our free way of life. Our enemies seek weapons of mass destruction and, if they are successful, will likely attempt to use them in their conflict with free people everywhere. Currently, the struggle is centered in Iraq and Afghanistan, but we will need to be prepared and arranged to successfully defend our Nation and its interests around the globe for years to come.
Quadrennial Defense Review 2006
Mit aller Entschlossenheit wollten US-Präsident Bush und der britische Regierungschef Blair die militärische Intervention. Jeder wusste zwar auch schon seit spätestens 2002, dass dieser Krieg unter Ausnutzung der Anschläge vom 11.9. beschlossene Sache und dass der angeblich von Blair angeratene Umweg über die Vereinten Nationen nur ein Theater war, das aber von fast allen auf der politischen und medialen Bühne mitgespielt wurde.
Wenn jetzt über das Buch "Lawless World" von Philippe Sands bekannt wurde, dass Bush und Blair gemeinsam überlegten, wie sie bei offensichtlichen fehlenden Massenvernichtungswaffen dennoch einen Krieg scheinbar gerechtfertigt beginnen könnten, ist das nicht weiter verwunderlich. Erstaunen mag höchstens hervorrufen, zu welchen Tricks man greifen wollte. Bush machte im Januar 2003 bei einem Treffen mit Blair den Vorschlag, wie es heißt, beispielsweise ein U2-Überwachungsflugzeug in den Farben der Vereinten Nationen über den Irak in der Hoffung fliegen zu lassen, dass auf es geschossen werde. U2s wurden den UN-Sicherheitsinspektoren bei ihrer Suche nach den angeblich vorhandenen Massenvernichtungswaffen zur Verfügung gestellt. Eine andere Idee von Bush war es angeblich, der Öffentlichkeit den Bericht eines irakischen Abtrünnigen über Husseins Massenvernichtungswaffen zu anbieten.
Aus einem Memo über diese Sitzung, das der Autor des Buchs erhalten hat, gehe hervor, dass Bush auf jeden Fall auch ohne zweite Resolution den Krieg beginnen wollte. Man würde zwar alles tun und sogar "drohen", um eine zweite Resolution zu erhalten, aber auf jeden Fall militärisch intervenieren. Blair meinte, eine zweite Resolution sei wichtig, aber er sagte angeblich auch, dass er bereit sei, "alles zu tun, was erforderlich ist, um Saddam zu entwaffnen". Nach dem Memo schien Bush – trotz Warnungen der CIA – davon auszugehen, dass es im Irak nach dem Sturz zu keinem Bürgerkrieg zwischen den Bevölkerungsgruppen kommen werde.
Der nun auch schon vier Jahre dauernde "globale Krieg gegen den Terror" (GWOT) hat bereits viel Geld gefressen. Über die wirkliche Höhe der Kriegskosten gibt es unterschiedliche Berechnungen (Ätzende Abrechnung mit dem Irakkrieg). Bislang sollen es 250 Milliarden US-Dollar gewesen sein, mit den zusätzlichen 70 Milliarden würden die Kriegskosten 2006 offiziell bei 120 Milliarden liegen. 50 Milliarden "emergency spending" waren vom Kongress bereits im Dezember bewilligt worden. Nach dem Pentagon kostet der Krieg monatlich 4,5 Milliarden, was 100.000 Dollar für die Minute entspricht.
Auf jeden Fall geht es bei diesem Krieg, der nach dem Weißen Haus im Ausland und an der "Heimatfront" geführt wird, auch um eine gewaltige Wirtschaftsförderung für Sicherheits- und Rüstungstechnologien. Seit 2001 ist der militärisch-industrielle Komplex mit riesigen staatlichen Subventionen im Land der vorgeblich freien Marktwirtschaft wieder auferstanden.
