Nur eingeschränkt Hartz-IV für arbeitssuchende EU-Bürger

EuGH: Zuwanderer, die nur kurze Zeit in Deutschland gearbeitet haben, haben keinen Anspruch auf längerfristige Sozialleistungen

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Wer Sozialhilfe bekommt und wem sie verweigert wird, ist eine brenzlige Frage, die angesichts der Flüchtlingswellen mit neuen Reizungen aufgeladen wird. Im letzten Jahr war das Hauptthema noch Zuwanderung aus anderen EU-Ländern, "Sozialleistungstourismus" war das Zündwort dazu. Dass es größere Funken schlagen konnte, lag auch an einer Rechtsunsicherheit. Aus der EU kamen Signale, dass deutsche Regelungen von EU-Regelungen ausgehebelt werden könnten.

So zum Beispiel die Einschätzung der EU-Kommission Anfang letzten Jahres, wonach Deutschland den Zugang zu Sozialleistungen für Zuwanderer erleichtern sollte ("Hartz-IV auch für Zuwanderer, die nicht aktiv nach einer Arbeit suchen"). Bei den Sozialgerichten kam es zu Unsicherheiten darüber, ob nicht Brüssel das letzte bestimmende Wort darüber hat, wenn es um die Frage geht, auf welche Sozialleistungen Zuwanderer in Deutschland Anspruch haben (Hartz-IV: "Erhebliche Zweifel, ob der Leistungausschluss mit dem EU-Gemeinschaftsrecht vereinbar ist", vgl. auch Hartz-IV für EU-Ausländer: Integration in den Arbeitsmarkt als zentrales Kriterium).

Man erhoffte sich Klärung durch Grundsatzentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Im November letzten Jahres fiel so eine exemplarische Entscheidung. Der EuGH bekräftigte im Fall Dano die Geltung nationaler Regelungen: Wer als nicht erwerbstätiger Zuwanderer aus EU-Staaten komme, nicht um dort Arbeit zu suchen, sondern "allein mit dem Ziel, in den Genuss von Sozialleistungen zu kommen", sei von den Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen (EuGH bekräftigt Ausschluss von Hartz-IV für bestimmte EU-Zuwanderer). Der Fall wurde von Experten und Politikern jedoch als Sonderfall bezeichnet.

Heute entschied der EuGH nun über den Hartz-IV-Anspruch einer EU-Zuwanderin, die zeitweise in Deutschland gearbeitet hatte - und die, als sie unfreiwllig arbeitslos wurde, auch Sozialleistungen für sich und ihre Kinder erhalten hatte. Allerdings nur sechs Monate lang. Danach stellte das Jobcenter die Zahlungen ein. Strittig war, ob dies rechtmäßig im Sinne einer Gleichbehandlung ist, wenn deutsche Staatsangehörige, die sich in der gleichen Situation befinden,diese Leistungen erhalten.

Der EuGH entschied, dass die Verweigerung der Sozialleistungen in einem solchen Fall nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt. Laut seiner Entscheidung darf der Staat arbeitssuchenden EU-Bürgern die Sozialhilfe nach sechs Monaten verweigern.

Für Arbeitsuchende wie im vorliegenden Fall gibt es - nach den Feststellungen des Gerichtshofs - zwei Möglichkeiten, um ein Aufenthaltsrecht zu erlangen: Ist ein Unionsbürger, dem ein Aufenthaltsrecht als Erwerbstätiger zustand, unfreiwillig arbeitslos geworden, nachdem er weniger als ein Jahr gearbeitet hatte, und stellt er sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung, behält er seine Erwerbstätigeneigenschaft und sein Aufenthaltsrecht für mindestens sechs Monate. Während dieses gesamten Zeitraums kann er sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen und hat Anspruch auf Sozialhilfeleistungen.

Wenn ein Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat noch nicht gearbeitet hat oder wenn der Zeitraum von sechs Monaten abgelaufen ist, darf ein Arbeitsuchender nicht aus dem Aufnahmemitgliedstaat ausgewiesen werden, solange er nachweisen kann, dass er weiterhin Arbeit sucht und eine begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden. In diesem Fall darf der Aufnahmemitgliedstaat jedoch jegliche Sozialhilfeleistung verweigern.

Es müsse auch nicht im Einzelfall geprüft werden, stellte das Gericht klar, "weil das in der Unionsbürgerrichtlinie vorgesehene abgestufte System für die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft ,das das Aufenthaltsrecht und den Zugang zu Sozialleistungen sichern soll, selbst verschiedene Faktoren berücksichtigt".