Obamacare-Reform durch Mittelentzug

Bild: Nick Youngson. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Nach dem Scheitern des Vorhabens im Kongress übt Trump mit den Mitteln, die ihm als Präsident zur Verfügung stehen, Druck aus - 18 Bundesstaaten klagen dagegen

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Ein Element des nach dem ehemaligen Präsidenten Barack Obama benannten US-Krankenversicherungsreformpakets vor sieben Jahren waren bundesstaatliche Subventionen für Versicherungsanbieter. Am Donnerstag erklärte das Weiße Haus, es habe ohne einen konkreten Kongressbeschluss dazu Zweifel an der Rechtsgrundlage für diese Subventionen, die sich 2017 auf über sieben Milliarden Dollar belaufen, und werde sie deshalb stoppen.

Auf Twitter ergänzte Donald Trump die Begründung für diesen Schritt mit folgender Botschaft: "Obamacare implodiert, gewaltige Subventionszahlungen für die gehätschelten Versicherungsunternehmen der Demokraten haben aufgehört, sie sollten mich anrufen, um es zu reparieren". Wenn sie schlau wären, so Trump, würden sie nun einen Deal eingehen.

Schumer und Pelosi: "Sabotage"

Welche Auswirkungen die Subventionsstreichung für die Bürger hat, hängt davon ab, wie die Unternehmen reagieren. Das Congressional Budget Office (CBO) geht davon aus, dass sie die Beiträge für jene Versicherten, bei denen sie das der Obamacare-Rechtslage nach dürfen, um bis zu 20 Prozent anheben werden. Das könnte gesündere Amerikaner dazu bewegen, auf eine Krankenversicherung zu verzichten, was die Beiträge für den Rest weiter ansteigen lassen würde. Die demokratischen Fraktionsführer Nancy Pelosi und Charles Schumer sprechen deshalb von "Sabotage".

Dieser Meinung ist auch Eric Schneiderman, der Justizminister von New York, der am Freitag zusammen mit Amtskollegen aus 17 anderen Bundesstaaten Klage gegen die Trumps Obamacare-Maßnahmendekret einlegte, das darüber hinaus die Möglichkeiten ausdehnt, sich von Abdeckungspflichten zu verabschieden und die vorher 100 Millionen schweren Beratungsaufwendungen für das extrem komplizierte System auf ein Zehntel des Betrages verringert, weshalb die Washington Post fürchtet, dass vielen Amerikanern Vergünstigungen entgehen. Auch deshalb, weil gleichzeitig Anmeldefristen halbiert werden.

Halbzeitwahlen und Zweifrontenkriege

Dass wegen dieses Drucks nach mehreren gescheiterten Anläufen eine Mehrheit für eine republikanische Obamacare-Reform noch in diesem Jahr zustande kommt, gilt aufgrund der Regeln im Kongress als unwahrscheinlich. Eher möglich ist, dass sich die Demokraten und eine Minderheit der Republikaner auf eine gemeinsame Mehrheit für einen expliziten Subventionsbeschluss einigen, der Trumps Argument einer fehlenden Rechtsgrundlage den Wind aus den Segeln nehmen würde. So eine Forderung könnten die Demokraten auch zur Bedingung dafür machen, dass sie der nächsten Verlängerung der Schuldenobergrenze zustimmen, ohne die ein "Government Shutdown" droht (vgl. USA: Kein "Government Shutdown" bis 15. Dezember).

Im nächsten Jahr stehen dann Halbzeitwahlen an, vor denen die Republikaner im Kongress einen Zweifrontenkrieg führen muss: Gegen die Demokraten - und gegen Trumps entlassenen Berater Steve Bannon, der dem republikanische Establishment auf Fox News letzte Woche öffentlich den Krieg erklärte und offenbarte, dass er bei den Vorwahlen der Partei eigene Kandidaten unterstützen wird. Dem Business Insider zufolge ist man in der GOP nach dieser Erklärung recht nervös.

Ein Grund dafür ist, dass sich in den Vorwahlen für einen der Senatssitze von Alabama am 27. September überraschend der von Bannon unterstützte Außenseiter Roy Moore durchsetzen konnte. Trump hatte bei dieser Vorwahl den Establishment-Kandidaten Luther Strange unterstützt. Sieht man sich die seit Bannons Entlassung erschienenen Artikel auf Breitbart an, scheint außerdem nicht ausgeschlossen, dass das Portal 2020 nicht mehr den amtierenden Präsidenten, sondern den bei der letzten Vorwahl zweitplatzierten Texaner Ted Cruz unterstützen könnte.

Sanders' Alternative: Medicare for All

Bei den Demokraten verläuft die Scheidelinie währenddessen zwischen Schumers Establishment und den Anhängern des bei den Vorwahlen zweitplatzierten Senators Bernie Sanders, der im September einen eigenen Plan für ein Obamacare-Ersatzgesetz vorgelegt hat. (vgl. Bernie Sanders bringt Entwurf für allgemeine Krankenversicherung ein). Er sieht den Aufbau einer steuerfinanzierten öffentlichen Einheitskrankenversicherung vor.

Der Vorteil seines Plans ist Sanders' Ansicht nach nicht nur, dass er potenziell Leben rettet und Leiden verringern, sondern auch, dass er Amerikanern viel Stress und Bürokratie erspart, weil das System viel einfacher ist als das bisherige. "Ich glaube", so den Senator, "dass es das amerikanische Volk satt hat, Formulare auszufüllen" und sich damit herumzuärgern, was nach einer Einkommensveränderung noch oder nicht mehr bezahlt wird.

Einfache Amerikaner wollen sich seiner Ansicht nach nicht mit Versicherungsangestellten über Leistungen streiten, von denen sie selbst glauben, dass sie in ihren Verträgen enthalten sind. Und sie wollen sich auch nicht mehr mit Ärzten über solche Fragen streiten, die es seiner Meinung nach selbst müde sind, sehr viel Zeit für solche Probleme aufzuwenden. Eine Kaiser-Health-News-Umfrage, der zufolge 57 Prozent der Amerikaner seinen Medicare-for-All-Entwurf unterstützen, legt nahe, dass Sanders hier richtig liegen könnte.