Mit Kohle und Biosprit ins Treibhaus
Das Bundeskabinett hat auf seiner Klausur in Meseberg ein Grundsatzpapier über die Klima- und Energiepolitik verabschiedet
Der Berg hat gekreißt und eine Maus geboren. Das Bundeskabinett hat nach der Klausur in Meseberg ihre Eckpunkte für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm vorgelegt, und wie zu erwarten gewesen war, vermeidet sie es peinlichst, den wichtigsten Verursachern auf die Füße zu treten.
Aber es soll nicht verschwiegen werden, dass auch ein paar sinnvolle Dinge beschlossen wurden, wie der Ausbau der Kraft-Wärmekopplung, der erneuerbaren Energie im Strombereich, eine verbesserte Förderung der Solarthermie und einiges andere. Die vorgesehene Modernisierung des Gebäudebestandes kann sicherlich den Bedarf an Wärmeenergie drücken, obwohl man sich schärfere Vorschriften für Vermieter wünschen würde.
Mehr Kohle
Vollkommen ungeschoren kommen hingegen die Stromkonzerne davon, die zu den größten Treibhausgasemittenten im Lande gehören. Mit rund 36 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen macht die Energiewirtschaft den größten Einzelposten in der deutschen Treibhausgas-Bilanz aus. Das liegt daran, dass hierzulande rund 45 Prozent des Stroms in Stein- und Braunkohlekraftwerken produziert wird, die zudem auch nach 20 Jahren Klimadiskussion noch immer auf einem erbärmlich niedrigen technischen Niveau betrieben werden. Bei der Verbrennung von Kohle entsteht viel Kohlendioxid (CO2), aber wie die unten stehende Tabelle zeigt, sind die Emissionen höher als nötig, weil RWE, E.on, Vattenfall und EnBW ihre Technik nicht auf dem neusten Stand haben.
Durchschnittliche Emissionen des existierenden Kraftwerkparks in Deutschland
Deshalb verkaufen RWE & Co. ihre Baupläne für neue Kraftwerke gerne als Klimaschutz, weil bessere Technik eingesetzt wird. Auch die Bundesregierung bestärkt sie darin. In den Eckpunkten heißt es:
Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass der Ersatz ineffizienter Kohle- und Braunkohlekraftwerke durch neue und hoch effiziente Kraftwerke einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Modernisierung der Stromversorgung leistet.
Dreierlei wird dabei übersehen: Zum einen sind Wind und Sonne durchaus in der Lage, den Strombedarf mittelfristig zu decken. In Schleswig-Holstein wird zum Beispiel damit gerechnet, dass 2020 der durch Windräder erzeugte Strom den Eigenbedarf des Bundeslandes schon deutlich übersteigen wird. Trotzdem will der dortige CDU-Wirtschaftsminister unbedingt neue Kohlekraftwerke bauen (siehe: Kohle um jeden Preis). Das Argument ist die Unstetigkeit des Windes, doch dem könnte unter anderem mit neuen Speicherkraftwerken und einem besseren Netzverbund begegnet werden.
Zum zweiten sind die Emissionen moderner Gas- und Dampfturbinenkraftwerke erheblich geringer. Diese lassen sich zudem wesentlich schneller hoch und runter fahren, so dass sie besser für Spitzenlastzeiten geeignet sind. Kohlekraftwerke konkurrieren hingegen in der Grundlast mit der Windenergie, und in Dänemark kommt es vor, dass Vattenfall in seinen dortigen Offshore-Windpark die Rotorblätter aus dem Wind dreht, weil er lieber seinen Atom- und Kohlestrom verkaufen will.
Zum dritten schließlich sind die geplanten Kohlekraftwerke alle so groß dimensioniert, dass sich ihre Abwärme wenn überhaupt nur teilweise nutzen lässt. Kleinere GuD-Blockheizkraftwerke wären hingegen eine optimale Ergänzung der Windenergieanlagen, da sie auch noch Emissionen einsparen würden, die sonst in den Heizungsanlagen entstünden.
