Nordirak: Peschmerga greifen Shengal an
Seite 2: Barsanis Autonomieregion und Rojava: Erhebliche Differenzen
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Die Anti-IS-Koalition wurde von diesem Angriff auf das Shengal-Gebiet überrascht. Sie konzentrierte sich auf die Eroberung von Rakka. Die Einheiten der SDF, die auf dem Vormarsch nach Rakka sind, bestehen überwiegend aus Arabern, die sich der SDF angeschlossen haben. Auch die Rojava-Peschmergas hätten die Möglichkeit gehabt, sich unter dem Kommando der SDF an der Rakka -Offensive zu beteiligen. Aber dies wurde abgelehnt, weil sie sich nicht als Barzanis Opposition in der Föderation (vormals Rojava) dem Oberkommando der SDF unterordnen wollten.
Um zu verstehen, warum es zu gewaltsamen Konflikten zwischen den verschiedenen Lagern kommt, muss man wissen, dass es zwischen der konservativ-feudal regierten irakisch-kurdischen Autonomieregion und der demokratischen Föderation erhebliche ideologische Differenzen gibt.
Barsani strebt einen kurdischen Nationalstaat an, der autoritär und feudalistisch, ähnlich dem Präsidialsystem von Erdogan geführt werden soll. Zudem ist die kurdische Autonomieregierung zu über 90% bei der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser von der Türkei abhängig - ein dickes Faustpfand für Erdogan, um Barzani auf Linie zu halten.
Die "demokratische Föderation Nordsyrien" sowie Teile der ezidischen Bevölkerung im Shengal und die kurdische Region im Südosten der Türkei wollen keinen eigenen Staat, sondern sie möchten einen Autonomiestatus innerhalb der bestehenden Staaten Türkei, Syrien und Irak. Dabei streben sie in allen Staaten eine Abkehr von der Zentralregierung an und damit von den herrschenden Despoten, hin zu demokratischen föderalen Strukturen.
Die Nordsyrische Föderation, wie auch der kurdische Nationalkongress KNK rief immer wieder zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen den IS auf und einer gemeinsamen Strategie in der Kurdenfrage. Es gab Verhandlungen und Kongresse, aber die ideologischen Differenzen verhinderten ein gemeinsames Vorgehen.
Die besondere Rolle der Shengal-Region
Die Shengal-Region spielt in dem Gezerre um Macht und Einfluss eine besondere Rolle. Das Shengal-Gebiet befindet sich nicht auf dem Territorium der kurdischen Autonomieregion, sondern ist irakisches Staatsgebiet. Die religiöse Minderheit der Eziden, die auch Kurden sind, gilt unter den Sunniten als Ungläubige und ist seit jeher besonderen Repressionen ausgesetzt. Sie ist umgeben von sunnitischen Stämmen.
Schon im Jahr 2008 bot das Pentagon Mir Tahseen Beg, dem geistlichen Oberhaupt der Eziden, bei einem Besuch in Washington an, eine ezidische Einheit zum Schutz der Eziden aufzubauen und mit Waffen auszustatten. Dieser lehnte das Angebot ab mit der Begründung, die Eziden vertrauten den Kurden der Autonomieregion und wollen zudem keine Probleme mit ihnen wegen einer eigenen Miliz.
2014, beim Überfall des IS im Shengal, in deren Folge tausende Frauen und Mädchen verschleppt und auf Sklavenmärkten verkauft und tausende Männer getötet wurden, gab es ein böses Erwachen, als die Peschmerga fluchtartig das Shengal-Gebiet verließen, nicht ohne die Eziden zuvor auch noch zu entwaffnen. Seitdem ist das Vertrauen dahin.
Washington und die Eziden
Die ezidische Einheit von Qasim Shesho wird mit großem Argwohn betrachtet, wenn nicht abgelehnt. Die ezidische Einheit von Haydar Sheso, die gemeinsam mit den ezidischen Selbstverteidigungseinheiten YBŞ/YJŞ und HPG/YJA-Star seit 2015 versuchen, das Gebiet zu schützen, wird jedoch akzeptiert. Dies haben die USA wohl verstanden.
Am 9. Januar 2017 sagte der ehemalige Außenministeriums-Sprecher John Kirby, dass es diplomatische Gespräche über die Situation im Shengal gibt. Details erwähnte er nicht. Bagdad und Washington nahe Quellen berichteten aber von Warnungen der US-Diplomaten an die KDP-Führung, keine Konflikte mit den Eziden heraufzubeschwören.
Die USA wie auch der Irak betrachten die von der PKK/HPG ausgebildeten Einheiten als legitime Vertreter der Eziden. "Daher wird jeder Konflikt mit diesen Gruppen als ein Krieg gegen die Yazidis, nicht gegen die PKK gesehen werden", berichten die Quellen.
Die Angriffe auf den Shengal sind auch im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Stadt Manbij zu sehen. Im August letzten Jahres befreiten die SDF (Syrian Democratic Forces) die Stadt vom IS und übergaben sie an den lokalen Militärrat, der aus Arabern, Kurden und Turkmenen besteht.
Die Türkei wollte nach der Eroberung von Jarablus sich nach Manbij aufmachen und von dort nach Al-Bab. Nun drohte der türkische Außenminister Cavusoglu den SDF, die türkische Armee werde die Stadt selbst angreifen, wenn sich die SDF nicht zurückziehe.
Am Donnerstag gab es ein Abkommen zwischen dem Militärrat von Manbij, Russland und der syrischen Regierung, dass sich die syrische Armee als Pufferzone zwischen den türkischen Gruppen und den SDF schiebt. Damit ist die Türkei raus aus dem Machtspiel in Syrien. Es sei denn, sie will sich militärisch mit der syrischen und russischen Regierung anlegen.