Nord Stream 2: Eine Zwischenbilanz
Seite 2: Wie weiter für die amerikanische Energiepolitik?
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In der aktuellen Vereinbarung konnte die Bundesregierung noch einen zweiten Akzent setzen, der durchaus bemerkenswert ist. Zukünftig sind Zuwendungen der EU und der Bundesregierung für die osteuropäischen Energieprojekte daran gekoppelt, dass es sich um Infrastrukturen für erneuerbare Energien handelt.
Bisher vergab Brüssel die großzügigen Zuschüsse aus strategischen Töpfen wie "Connecting Europe" dafür, neue Infrastrukturen für Erdgas in den mittelosteuropäischen Staaten zu schaffen, die kompatibel mit dem amerikanischen Interesse waren, mehr Flüssiggas (LNG) aus der amerikanischen Fracking-Förderung anzulanden.
Seit dem Jahr 2010 verfolgt die Energiepolitik der USA das Ziel, einen Korridor aus Infrastrukturen durch diejenigen osteuropäischen Staaten zu schaffen, die traditionell einen sehr hohen Anteil an Importen aus Russland hatten. Die Vorreiterfunktion dabei hatte Polen übernommen, das sich selbst mit dem Visegrad+-Bündnis als ein Verteiler für Erdgas etablieren will.
Inzwischen nennt sich der Zusammenschluss "Drei-Meere-Initiative" und reicht vom Baltikum bis nach Kroatien am Mittelmeer und Bulgarien und Rumänien am Schwarzen Meer. An den Küsten wurden mit EU-Unterstützung LNG-Häfen gebaut. Im Januar wurde der LNG-Hafen im kroatischen Krk eröffnet, der unmittelbar Fracking-Gas aus den USA abnahm. Die dortige Kapazität beträgt immerhin 2,6 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, was aktuell dem gesamten kroatischen Verbrauch entspricht.
Kai Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sieht in dem "fortgesetzten und intensivierten Engagement der USA in dem Format" ganz klar geostrategisch geprägte Motive, Leitmotiv für die USA sei der globale Wettbewerb mit Russland und China. Die Drei-Meere-Initiative eröffne den USA neue Möglichkeiten, mit Staaten der Region bei wirtschaftlichen oder infrastrukturbezogenen Themen zusammenzuarbeiten.
Auf diese Weise könnten nicht nur bilaterale Kontakte, sondern auch die Kooperation in der Nato ausgebaut werden. Mit mehreren Ländern habe Washington Erklärungen zur Sicherheit von Telekommunikationsinfrastruktur unterzeichnet, die sich faktisch gegen den chinesischen Anbieter Huawei richten.
Die Bundesregierung hat inzwischen einen Beobachterstatus bei der Drei-Meere-Initiative. Heiko Maas durfte auf dem letzten Treffen Anfang Juli ein Videostatement halten, in dem er meinte, die Initiative sei ein strategisches Ziel, weil "Europa dadurch stärker, einiger und wettbewerbsfähiger wird".
Klar ist allerdings spätestens seit der Regierung Donald Trump, dass die USA gemeinsam mit der polnischen nationalkonservativen Regierung hier eine intensive Paralleldiplomatie innerhalb der EU betreiben, die sich vor allem aus polnischer Perspektive nicht zuletzt gegen Deutschland richtet.
Nachdrückliche Unterstützung für die Drei-Meere-Initiative
In ihrer aktuellen Erklärung betonen Angela Merkel und Joe Biden "ihre nachdrückliche Unterstützung für die Drei-Meere-Initiative". Deutschland verpflichte sich, deren Projekte in den Bereichen regionale Energiesicherheit und erneuerbare Energien finanziell zu unterstützen.
Außerdem werde sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass von 2021 bis 2027 bis zu 1,77 Milliarden US-Dollar aus dem EU-Haushalt in diese Projekte fließe. Zusätzlich wollen Deutschland und die USA einen "Grünen Fonds" für die Ukraine auflegen, der mit mindestens einer Milliarde Dollar ausgestattet wird.
Abgesehen von diesem doch beträchtlichen Schmerzensgeld läuft die Erklärung darauf hinaus, dass sich Angela Merkel und Joe Biden darauf einigten, dass beide Seiten jeweils ihr Projekt weiterführen.
Deutschland erhält die Nord-Stream-Erweiterung und nimmt es dafür hin, dass die US-Regierung ihre energiepolitische Parallelpolitik in der Region zwischen Westeuropa und der Russischen Föderation vorantreibt, die auch darauf hinausläuft, dort die Nachfrage nach russischer Energie zu reduzieren, wie es in der Erklärung heißt. Ob dies tatsächlich, wie jetzt angedeutet, eine klimapolitisch notwendige Umstellung auf erneuerbare Energien in Gang setzt, bleibt erst einmal abzuwarten.
Mit den beiden Nord Stream-Strängen können jährlich etwa 110 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Mitteleuropa kommen. Im Jahr 2020 belief sich der gesamte Verbrauch der EU-Staaten auf rund 380 Milliarden Kubikmeter. Zusammen mit Blue Stream und den älteren Pipelines haben die russischen Unternehmen also langfristig einen sehr starken Einfluss auf die Preise im europäischen Gasmarkt, mit dem sie die deutlich teureren und klimaschädlicheren LNG-Angebote aus Übersee vom Markt drücken könnten.
Falls der Gasverbrauch innerhalb der EU wie allseits erwartet weiter sinkt, kann sich ein großer Teil der aktuell 36 LNG-Terminals als Investitionsruinen erweisen. Andererseits werden niedrige Gaspreise natürlich nicht dazu beitragen, den Umbau zu regenerativen Energien zu beschleunigen.
Allerdings unterliegt der Energiemarkt vor allem politischen Gesetzmäßigkeiten. Wie bisher auch, braucht es politischen Druck, um die Energiewende durchzusetzen. Aktivisten aus der Klimabewegung haben die Frage der Methanemissionen und die Rolle von Erdgas zunehmend erkannt.
Am kommenden Wochenende vom 29. Juli bis 2. August mobilisiert die Initiative Ende Gelände zum Standort des geplanten LNG-Terminals in Brunsbüttel. Unter Verweis auf eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft erklären die Aktivisten, dass Methan über einen Zeitraum von 20 Jahren 87-mal so klimaschädlich ist wie CO2.
Zu den geplanten LNG-Terminals heißt es, dass es "keine energiewirtschaftliche Notwendigkeit für den Ausbau der Importinfrastruktur" gibt. Sie kündigen Aktionen im ChemCoast-Park bei Brunsbüttel und in Hamburg an.