Obama will mehr

Die Energie- und Klimawochenschau: In den USA wird der Klimawandel zu einem wichtigen Thema im Präsidentschaftswahlkampf, während in Großbritannien der Ausbau der Windenergie in den schwerfälligen Mühlen der Bürokratie nicht vorankommt

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Alles wird gut. Was Alexander Ochs für die Heinrich-Böll-Stiftung aus New York schreibt, klingt schon fast zu schön, um wahr zu sein: Der Industrie-Lobby der Klimawandel-Leugner laufen angeblich die Mitglieder in Scharen davon. Mehr noch, Groß-Konzerne gründen gemeinsam mit Umweltschützern Organisationen, die den Klimaschutz auf ihre Fahnen geschrieben haben.

Die Mitglieder des United States Climate Action Partnership (USCAP) wie Chrysler, Dupont oder General Motors hätten sich zu weitgehenden Minderungen ihrer Emissionen verpflichtet. Selbst bei Exxon Mobile gebe es in den letzten Monaten ein Umdenken. Haupttenor sei inzwischen, dass der Klimawandel neue Möglichkeiten für Geschäfte schaffe.

In our view, the climate change challenge will create more economic opportunities than risks for the U.S. economy.

USCAP
Obama macht von den Präsidentschaftskandidaten noch die konkretesten Vorschläge für Klimaziele. Bild: barackobama.com

Leider bleibt der Autor sehr unspezifisch, verspricht uns aber, dass der nächste Präsident der USA auf jeden Fall sich um Klimaschutz kümmern werde. Sowohl John McCain, als auch Hillary Clinton und Barack Obama haben sich für die Begrenzung der Treibhausgasemissionen und für die Einführung marktwirtschaftlicher Mechanismen ausgesprochen. Soll heißen, sie unterstützen im Prinzip derzeit im Kongress diskutierte Initiativen zur Einführung eines Emissionshandels.

Allerdings hat die bisherige europäische Erfahrung gezeigt, dass dieses Instrument solange wirkungslos bleibt, wie eine starke Industrielobby hohe Gesamtmengen und kostenlose oder zu billige Zertifikate durchsetzen kann. Und in den USA dürfte der Einfluss der entsprechenden Konzerne eher noch größer sein als hierzulande.

Doch trotz dieser scheunentorgroßen Hintertüren geht der Handel mit Verschmutzungsrechten dem Noch-Präsidenten George W. Bush viel zu weit, weshalb er vermutlich entsprechende Gesetzesvorstöße per Veto aufhalten wird. Verglichen mit dieser Blockade-Politik nehmen sich selbst die Klimaziele seines Parteifreundes McCain noch radikal aus. So fordert dieser unter anderem einen klaren Zeitplan: Bis 2020 sollen die US-Emissionen wieder auf das Niveau von 1990 zurückgefahren werden, bis 2050 sollen sie 60 Prozent darunter liegen.

Fortschritt zu klein

Man muss man dazu jedoch wissen, dass bereits die 1992 in Rio de Janeiro verabschiedete Klimaschutzrahmenkonvention (UNFCCC) von ihren reichen Mitgliedsländern wesentlich mehr verlangt, und diese Konvention wurde – im Gegensatz zum später angenommenen Kyoto-Protokoll – auch von den USA ratifiziert. In Rio war seinerzeit vereinbart worden, dass die Industrieländer in einem ersten Schritt ihre Emissionen bis zum Jahre 2000 auf dem Niveau von 1990 stabilisieren sollten.

Für die Staaten des ehemaligen Ostblocks war das kein Problem, weil ihre Emissionen ohnehin aufgrund des wirtschaftlichen Niedergangs stark zurückgegangen waren. Die meisten westlichen Industrieländer verfehlten dieses Ziel allerdings deutlich, weshalb sie sich auch nur zu gern der Washingtoner Lesart anschlossen, wonach die Festlegung der Klimakonvention nicht völkerrechtlich verbindlich sei. In den USA hatten sich die Emissionen bis 2005 um 15 Prozent gesteigert. Die derzeitige Regierung geht davon aus, dass die Emissionen in den nächsten Jahren im gleichen Tempo weiter wachsen werden.

