Nutzen von transgenen Pflanzen zweifelhaft
Experten fordern vorrangig eine nachhaltige Produktionsweisen in der Landwirtschaft
Angesichts der weltweiten Nahrungsmittelkrise werden transgene Pflanzen von verschiedenen Seiten wieder stark propagiert. Deren ökonomischer Nutzen ist aber noch nicht belegt, befindet das Büro für Technikfolgenabschätzung im Bundestag (TAB). Die Datenlage sei eher dürftig. Und auch der Weltlandwirtschaftsrat (IAASTD) sieht in transgenen Pflanzen kein Allheilmittel. Vielmehr hält das internationale Expertengremium die Stärkung regionaler Landwirtschaftsformen ebenso wie den Erhalt und die Erneuerung natürlicher Ressourcen wie Böden, Wasser, Artenvielfalt etc. für vorrangig.
Wenn in deutschen Medien von Hungerkrisen berichtet wird, werden auch gerne Umfragen initiiert, ob man als deutscher Bürger „Genfood“ akzeptieren würde, sollte Nahrung knapper oder teurer werden. Viele Befragte bejahen das. Schließlich will ja niemand verhungern. Sehr aussagekräftig sind solche Meinungsumfragen meistens nicht Doch zeigen sie, dass das Argument vieler Gentechnik-Befürworter wonach nur mit trangsenen Pflanzen Ernährungssicherheit langfristig zu gewährleisten sei, sich ins Gedächtnis vieler Menschen eingeprägt hat.
Nach mehr als zehn Jahren des kommerziellen Anbaues von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP) gibt es aber immer noch keine ausreichenden Daten, um den ökonomischen Nutzen auch tatsächlich zu belegen, konstatiert das Büro für Technikfolgenabschätzung im deutschen Bundestag (TAB). In einem Rundbrief wird festgehalten, dass etwa konkrete Anbauresultate „empirisch noch schwach belegt“ wären.
Ein Teil der Studien basiere auf den Ergebnissen von experimentellen Anbauvergleichen und daraus abgeleiteten Modellrechnungen für mögliche betriebs- und volkswirtschaftliche Effekte. Inzwischen gebe es aber auch vergleichende Studien. Dabei werden Befragungen und Erhebungen bei Landwirten durchgeführt, die entweder mit transgenen oder konventionelle Sorten anbauen. Die TAB-Experten orten bei beiden Formen „große Unsicherheiten“. Die direkten Vergleiche von konkreten Anbauergebnissen hätten bisher „mit sehr begrenzten Stichproben“ gearbeitet, stellt der Bericht fest. Kritiker wie Befürworter der Agro-Gentechnik würden Daten nach Eigeninteressen interpretieren. Im TAB-Rundbrief heißt es dazu wörtlich:
Der (kausale) Einfluss einzelner Faktoren auf den Gesamtertrag ist in den meisten Fällen alles andere als eindeutig und deshalb hochgradig interpretierbar. Es verwundert wenig, wenn Gentechnikbefürworter positive Ergebnisse auf die gentechnische Eigenschaft zurückzuführen, negative hingegen auf Witterungs- und sonstige externe Einflüsse – und Kritiker analog umgekehrt argumentieren.
TAB-Bericht
Kritiker würden beispielsweise immer wieder auf Ertragsnachteile transgener Sorten verweisen. „Aller Wahrscheinlichkeit nach“ beruhe das aber auf einer „Fehlinterpretation bzw. – darstellung“, heißt es in dem TAB-Brief. So wären Ertragsnachteile etwa bei herbizidresistenten Sorten geradezu „zwangsläufig“, solange die Grundsorte ertragsschwächer ist. „Sobald die Herbizidresistenz in die jeweils bestangepassten lokalen/regionalen Sorten eingekreuzt ist, verschwindet dieser Effekt“, erklären die Experten.
Befürworter wiederum würden inzwischen oftmals darauf verweisen, dass die grüne Gentechnik – nicht wie ursprünglich erwartet – in Entwicklungsländern ausschließlich für einen „kleinen, agrartechnisch und ökonomisch führenden Teil der Landwirtschaft“ geeignet sei, sondern auch von vielen Kleinbauern genutzt wird. Immerhin wird die Gesamtzahl von Gentech-Anwendern derzeit bereits auf 8 bis 10 Millionen Landwirte weltweit geschätzt, darunter bis zu 90 Prozent Kleinbauern. „Allerdings sagen diese Verbreitungswerte noch nichts über die konkreten Anbauergebnisse oder über Gewinnhöhe und –verteilung aus“, schränkt der TAB-Bericht ein.