Viel Geld – gedacht ist an über 80 Milliarden US-Dollar aus dem erhöhten Rüstungsbudget für 2007 - soll denn auch, geht es nach dem Weißen Haus, in neue Waffenprogramme fließen. Sie sollen das Militär wendiger und schneller im Krampf gegen den Terrorismus oder gegen Aufständische in Afghanistan oder im Irak machen und die weltweite militärische Überlegenheit der US-Truppen garantieren (Das Pentagon setzt auf Spezialeinheiten und verdeckte Operationen). Zwar werden Gelder für einige herkömmliche Rüstungsprojekte beschnitten, ausgebaut werden soll beispielsweise die Zahl der Spezialeinheiten, dennoch fließen Milliarden in neue U-Boote oder den DD(X) Destroyer, Kampfflugzeuge etwa vom Typ F-22 oder den Joint Strike Fighters, in Hubschrauber und Drohnen, aber auch in das Future Combat System der Army, in besser gepanzerte Humvees und natürlich in das Raketenabwehrsystem, das teuerste und zugleich zweifelhaftestes System.
Der "lange Krieg" ist nach Rumsfeld der bislang komplexeste
Verteidigungsminister Rumsfeld stimmte die Öffentlichkeit schon einmal auf die neuen Forderungen ein. Der "lange Krieg", den er mit dem "Kalten Krieg" verglich, erfordere hohen Einsatz, er sei schließlich bislang der vermutlich "komplexeste Krieg". Dafür belauscht die NSA die Auslandsgespräche und die Internetkommunikation auch von US-Bürgern und beobachten Militärgeheimdienste und Militärpolizei auch Antikriegsdemonstrationen und "verdächtige Aktivitäten".
In Zentrum der im QDR ausgearbeiteten künftigen Strategie stehen vier Aufgaben: "Bekämpfung gewalttätiger Extremisten, Verteidigung des Heimatlandes, Unterstützung von Ländern an strategischen Scheidewegen und präventives Vorgehen gegen gefährliche Regime, damit sie keine Massenvernichtungswaffen erhalten". Rumsfeld erklärte auch, dass die strategische Kommunikation, Informationsoperationen und PsyOps ("Das Netz muss wie ein feindliches Waffensystem bekämpft werden") wichtig geworden sind, aber dass man angesichts der neuen Art des Kriegs hier noch unsicher sei:
Wir führen zum ersten Mal im 21. Jahrhundert einen Krieg mit all diesen neuen Realitäten, mit Bloggern und 24-Stunden Radios und Medien, mit 24-Stunden Nachrichtenprogrammen, mit dem Internet, Emails, Handys und all diesen Dingen, die alles verändern. Das ist sehr schwierig. Es ist sehr kompliziert
Vorgestern erklärte er, dass der Krieg gegen den Terrorismus aber eigentlich militärisch gar nicht zu gewinnen ist – und schon gar nicht im Irak. Im National Press Club sagte er beispielsweise zu den Terroristen, was erklärt, warum das Pentagon auch gerne die Medien noch stärker beeinflussen möchte:
Sie stehen am Morgan auf, haben Teambesprechungen und denken darüber nach, wie sie die Medien der Welt zu ihren Gunsten manipulieren können. Sie haben wiederholt bewiesen, dass sie sehr erfolgreich die Medien hier in diesem Land und anderswo manipulieren konnten, und sie planen ihre Angriffe sorgfältig, um die Schlagzeilen für ihren Versuch zu bekommen, unseren Willen zu brechen.
Militärisch hätten die Terroristen keine Chance, weswegen der Krieg um den "Willen" geführt werden muss – womöglich auch gegen die Medien?
Die USA werden mit unseren militärischen Kräften, die sich auf der ganzen Welt befinden, keine Kriege oder Schlachten verlieren. Die wirkliche Schlacht ist eine Prüfung des Willens und der Kampfplatz ist weniger der Irak oder Afghanistan, sondern er befindet sich eher in den USA und in den Hauptstädten der westlichen Staaten.
Rumsfeld ist bekanntlich auch immer gut, wenn es darum geht, Konflikte zuzuspitzen. So verglich er nun den venezolanischen Präsidenten Chavez mit Adolf Hitler. Er sei ebenso wie dieser durch Wahlen legal an die Macht gelangt, aber könne gefährlich werden, was man an der Verbindung mit Fidel Castro und dem neu gewählten Präsidenten Morales in Bolivien sehe.