Dagegen sind McCains Positionen natürlich schon ein Fortschritt, aber ein zu kleiner: Auch das von ihm für 2050 anvisierte Ziel von minus 60 Prozent gegenüber 1990 reicht für einen langfristigen Klimaschutz nicht aus. Die USA haben 1990 5,41 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) und andere Treibhausgase emittiert (die anderen Gase wie Methan und Distickstoffoxid werden in CO2-Äquivalente umgerechnet). Wenn man die angeblichen Senken weglässt, waren es sogar 6,15 Milliarden Tonnen, wie sich aus den Zahlen der US-Regierung ergibt. Das sind 18,03 bis 20,5 Tonnen pro Kopf und Jahr, wenn man es auf die Einwohner umrechnet.

Um das globale Klima zu stabilisieren, müssten die Emissionen jedoch auf etwa zwei Tonnen pro Kopf und Jahr reduziert werden, es sei denn, man ist der Ansicht, ein US-Bürger oder ein Mitteleuropäer – hierzulande liegen die Pro-Kopf-Emissionen etwa bei 12 Tonnen pro Jahr – habe mehr Rechte, die Atmosphäre zu belasten, als ein Inder oder ein Nigerianer. Die US-Emissionen müssten also nicht um 60 Prozent gegenüber 1990 verringert werden, sondern um rund 90 Prozent. Immerhin ist bei McCain beachtlich, dass er sich zwar an dem beliebten China-Bashing Spiel beteiligt, aber ausdrücklich darauf verweist, dass die Verpflichtungen unabhängig von den Ergebnissen der internationalen Klimaverhandlungen sind.

Obama will mehr

Etwas näher dran am 90-Prozent-Ziel liegt unterdessen Barack Obama, der wohl bei den Demokraten das Rennen machen wird (Sieg ohne Bedeutung?). Seine Gegner sagen ihm zwar gerne nach, dass er sich nicht gerne festlege, doch auf seine Internetseite finden sich relativ konkrete Vorschläge: 80 Prozent unter dem 1990er-Niveau markiert seine Ziellinie für 2050. Dafür sollen über zehn Jahre gestreckt 150 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energie fließen, die Energieeffizienz drastisch gesteigert und die Entwaldung gestoppt werden.

Obama gehört allerdings zu den aktiven Befürwortern des Benzinersatzes Ethanol, der in den USA hauptsächlich aus Mais gewonnen wird. Sein Nutzen für das Klima ist höchst zweifelhaft (Mit Kohle und Biosprit ins Treibhaus), außerdem trägt er zur weltweiten Verknappung der Lebensmittel bei.

Der US-Verbrauch von Mais für Äthanol nimmt rasch zu. Grafik: Policy Economist

Schon vor einigen Wochen hatte Obama angekündigt, er würde den Klimaschutz zu einem der zentralen Wahlkampfthemen machen und auch mit internationalen Gesprächen beginnen, sobald seine Nominierung fest stehe. Kritische Umweltschützer verweisen allerdings auf Obamas Nähe zur Kohleindustrie (in den USA ist wie hierzulande die Verfeuerung von Kohle in Kraftwerken für etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich). Auf seiner Webseite spricht sich Obama jedenfalls eindeutig für die Entwicklung von Technologien zur Abscheidung und Einlagerung von CO2 aus, mit der die Kohle- und Kraftwerkslobby hofft, auch in Zukunft ihr Geschäft weiter betreiben zu können.

Aber in dieser Frage gibt es zwischen Clinton, Obama und McCain kaum Unterschiede. Letzterer versucht indessen, obwohl bei der Kernwählerschaft der Republikaner nicht mit Klimaschutz zu punkten ist, sich ein grünes Image zu verpassen. Am Montag vergangener Woche sprach er im US-Hauptquartier des dänischen Windanlagenherstellers Vestas, hielt sich jedoch mit konkreten Versprechen zur direkten Förderung der Windenergie zurück. Immerhin gab es jedoch eine Zusage, dass McCain sich für den Ausbau des Hochspannungsnetzes einsetzen werde, damit Wind- und Solarstrom in die Zentren des Verbrauchs geschafft werden könne. Ansonsten will er vor allem auf den Emissionshandel setzen. Nebenbei machte der Vietnam-Krieg-Veteran noch ein bisschen Werbung für Atomkraftwerke.

