Nordsyrien: EU-Außenbeauftragte Mogherini mahnt die Türkei zur Zurückhaltung
Erdogan bekräftigte vergangene Woche, dass eine Militäroperation in Syrien starten werde
Spannungen und Vorbereitungen auf einen möglichen Angriff der Türkei auf von Kurden kontrollierte Gebiete sind unübersehbar. Die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, ging am Samstag in einem Statement darauf ein.
Sie reagierte auf eine Ankündigung Erdogans und mahnte, dass die EU von der türkischen Regierung "Zurückhaltung von jeglicher einseitigen Aktion erwarte, die Bemühungen der Anti-IS-Koalition unterminiere und weitere Instabilität in Syrien riskieren könnte".
Ob's hilft? Eine andere, wahrscheinlich wirksamere Gegenaktion deutete sich am Wochenende an, als der türkische Außenminister Mevlüt Çavusoglu in Doha davon sprach, dass sich Erdogan und Trump am Rande des G20-Gipfels in Argentinien über eine Ausweisung von "Fethullah Gülen und anderen" unterhalten hätten und Trump dem türkischen Präsidenten gesagt habe, dass "man daran arbeite".
Nach bisherigen Erfahrungen mit Trump ist dies allerdings keine belastbare, verpflichtende Aussage. Geht es nach dem Wall Street Journal, so forderte Trump bei der jüngsten Telefonunterredung mit Erdogan, dass dieser von seinen Angriffsplänen auf Nordsyrien lasse. Sicher ist, dass das Verhältnis zwischen den USA und der Türkei schon einmal besser war.
"Wir können plötzlich eines nachts kommen."
Schon Ende Oktober sprach der türkische Präsident Erdogan davon, dass Vorbereitungen für eine Militäroperation im Norden Syriens abgeschlossen seien, Ziel sei es, "terroristische Strukturen östlich des Euphrats zu zerstören" (vgl. Syrien: Erdogan auf Expansionskurs). Er kündigte an, dass dies bald geschehe. "Wir können plötzlich eines nachts kommen."
Bislang blieb offen, ob dies bloße Taktik ist. Dass bisher keine derartige Militäroperation ausgeführt wurde, spricht dafür, dass der türkische Präsident vor Konsequenzen eines solchen Angriffs zurückscheut. Die Verhältnisse sind kompliziert. Erdogan braucht für Angriffe auf syrisches Territorium die Rückendeckung Russlands, die er im Fall Afrin hatte, und er steuert, anders als in Afrin, mit seinen Plänen auf einen Konfrontationskurs mit den USA zu, zu deren Einflusssphäre das Gebiet gehört, das Erdogan mit Hilfe islamistischer Milizen militärisch erobern und kontrollieren will.
Die Feinde der Türkei, kurdischen YPG-Milizen, die den Großteil der SDF-Kräfte stellen, sind Verbündete der USA und eine Basis für den Anspruch der USA, ohne festgesetzte Frist in Syrien zu bleiben. Die USA hatte Ende November angekündigt, sich östlich des Euphrat Beobachtungsposten zu einzurichten.
Es ist ein kompliziertes Spiel, das Erdogan hier mit den beiden Großmächten USA und Russland versucht, um sich Möglichkeiten zu verschaffen, den von ihm schon lange geplanten Pufferzonenstreifen in Nordsyrien in Grenznähe zur Türkei zu errichten.
In der vergangenen Woche bekräftigte Erdogan die Angriffspläne. Am Mittwoch verkündete er laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu Agency erneut, dass die Türkei "binnen Tagen eine Operation in Syrien, östlich des Euphrats, in der Nähe zur türkischen Grenze starten werde, um die Region von PKK/YPG-Terroristen zu säubern."
Sein Sprecher Ibrahim Kalin betonte bei einer Konferenz in der Hauptstadt Katars, Doha, das Vorhaben. Es gehe um eine "direkte Bedrohung der nationalen Sicherheit". Die Maßnahmen der Türkei würden auch im Interesse der territoriale Integrität Syriens geschehen. Die Präsenz der USA sei ein "weiteres Theater von Proxy-Spielen".
Die syrischen islamistischen Milizen, die mit der Türkei verbündet sind und als Bodentruppen fungieren, sind allerdings auch Proxys, die den expansiven Interessen der Türkei unterstellt sind. Das syrische Afrin ist durch ihre militärische Unterstützung zu einem türkischen Protektorat geworden, das von der Türkei und nicht von der syrischen Regierung verwaltet wird.
"Von der Tanzfläche fernhalten, wenn Elefanten tanzen"
Aus dem Pentagon werden scharfe Gegenreaktionen und Drohungen auf die türkischen Pläne übermittelt. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wird damit zitiert, dass "einseitige militärische Aktionen im Nordosten Syriens zu schwerwiegender Sorge Anlass geben würde, da US-Mitarbeiter in der Nähe sein könnten. Wir würden solche Handlungen unakzeptabel finden".
Hingewiesen wurde vom Pentagon auch darauf, wie wichtig die SDF als eingeschworener Partner für den Kampf gegen den IS sei. Darüber hinaus wurde den mit der Türkei verbundenen Milizen mit Konsequenzen gedroht. Laut kurdischen YPG-nahen Quellen soll von den USA die Botschaft an die Verbände der "FSA" bzw. "Syrische Nationale Koalition" gegangen sein, wonach sie sich "von der Tanzfläche fernhalten sollen, wenn Elefanten tanzen".
Laut aktuellen Bildern, die von Beobachtern in sozialen Medien verbreitet werden, sollen sich Einheiten der mit der Türkei verbundenen Milizenallianz "Nationale Armee" an der Grenze sammeln und sich für einen Einsatz vorbereiten. Das Medium Rudaw berichtet davon, dass hüben und drüben an der syrisch-türkischen Grenze von den YPG wie von türkischen Streitkräften Gräben ausgehoben werden.