Norwegens Grüne: Kampf gegen das Erdöl im Erdölstaat
Norwegen wählt am Montag ein neues Parlament. Sozialdemokraten machen wohl das Rennen. Grünen drängen auf Ausstieg aus Öl- und Gasförderung
Premierministerin Erna Solberg gilt als "norwegische Angela Merkel" - doch auf 16 Jahre Regierungszeit wird sie kaum kommen. Bei den Parlamentswahlen am Montag wird die Mitte-rechts-Regierung unter der 60-jährigen Konservativen wohl schon nach acht Jahren abgelöst.
Kommt es so weit, geltend die Sozialdemokraten als sichere Nachfolger werden die Sozialdemokraten gehandelt. Ihr Erfolgskonzept: Ein Wahlkampf, der die sozialen Unterschiede in den Fokus rückt. "Nun sind gewöhnliche Leute an die Reihe", so der Slogan der Traditionspartei unter Parteichef Jonas Gahr Störe.
Natürlich hat auch in Norwegen die Corona-Pandemie politische Auswirkungen. Zwar konnte die konservative Regierung die alten Menschen in den Heimen vergleichsweise gut gegen die Infektion schützen. In dem Land mit 5,4 Millionen Einwohnern sind bislang 827 Tote zu beklagen, die mit oder an Sars-CoV-2 starben.
Solberg verspielte jedoch viel Vertrauen, als sie sich im Frühjahr bei ihrer Party zum 60. Lebensjahr selbst nicht an die strengen Vorgaben hielt, die sie den Norwegern tagtäglich angemahnt hatte.
Auch hatte die wirtschaftsliberale Koalition, der neben den "Rechten" auch die "Christliche Volksliberalen" und die sozialliberalen "Venstre" angehören, auf die größeren sozialen Herausforderungen wie die gestiegene Arbeitslosigkeit durch die Pandemie keine Antwort.
Durch Probleme in der Privatwirtschaft lag die Arbeitslosenquote von Beginn der Epidemie an lange bei über fünf Prozent, was für norwegische Verhältnisse viel ist.
Mitte dieser Woche versprach Solberg kurzfristig noch ein Paket von umgerechnet 100 Millionen Euro für Maßnahmen in der Kinder- und Jugendpolitik. Es gehe vor allem darum, die psychischen Folgen des Lockdowns zu heilen.
Eine entscheidende Frage ist die Klimapolitik
In der Klimapolitik fordern die norwegischen Grünen einen Stopp der Erschließung von neuen Erdöl- und Erdgasquellen und einen kompletten Ausstieg aus dieser Branche bis zum Jahr 2035.
Ihre Umfragewerte liegen zwar nur bei sechs Prozent, doch kann es sein, dass die Sozialdemokraten auf sie als Koalitionspartner zurückgreifen müssen.
Denn nur mit der auf eine ländliche Bevölkerung ausgerichteten Zentrumspartei reicht es nicht mehr für eine Mehrheit, so die Umfragen.
Ansonsten stünde die "Sozialistische Linkspartei" und die marxistischen "Roten" als potenzielle Partner zur Verfügung, beide kommen aufgrund der sozialen Probleme des Landes nach Umfragen über die Fünf-Prozent-Hürde.
"Kommunismus" lautet eines der Lieblingsschlagworte der rechtspopulistischen "Fortschrittspartei". Sie warnt davor, "dass die Sozialisten den größten Einfluss seit dem Zweiten Weltkrieg gewinnen.
Die Fortschrittsparteipartei, die im vergangenen Jahr aus der Regierung Solberg wegen eines Streits um IS-Rückkehrer ausgeschieden war, ist die vehementeste Vertreterin von Steuersenkungen und für die Erdölindustrie. Ihr werden wohl mehr als elf Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme geben.
Denn Norwegens Reichtum basiert auf dem Öl- und Erdgasvorkommen, welche in den nördlichen Meeren abgebaut werden. Gut 200.000 Arbeitsplätze hängen davon ab.
Umgerechnet rund 1,2 Billionen Euro enthält aktuell der Staatsfonds, der aus den Erlösen der Erdöl- und Erdgasindustrie gespeist wird.
Viele Norweger sind somit verunsichert. Zum einen haben sie Angst, eine Quelle des Wohlstands zu verlieren. Zum anderen neigt sich Die Nutzung von Erdöl dem Ende. Und Klimafragen spielen in dem Land auch eine zunehmende Rolle.
Dabei gibt es in dem skandinavischen Land schon seit Jahren eine paradoxe Situation. Zwar werden die fossilen Brennstoffe gefördert, jedoch nicht als eigene Energiequelle genutzt, hier sichert vor allem Wasser die Energieversorgung, die Offshore-Windparks sollen ausgebaut werden.
Dramatischer Klimabericht sorgte für Debatten
Auch soll Oslo bis 2030 emissionsfrei werden, 2019 war die Kapitale bereits zur Umwelthauptstadt Europas gewählt worden. Treibende Kraft ist hier die stellvertretende Bürgermeisterin Lan Marie Berg, Mitglied der Grünen. Sie wird für das Parlament kandidieren
Aufschwung bekam die Partei in Norwegen durch den dramatischen UN-Klimabericht Anfang August. "Siebtgrößter Exporteur weltweit von Treibhausgasen" sei ihr Land nach Einschätzung der Ökopartei.
Die Beschäftigen der Ölindustrie sollen in Offshore-Parks, der grünen Schifffahrt, CO2-Abscheidung und -Speicherung, CCS, Solarenergie und Energieeffizienz aufgefangen werden. Die Grünen seien die einzige Partei mit einem Ausstiegsplan. Nur gibt es keine Unterstützer, die zur Umsetzung bereit wären.
Die Sozialdemokraten kommen kaum in Betracht. Ihr Parteichef hat kürzlich vehement bestritten, dass er für eine Einschränkung der Förderung sei und weitere Bohrtürme ausschließe, wie ihm die Regierungspartei "Die Rechten" vorwirft.
Störe will allein die Aktivitäten der Mineralölindustrie nahe der norwegischen Küste wie etwa bei der Inselgruppe Lofoten einschränken.
Die Einnahmen aus der Mineralölindustrie sollten dann die kommende grüne Energiewende finanzieren - ohne genaue Zeitangaben. "Entwickeln nicht abwickeln", lautete seine Devise noch im August, als die Umfragewerte besser standen.
Bezeichnenderweise ist mit Torbjørn Giæver Eriksen ein ehemaliger Politiker der Sozialdemokraten Politikchef des Berufsverbands von Norsk olje og gass.
Dieser Verband beauftragte einen Bericht, der kurz vor der Wahl die Grünen unter Druck setzen soll - bei einem Ausstieg aus der norwegischen Förderung würden die emissionintensiveren USA, Russland und Saudi-Arabien nachziehen und das Klima noch mehr belasten.