Die Anwenderzahlen würde eben nicht automatisch etwas über den tatsächlichen Nutzen für die Landwirte aussagen. In diversen Ländern wurde transgenes Saatgut zunächst sehr kostengünstig am Markt eingeführt oder durch Aufkäufe von Landhandelsfirmen konventionelles Saatgut zurückgedrängt, wie es etwa für manche Gegenden in den USA belegt ist. Der TAB-Bericht geht auf diese Aspekte zwar nicht näher ein, hält jedoch fest:
Häufig ist zu hören, dass Landwirte nur das anbauen, was ihnen nützt (..) und dass der Anbau transgener Sorten durch Kleinbauern in Entwicklungsländern daher einen Nutzen belegt. Das klingt einleuchtend, ist aber der Komplexität landwirtschaftlicher Entwicklungen und Entscheidungsfindungen nicht angemessen. Selbst in der hochentwickelten Agrarwirtschaft der USA werden zur Erklärung der enormen Adoptionsraten transgener Sorten eher sekundäre Motive, wie eine zusätzliche Absicherung gegen mögliche Verluste vermutet, weil die ökonomischen Vorteil in vielen Fällen nicht empirisch belegt sind.
TAB-Bericht
Die unabhängigen TAB-Experten erwarten, dass es in Zukunft zwar belastbarere Daten geben werde, die grundlegenden Konflikte würden aber auch dann kaum abebben. „Zweifelhaft erscheint aber, dass dadurch die fundamentalen Kontroversen über den Nutzen der Grünen Gentechnik tatsächlich substanziell entschärft werden können“, so die TAB-Einschätzung.
Multifunktionale Landwirtschaft gefordert
Der Ernteertrag selbst ist schließlich von vielen Faktoren abhängig. Klimatische Bedingungen, lokal angepasste Kultursorten, Wasser und Bodenqualität sind ebenso zentral wie Bewirtschaftungsformen. So sind Ertragssteigerungen – unabhängig vom Einsatz konventionellem oder gentechnisch verändertem Saatgut - nicht per se wünschenswert, etwa dann wenn dadurch der Boden völlig ausgelaugt wird.
Unter all diesen Gesichtspunkten verwundert es wenig, dass der 2002 gegründete, Weltlandwirtschaftsrat (IAASTD) in seinem jüngsten Bericht radikale, aber auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Agrarreformen fordert. Das IAASTD (International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development) wurde von der Welternährungsorganisation (FAO) und der Weltbank initiiert. Es wird von der UNO und der EU gefördert. An dem jüngsten Bericht wirkten aber auch NGOs und diverse Unternehmen mit. Ziel des Weltagrarrats ist es, eine globale Strategie für die Landwirtschaft zu entwickeln. Immerhin 64 Nationen beteiligten sich an dem jüngsten Plenum in Johannesburg. Widerstand gegen den Bericht, an dem über 400 Experten mitwirkten, regte sich von Seiten der USA und China.
Das IAASTD fordert einen Paradigmenwechsel. Das System der industrialisierten Landwirtschaft sei an seine Grenzen gestoßen und der Preis für Umwelt und die ärmsten Länder der Welt wäre zu hoch. Industrieller Intensivanbau in Monokulturen hätte teilweise die Produktion zwar gesteigert, lokale Anbaupraktiken, die die Versorgung der Bevölkerung garantierten, aber oft auch unterwandert und die Vielfalt lokaler Pflanzen gefährdet.
Modern agriculture has brought significant increases in food production. But the benefits have been spread unevenly and have come at an increasingly intolerable price, paid by small-scale farmers, workers, rural communities and the environment.
Es ginge darum eine multifunktionale, produktive Landwirtschaft zu etablieren, die auch den Schutz natürlicher Ressourcen wie Böden, Wasser, Wälder und Artenvielfalt berücksichtige:
The report has assessed that the way to meet the challenges lies in putting in place institutional, economic and legal frameworks that combine productivity with the protection and conservation of natural resources like soils, water, forests, and biodiversity while meeting production needs.
Der Weltagrarrat übt wie jetzt auch die UNO Kritik an der Ausweitung der Biosprit-Produktion auf Basis von Nahrungsmittelpflanzen. Diese Programme wären in jenen Zeiten sinnvoll gewesen, als Nahrungsmittel wesentlich günstiger gewesen waren. Jeffrey Sachs, der UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon in Fragen der Armut berät, forderte die USA und Europa auf, die Biosprit-Pläne dringend zu überdenken. In den USA würde in diesem Jahr bis zu ein Drittel der Maisernte in den Benzintank wandern, so Sachs. Das sei ein „riesiger Rückschlag für die weltweiten Lebensmittelvorräte“.
UNO ebenso wie Weltagrarrat drängen auf internationale Zusammenarbeit, um die Nahrungsmittelkrise zu bewältigen. Professor Judi Wakhungu’s Appell anlässlich des IAASTD-Plenums war unmissverständlich: “We must cooperate now, because no single institution, no single nation, no single region, can tackle this issue alone. The time is now.”