Nur noch vier Tage arbeiten!
IG Metall für kürzere Arbeitswoche bei vollem Lohn. Wirtschaftsvertreter lehnen ab. Warum Unternehmen dennoch mit Vier-Tage-Woche experimentieren.
Eine kürze Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich – das war einst eine Forderung, die höchstens von linken Kleinstparteien erhoben wurde. Inzwischen liegt das Thema im Trend und wird breit diskutiert. Zahlreiche Betriebe experimentieren mit der Vier-Tage-Woche, und die Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) macht nun dieses Projekt zum Gegenstand von Tarifverhandlungen.
Das hat zumindest der Bezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, Knut Giesler, angekündigt. "Wir wollen eine echte Entlastung für die Beschäftigten erreichen, ohne dass sie deshalb weniger verdienen", sagte er der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). Für die Lebensqualität und Gesundheit der Beschäftigten sei das ein großer Fortschritt.
Aus den Belegschaften seien bislang ausgesprochen positive Rückmeldungen zu vernehmen gewesen, so Giesler. Gleichzeitig würde die Vier-Tage-Woche die Stahlindustrie attraktiver für junge Menschen machen, und die würden in den kommenden Jahren für den klimafreundlichen Umbau der Branche benötigt. "Wir brauchen dafür junge, intelligente Leute – und um die konkurrieren wir mit vielen anderen Branchen", so Giesler.
Nach Ansicht der Gewerkschafter soll das neue Arbeitszeitmodell nicht nur auf die Stahlbranche beschränkt bleiben. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann erklärte laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) am Mittwoch, diese Forderung habe grundsätzlich Ausstrahlung über die Stahlbranche hinaus. Allerdings stünden in diesem Jahr mit Ausnahme der Kfz-Branche keine größeren Tarifrunden der IG Metall mehr an.
Hofmann hatte schon zuvor für die Vier-Tage-Woche geworben. In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärte er sie zu einer Möglichkeit, mit dem Fachkräftemangel fertig zu werden. Denn während manche 40 Stunden oder mehr in der Woche arbeiten würden, müssten andere in Teilzeit verharren oder sich mit Minijobs zufriedengeben. Wenn man von ihnen die Hälfte "in eine verkürzte Vollzeit mit vier Tagen bringen" könnte, dann entstünde "ein Arbeitskräftepotenzial von mehreren Hunderttausend Beschäftigten", sagte er.
Weitere Effekte kämen hinzu: Die Beschäftigten würden nicht so oft krank und müssten seltener aus gesundheitlichen Gründen aus dem Arbeitsleben ausscheiden, bevor sie das gesetzliche Rentenalter erreicht hätten. "Zudem können wir damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch dort stärken, wo Homeoffice nicht möglich ist: in der Produktion, im Handwerk, im Außendienst", so Hofmann.
In der Wirtschaft wird die Position der Gewerkschafter unterschiedlich aufgenommen. In der Stahlbranche steht man ihr bislang ablehnend gegenüber. "Das gefährdet unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit auch Arbeitsplätze", erklärte Gerhard Erdmann, Vorstand des Arbeitgeberverbands Stahl, gegenüber der WAZ.
Die Forderung komme zur Unzeit, sagte er. Statt weniger, bräuchte die Branche jetzt mehr Arbeit. Die Transformation der Branche zur Klimaneutralität, die hohen Energiekosten und die Folgen des Kriegs in der Ukraine seien für die Unternehmen eine existenzielle Herausforderung. Zusatzkosten würden nur den Wandel gefährden.
In anderen Branchen und Betrieben stößt man mit der Idee einer Vier-Tage-Woche nicht mehr auf verschlossene Türen. "Wer Millennials und die Generation Z für sein Unternehmen gewinnen will", komme nicht an solchen Modellen vorbei, brachte es kürzlich der Branchendienst IT Business auf den Punkt.
Um einen geänderten Lebensstil geht es dabei aber nicht. In den Chefetagen verspricht man sich davon, dass die Beschäftigten weniger krank sind und produktiver. Neue Arbeitszeitmodelle sollen die mentale Gesundheit der Beschäftigten fördern und Stress reduzieren.
Zwei Industriebetriebe, die mit einer Vier-Tage-Woche experimentieren, wurden in dem Bericht vorgestellt. Ihnen gelingt es auch deshalb, das neue Modell umzusetzen, weil in vielen Industriebetrieben ohnehin keine 40 Stunden mehr pro Woche gearbeitet wird.
In den vorgestellten Betrieben arbeiten die Beschäftigten an vier Tagen eine halbe oder eine ganze Stunde länger und dafür haben sie drei Tage in der Woche frei. Dank guter Planung der Arbeitsprozesse wird genauso viel produziert wie zuvor – bei sinkenden Kosten, denn auch energieintensive Maschinen können einen Tag früher abgeschaltet werden.
Von ähnlichen Erfolgsgeschichten – etwa aus der Dienstleistungsbranche – berichtete kürzlich der Münchner Merkur. Die Inhaberin eines Friseursalons äußerte sich positiv zu dem neuen Arbeitszeitmodell. Ihre Beschäftigten seien deutlich erholter und gingen motivierter an die Arbeit; der Umsatz habe sich auch nicht verringert. Von einer gestiegenen Motivation der Mitarbeiter sprach auch eine Baufirma für Poolabdeckungen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es nicht nur positive Erfahrungen mit der Vier-Tage-Woche gegeben hat. Nicht in allen Unternehmen ließ sich das neue Modell einführen, in anderen blieb die erhoffte Wirkung aus. So berichtete der MDR Thüringen kürzlich von einem kleinen Industriebetrieb, in dem das neue Modell nicht nur auf Zustimmung in der Belegschaft stieß und auch nicht dazu führte, dass der Krankenstand zurückging oder sich mehr Menschen um einen Arbeitsplatz bewarben.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.