Die US-Medien müssen seine Rede dennoch als Pro-Windkraft aufgenommen haben. Jedenfalls beeilten sich einige Blogger, McCain Scheinheiligkeit vorzuwerfen. Zwei führende Mitarbeiter seiner Kampagne, Charlie Black und Tom Loeffler, haben offensichtlich bis vor kurzem als bezahlte Lobbyisten der Windkraftgegner gearbeitet, wie die Internetausgabe von "Cape Cod Today" berichtet. Cape Cod liegt im Nordosten der USA, wo es seit Jahren eine Auseinadersetzung um einen im Nantucket-Sund geplanten Windpark gibt. Mit 130 Anlagen könnte er der erste Offshore-Park der USA werden.

Geplanter Cape-Cod-Windpark. Bild: Cape Wind

Mit Offshore-Windparks scheint es allerdings nirgendwo so recht voran zu gehen. Auch in Deutschland sind die diversen Vorhaben inzwischen weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück, und aus Großbritannien berichtet der Guardian, dass allen Versprechungen der Regierung zum Trotz, die durchschnittliche Verzögerung fünf Jahre beträgt. Erst kürzlich führten Planungsunsicherheit und Verzögerungen dazu, dass sich Shell aus dem "London-Array"-Windpark in der Themsemündung (Take off an der Küste) zurückzog. Das Vorhaben, das einmal zum größten Windpark der Welt werden sollte, steht nun auf der Kippe.

Und damit auch langsam Großbritanniens Ziel, bis 2020 15 Prozent der im Lande benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Derzeit sind es nach den Angaben des "Guardian" nur zwei Prozent. Dabei hat Großbritannien mit seinen langen Küstenlinien eigentlich beste Voraussetzungen. Fast überall sind zudem die Küstengewässer relativ flach, sodass man auch weiter draußen bauen könnte, wodurch die Anlagen kaum oder gar nicht vom Land aus zu sehen wären.

Dennoch tun sich die Behörden des Landes schwer mit Genehmigungen. Die Clyde Windfarm in Schottland ist ein gutes Beispiel dafür. Hier wartet der potenzielle Betreiber bereits seit dem Februar 2003 auf eine Genehmigung. Dreieinhalb Jahre dauerte es allein, bis die lokalen Behörden die Anträge weiter gaben. Ein anderes Beispiel ist der Gwynt-y-Môr-Park vor den Küsten Wales, dessen Bauherren seit 2005 auf einen Bescheid warten. Im Schnitt soll sich in den letzten Jahren die Zeit bis zur Erteilung einer Genehmigung um zwei Jahre verlängert haben.

Der geplante Gwynt-y-Môr-Windpark. Diese Fotomontage der Betreiber gibt einen Eindruck davon, dass die Anlagen von der Küste aus kaum zu sehen wären.

Dabei ist der schottische Amtsschimmel offenbar deutlich schwerfälliger als der englische. Auch beim Anteil der Genehmigungen gibt es große Unterschiede. In Nordteilen werden mit 93 Prozent die allermeisten Anträge positiv beschieden, in Wales sind es noch 77 Prozent. In England hingegen nur 65 und in Schottland gar 56 Prozent.

Kein Wunder also, dass sich in Großbritannien erst wenige Windmühlen drehen, die es zusammen gerade auf eine Leistung von 2.500 MW bringen. 35 Windfarmen mit einer Kapazität von 1.400 MW sind im Bau, berichtet der Guardian. Aber die "Planungs-Pipeline" ist zum Bersten gefüllt. 222 mit einer geplanten Kapazität von 9.200 MW sind beantragt. Sollte Großbritanniens Ministerpräsident Gordon Brown also endlich sein Versprechen, die Verfahren zu beschleunigen, wahr machen, dann könnte auch jenseits des Kanals ein ausgewachsener Windenergie-Boom einsetzen.