Doch so viel Effizienz ist der Bundesregierung offensichtlich ein Gräuel. Sie unterstützt die Kraftwerksstrategie der Konzerne und scheint der Meinung zu sein, dass sich die Öffentlichkeit aus der Frage gefälligst raushalten soll. In ihren Eckpunkten formuliert sie nämlich:
Der nationale Mix der eingesetzten Energieträger wird nicht durch die Bundesregierung festgelegt, sondern ist das Ergebnis der Entscheidungen der verantwortlichen Akteure auf der Grundlage der nationalen und europäischen Rahmenbedingungen
Natürlich könnte man den „nationalen Rahmen“ auch so abstecken, wie es die dänischen Nachbarn vormachen. Dort dürfen schon seit den späten 1990er Jahren keine Kohlekraftwerke mehr gebaut werden. Aber daran ist hierzulande offensichtlich nicht gedacht, denn die Kraftwerke sind ein gutes Geschäft, das den „Akteuren“ nicht verdorben werden soll.
Organisierter Wahnsinn
Auch an die Autolobby traut man sich nicht heran. Der Straßenverkehr war 2004 für rund 16 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen und etwas über 18 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich, dennoch ist offensichtlich nicht daran gedacht, ihn endlich einzuschränken und statt dessen zum Beispiel die umweltfreundliche Bahn zu fördern. Diese wird in dem Papier mit keiner Silbe erwähnt. Stattdessen sieht es ganz so aus, als soll der organisierte Wahnsinn auf unseren Straßen mittels so genannter Biokraftstoffe so lange wie nur irgend möglich fortgesetzt werden.
Die Koalitionäre haben sich nämlich darauf geeinigt, den Einsatz der Kraftstoffe aus Pflanzen, die alles andere als unbedenklich und deshalb nicht besonders „Bio“ sind, massiv zu fördern. Bis 2020 sollen sie 20 Volumenprozent der verwendeten Treibstoffe ausmachen. Wegen des meist geringeren Brennwertes macht das energetisch etwa 17 Prozent aus. Gegen diese Politik spricht gleich eine Reihe von Argumenten:
- Der Flächenbedarf ist enorm. Die Kraftstoffe werden schon bald in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion treten und die Preise gewaltig in die Höhe treiben. Vermutlich hatten sie an den jüngsten Preissteigerungen bereits ihren Anteil.
- Viele Umweltprobleme der Verbrennungsmotoren werden auch mit nachwachsenden Rohstoffen nicht behoben. Zum Beispiel entstehen auch bei der Verbrennung von Biodiesel gefährliche Rußpartikel. Und auch Stickoxide werden weiter produziert, die nicht nur die Atemwege angreifen und zur Schädigung der Wälder beitragen, sondern auch Vorläufer von Ozon sind, das ein anderes wichtiges Treibhausgas ist. Nebenbei schädigt es Wälder, Feldfrüchte und die Atemwege der Menschen.
- Auch viele andere Probleme des Straßenverkehrs werden mit den „Biokraftstoffen“ nicht einmal gemildert, wie die mitunter tödliche Lärmbelästigung, die Verwüstung der Städte oder die unzähligen Verkehrstoten und Unfalltraumatisierten.
Doch dessen ungeachtet soll nach dem Willen der Koalition das Biokraftstoffquotengesetz geändert werden, um die Beimischungsmengen auf 20 Prozent zu erhöhen. Damit verspricht man sich eine Nettominderung der Treibhausgasemissionen des Straßenverkehrs um zehn Prozent. Das Quotengesetz ist erst am 1. Januar 2007 in Deutschland Kraft getreten. Darin werden Mindestquoten für die Beimischung von Biodiesel und Bioethanol vorsieht, die in den folgenden Jahren schrittweise steigen werden. Demnach muss seit Anfang Januar Diesel mindestens 4,4 Prozent Biodiesel enthalten, Benzin mindestens 1,2 Prozent Bioethanol. Außerdem wird den Mineralölkonzernen ein Pflichtanteil der Biokraftstoffe an den verkauften Produkten auferlegt, der 2009 mindestens 6,25 Prozent beträgt. Bis 2015 soll dieser Wert auf acht Prozent steigen. Bei Nichteinhaltung drohen empfindliche Strafen.
