Nord Stream: Explosives Erdgas

Seite 2: Merkelsche Industriepolitik

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Diese nachgiebige Haltung gegenüber den alten Industriekonzernen ist sicherlich eine große Konstante in Merkels Politik. Es ist noch gar nicht lange her, da reiste sie zur Einweihung neuer Braunkohlekraftwerke ins Rheinland und feierte auch gern privat mit den Chefs der Energiemonopolisten.

Mit den Industrie- und Handwerksbetrieben der Solarbranche, die durch die rigiden Einschnitte ihrer zweiten Regierung ab 2012 ruiniert wurden, hatte sie hingegen weniger Mitleid.

Entsprechend ihrem Faible für überkommene industrielle Strukturen wird es, wie berichtet, auch in der Kohle-Kommission zugehen, die das Datum des Ausstiegs aus der Kohle möglichst weit nach hinten verlegen soll. Die Vorsitzenden stehen zwar inzwischen offenbar fest, aber ansonsten ist die Zusammensetzung noch immer offen.Wie berichtet, haben aber inzwischen auch Anwohner des Braunkohletagebaus ihren Anspruch angemeldet, mitreden zu wollen.

Das wäre immerhin einmal ein neuer Ansatz. Die Berliner Regierungsparteien betonen zwar immer, es gehe um einen sozialverträglichen Wandel, und auch die Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie (IG BCE) legt in ihrer Argumentation viel Wert auf die vermeintlichen Befindlichkeiten der Tagebauregionen.

Dabei geht aber meist unter, dass keineswegs alle Anwohner große Fans des Tagebaus sind. Vielmehr geht durch die Einwohnerschaft der Regionen ein tiefer Riss. Die einen sehen die Tagebaue als Arbeitgeber, die anderen aber eher als Zerstörer ihrer Wälder und Dörfer.

Unterm Strich sind es nur noch knapp 20.000 Menschen, die in Ost und West in den Gruben und Kraftwerken arbeiten. Das ist nicht gerade viel. Würde hingegen die Solarenergie wieder im Tempo ihrer einstigen Hochzeit 2010 bis 2012 ausgebaut, so entstünden allein im Handwerk für die Installation einige Zehntausend zusätzliche Arbeitsplätze.

Die Anlagen sind übrigens inzwischen so günstig, dass fast die Hälfte der Wertschöpfung vor Ort in den Handwerksbetrieben anfällt, die sie errichten. Aber die Bundesregierung fördert nun mal lieber große Konzerne.

Kalifornien schreibt Solaranlagen vor

Es ist ein alter Streit, ob die Energiewende vor allem vom Markt angetrieben werden sollte, oder ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber mit festen Vorgaben eingreifen muss. Ein Beispiel für letzteres wäre der Ausstieg aus der Atomenergie, ein anderer der Ausstieg aus der Kohlenutzung, bei dem inzwischen nur noch das Datum strittig ist.

Der US-Bundesstaat Kalifornien lieferte letzte Woche ein weiteres Beispiel für das Eingreifen des Gesetzgebers. Nachdem sowohl die lokalen Energieversorger als auch die Bauindustrie positiv auf den Vorschlag reagiert haben, müssen ab 2020 alle neuen Ein- und kleineren Mehrfamilienhäuser mit Solaranlagen ausgestattet sein.

Das schlägt die Kalifornische Energie Kommission, das heißt, die staatliche Energieagentur des Bundesstaates, in neuen Gebäudestandards vor, die noch von der Regierung in Sacramento abgesegnet werden müssen. Die neuen Standards schreibt die Agentur in einer Pressemitteilung, werden den Strombedarf der Einfamilienhäuser um mehr als 50 Prozent senken.

Nicht alle sind glücklich mit den neuen Regeln, wie etwa ein Autor der Los Angeles Time, der meint, dass damit Häuser zu teuer werden. Auch Abgeordnete der Republikaner beklagen sich über zu hohe Hauspreise durch Solaranlagen.

Die Kommission geht hingegen davon aus, dass die neuen Vorschriften ein Einfamilienhaus um rund 9.500 US-Dollar verteuern werden, aber den Einwohnern in 30 Jahren 19.000 US-Dollar Stromkosten ersparen.

In den USA schaut man jetzt nach Kalifornien. Während in Washington weiter Big Oil regiert und weder der Präsident noch die Mehrheit in den beiden Häusern des Parlaments etwas von Klimaschutz wissen will, hat der Westküstenstaat beschlossen, die CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber dem 1990er Niveau senken zu wollen.

Das ist natürlich noch lange nicht ausreichend aber immerhin schon auf dem Niveau dessen, was sich die EU vornimmt. Bleibt zu hoffen, dass das Solar-Beispiel Schule macht.