Obama allein zuhause?

Seite 2: In Syrien beginnt kein Krieg, es herrscht Krieg

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Können wir von einer Art Kriegsmüdigkeit sprechen?

Jan van Aken: Das ist sehr schwer einzuschätzen. Das Verhältnis der US-amerikanischen Bevölkerung zum Militär ist sehr speziell. Ob es wirklich Kriegsmüdigkeit ist, das vermag ich zu diesem Zeitpunkt nicht einzuschätzen.

Ist jetzt die Kriegsgefahr jetzt gebannt?

Jan van Aken: Also mal ganz grundsätzlich: In Syrien herrscht seit zwei Jahren Krieg mit bislang über 100.000 Toten. Das ist mir ganz wichtig. In Syrien beginnt kein Krieg, oder könnte begonnen werden, in Syrien herrscht Krieg.

Was die von Obama beabsichtigte Bombardierung angeht, so könnte es tatsächlich sein, dass er sich derzeit mit seinen Plänen nicht durchsetzen kann. Das hat allerdings nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass z.B. die Republikaner plötzlich zum Frieden bekehrt wurden, sondern sie wollen Obamas innenpolitisch schwächen. Allerdings steigt damit die Wahrscheinlichkeit, dass es keine Bombardierung von außen geben wird.

In verschiedenen Publikationen, Reden und Aufrufen zu Anti-Kriegsdemos ist immer wieder zu lesen und zu hören, dem Militärschlag gegen Syrien sei die Vorbereitung für den Krieg gegen den Iran. Wieso sollten die Amerikaner Syrien bombardieren, wenn sie den Iran meinen?

Jan van Aken: Wenn die US-Administration den Iran militärisch angreifen wollte, dann hätte sie in der Vergangenheit genügend Anlässe dafür suchen und auch finden können. Insofern glaube ich nicht, dass Obama zwangsläufig einen Krieg gegen den Iran will. Sicher ist nur, dass er den Iran schwächen will - zum Beispiel dadurch, dass sein stärkster Verbündeter, Syrien, geschwächt wird.

Die Stationierung der Bundeswehr in den kurdischen Gebieten in der Türkei war hierzulande umstritten, inzwischen wurde das Deckmäntelchen des Schweigens darüber gehüllt. Welche Rolle würde die Bundeswehr im Falle eines militärischen Eingreifens spielen?

Jan van Aken: Die dort stationierten Einheiten sitzen direkt am Rande eines brodelnden Kessels und würden sofort in einen heißen Krieg mit hineingezogen. Deshalb fordern wir als Linke, und dies fordert auch die Friedensbewegung, die Bundeswehr dort sofort wieder abzuziehen. Wenn von außen militärisch eingegriffen würde, wäre die Bundeswehr mittendrin in einem Krieg im Nahen Osten.

Grundsätzlich sollten Waffenexporte verboten werden

Woher könnte das Giftgas stammen, wer auch immer es eingesetzt haben mag?

Jan van Aken: Mit großer Wahrscheinlichkeit aus syrischer Produktion. Das macht es ja auch so schwer, herauszufinden, wer nun wirklich für dessen Einsatz verantwortlich ist.

Falls es doch zu einem Angriff kommt, besteht die Gefahr, dass die USA ihrerseits Munition mit abgereichertem Uran (depletet Uranium/DU-Munition) benutzen?

Jan van Aken: Die USA setzen überall DU-Munition ein. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sie es in Syrien nicht tun würden.

Insgesamt scheint mir das Problem zu sein, dass es viel zu viele Waffen gibt in der Region.

Jan van Aken: Allein in Syrien werden Waffen aus aller Welt eingesetzt, geliefert u.a. aus den USA, Russland und auch der BRD. Geliefert wurden deutsche Waffen z.B. auch nach Saudi-Arabien, die Türkei und Israel. Alle drei Staaten sind in den Konflikt bereits involviert, und würde es zur Bombardierung durch die USA kommen, würde das sehr schnell zu einem unbeherrschbaren Flächenbrand, in dem die Waffen Made in Germany auch eingesetzt würden. Der Iran erwarb vor Jahrzehnten, noch zu Zeiten des Schah-Regimes, eine Produktionslizenz von Heckler & Koch, diese Waffen vertreiben sie bis heute, wahrscheinlich auch an ihre Verbündeten in Syrien.

Abgesehen vom Syrien-Konflikt, ganz grundsätzlich gehören Waffenexporte verboten. Dafür habe ich mich während meiner Amtszeit als Bundestagsabgeordneter stark gemacht. Allein im Hamburger Hafen werden pro Jahr mehr als 1.000 Container mit Munition verschifft. 1.000 Container mit einem Inhalt, der nichts anderem dient, als Menschenleben zu vernichten. Ein Waffen-Export-Verbot würde somit Menschenleben retten. Und zwar nicht wenige.

Die Problemlage in Syrien, in der gesamten Region, ist sehr komplex. Gebe es Ihrer Ansicht nach überhaupt mögliche Lösungsansätze?

Jan van Aken: Was wir - vor allem die Menschen in der Region - brauchen, ist eine politische Lösung. Dazu müssen sich alle beteiligten Parteien an einen Tisch setzen. D.h., die USA müssen auch Russland und den Iran ins Boot holen. Es müssen alle an einen Tisch auf neutralem Boden, und dann muss eine für alle tragbare friedliche Lösung ausgehandelt werden.

Am Ende jeden Krieges stehen Friedensverhandlungen, anders werden sie einen Krieg nicht beenden können. Aber dafür muss man sich mit seinen Feinden an einen Tisch setzen, nicht nur mit seinen Freunden.