Nach Statistiken des Bundesumweltministeriums vom Februar 2007 betrug 2005 der Anteil der Biokraftstoffe am deutschen Kraftstoffverbrauch 3,8 Prozent. 2006 waren es bereits 4,7 Prozent, die sich wie folgt aufteilten: 75,1 Prozent Biodiesel, 13,5 Prozent Bioethanol, 11,4 Prozent Pflanzenöl. Dadurch seien 8,7 Millionen Tonnen CO2 vermieden worden. Die indirekten Treibhausgasemissionen bleiben allerdings unerwähnt, so dass man annehmen muss, dass diese in diese Bilanz keinen Eingang gefunden haben.
Schleswig-Holstein umpflügen? (update)
Ein bisschen Hintergrund: Nachwachsende Kraftstoffe gelten im Prinzip als CO2-neutral, weil die Pflanzen zuvor den Kohlenstoff (C) der Atmosphäre entzogen haben. Zu beachten ist allerdings der Energieaufwand für Ernte und Produktion sowie die Emission von Distickstoffoxid (N2O) aus den Ackerböden. Der Einsatz von Stickstoffdünger regt die Bodenbakterien zu einer vermehrten Produktion von N2O an, dass ein 300mal effektiveres Treibhausgas als CO2 ist. Als Biokraftstoffe kommt in Deutschland bisher vor allem Rapsöl zum Einsatz, das in umgebauten Dieselmotoren direkt verbrannt werden kann. Technisch sinnvoller und häufiger ist allerdings die Verarbeitung des Öls zu Biodiesel, der dem herkömmlichen Diesel sehr ähnlich ist.
Daneben erfreut sich auch das Ethanol als Beimischung zum Benzin zunehmender Beliebtheit. Bei ihm handelt es sich um einen Alkohol, der zumeist aus der Vergärung von zucker- oder stärkehaltigen Pflanzen gewonnen wird. In Deutschland werden vor allem Roggen, Gerste, Weizen, Mais und Zuckerrüben verwendet. Entscheidend für die CO2-Bilanz des Bioethanols ist die Herkunft der Prozessenergie. Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission hat schon 2005 vorgerechnet, dass beim Einsatz von Strom aus Braunkohle in den Anlagen zur Herstellung von Ethanol im Prozess mit etwa 180 Gramm CO2-Äquivalenten pro Kilometer mehr Treibhausgase anfallen, als heute viele sparsame Autos mit herkömmlichem Benzin produzieren. Die beiden größten deutschen Ethanolhersteller haben ihre Werke in Sachsen und Brandenburg, also im Vattenfallgebiet, wo ein großer Teil des Stroms mit der Verbrennung von Braunkohle gewonnen wird.
Am besten ist für die Herstellung von Ethanol aus Pflanzen Zuckerrohr geeignet, denn es hat einen besonders hohen Zuckergehalt. Die dafür in Brasilien, das bei dieser Technik internationaler Vorreiter ist, verwendeten Prozesse sind auch deshalb sehr günstig, weil sie die Prozessenergie für die Vergärung aus den Pflanzenrückständen gewinnen. Die CO2-Bilanz für Bioethanol ist daher im Falle des Zuckerrohrs mit Abstand am besten. Rund 80 Prozent des Treibhausgases können im günstigsten Fall eingespart werden. Ethanol wird aber meist nur im Gemisch mit Benzin verwendet, was unter anderem daran liegt, dass es sehr aggressiv ist und selbst Metalle angreifen kann. Die verwendeten Mischungsverhältnisse reichen von 15 Teilen Ethanol zu 85 Teilen Benzin bis zu 85 Teilen Ethanol zu 15 Teilen Benzin.
Der Ethanol-Ertrag beträgt in Brasilien nach unterschiedlichen Angaben 5.300 bis 6.000 Liter pro Hektar. Damit lassen sich, da Ethanol einen um 35 Prozent gegenüber Benzin verringerten Brennwert hat, etwa 3.450 bis 3.900 Liter Benzin ersetzen. Bei einem Gewicht des Benzins von 0,73 Kg/Liter heiß das, dass pro Jahr mit Zuckerrohr auf einem Hektar brasilianischen Boden Ersatz für 2,52 bis 2,84 Tonnen Benzin gewonnen werden kann. In Deutschland lassen sich nach den Angaben des Saatgut-Multis Syngenta folgende Liter-Erträge Ethanol pro Hektar erzielen: Roggen 2.030, Weizen 2.760, Mais 3.520, Kartoffeln 3.550, Zuckerrüben 6.630. Letzteres ist sicherlich eine sehr optimistische Schätzung, denn die Angaben stammen aus einer Hochglanzbroschüre, mit der das Unternehmen seine Rübensaat anpreist und Landwirte animiert, auf den Biosprit-Zug aufzuspringen.
Nach den Statistiken der Internationalen Energieagentur (IEA) werden derzeit jährlich 893 Millionen Tonnen Benzin verbraucht. Wollte man diese Menge durch Bioethanol ersetzen, müssten rund 354 Millionen Hektar Zuckerrohr angebaut werden. Das sind 3,54 Millionen Quadratkilometer oder eine Fläche, die annähernd zehnmal so groß wie Deutschland ist. Brasilien ist ein großes Land, aber soviel Platz gibt es dort nicht einmal, wenn man den ganzen Amazonaswald abholzen würde. Doch die Welt-Autoflotte wächst unaufhaltsam. Bis 2025, schrieb das Magazin The Economist am 8. September 2005, werden voraussichtlich die Produktionskapazitäten der Autohersteller auf 110 Millionen Fahrzeuge pro Jahr verdoppelt.
Aber schon für deutsche Verhältnisse ist der Umstieg auf nachwachsenden Sprit vollkommen irrsinnig, wenn man sich den Flächenverbrauch anschaut: Nach Ansicht des Mineralölwirtschaftverbandes MWV wird bis 2020 in Deutschland der Benzinabsatz von derzeit 25,4 Millionen Tonnen jährlich auf 17 Millionen Tonnen zurückgehen. Wollte man diese Menge mit Ethanol ersetzen, dann müssten auf sechs bis 6,7 Millionen Hektar Zuckerrohr angebaut werden. Das entspricht in etwa einem Sechstel der Fläche Deutschlands. Nimmt man andere Grundstoffe, bräuchte man eine etwa doppelt so große Fläche. Mit anderen Worten: Knapp sechs Prozent des nutzbaren Ackerlandes in Brasilien würden also allein für die deutsche Benzinerflotte in Beschlag genommen. Und dabei ist die im internationalen Vergleich nicht einmal besonders groß, denn inzwischen hat hierzulande jeder zweite neuzugelassene PKW einen Dieselmotor.
Nehmen wir an, dass die Autohersteller tatsächlich das technisch Machbare an Effizienz zur Anwendung bringen, so dass die MWV-Prognose noch einmal halbiert werden kann. Nehmen wir weiter noch an, dass die versprochenen neuen Verfahren zur Herstellung von Biokraftstoffen zur Anwendung kommen, die den Flächenertrag maximal vervierfachen. Dann würde der Flächenbedarf um den Faktor 8 auf 0,75 bis 0,84 Millionen Hektar sinken. Das heißt, es würde unter diesen günstigen Bedingungen, die derzeit noch Zukunftsmusik sind, ausreichen, wenn wir das Saarland umgraben, um die Benzinerflotte am Laufen zu halten. Für die Dieselfahrzeuge müsste zusätzlich unter den gleichen überaus günstigen Annahmen wahrscheinlich noch Schleswig-Holstein dran glauben.
Das wird natürlich nicht geschehen. Stattdessen wird schon beim 20-Prozent-Ziel ein erheblicher Teil dieser Pflanzenkraftstoffe importiert werden. Da auch andere große Staaten, nicht zuletzt die US ((Kein) Klimawandel in den USA) auf diesen Weg setzten, um die Welterdölreserven zu strecken, kann man davon ausgehen, dass dieser Trend schon in wenigen Jahren zu erheblichen Problemen führen wird. Auf dem Weltmarkt werden die Preise für Nahrungsmittel explodieren, die letzten Reste der tropischen Regenwälder geraten unter noch stärkeren Druck und in Ländern wie Argentinien und Brasilien werden auf dem Land die Großgrundbesitz-Strukturen gestärkt, die für Verelendung und endemische Gewalt verantwortlich sind.
Von Wolfgang Pomrehn ist gerade im PapyRossa-Verlag ein Buch unter dem Titel Heiße Zeiten - Wie der Klimawandel gestoppt werden kann erschienen, aus dem größere Teile dieses Artikels entnommen sind.