Öffentliche Morde auf dem Maidan-Platz
Was in Kiew auffällt im Vergleich zu den Protesten auf dem Tahrirplatz in Kairo oder dem Taksim-Platz in Istanbul
Besetzungen von zentralen Plätzen sind uns bereits aus Kairo und Istanbul vertraut. Nun sehen wir, wie auf dem Maidan-Platz in Kiew Aktivisten in Kampfmontur von Snipern erschossen werden. Brennende Barrikaden und Sprengkörper künden von lebensgefährlichen Aktionen. Dutzende Tote und Verletzte kommen in das Hotel Ukraine, wo die Reporter von Bild und Tagesschau wohnen. In der Lobby ist ein Feldlazarett eingerichtet. Welche Fakten könnten auffallen?
Erstens: Offenbar hat die ukrainische Regierung kein Interesse daran, die Vorgänge auf dem Platz geheim zu halten. Aus den Fenstern des Hotel Ukraine sehen Fernsehteams aus aller Welt auf eine Auseinandersetzung, die man als "Bürgerkrieg" bezeichnen könnte.
Zweitens: Offenbar sind sowohl Geheimdienst wie Polizei derart gut organisiert, dass sie nicht "aus Versehen" den Bild-Reporter erschießen, der unter Tausenden direkt auf dem Maidan-Platz steht. Auch die Widerständler scheinen Reporter und das Hotel schonen zu können.
Drittens: Offensichtlich wird das Hotel laufend mit Strom, Essen, Telefon, Heizung und Wasser versorgt. Es ist ein intakter Betrieb.
Viertens: Die Platzbesetzer erhalten offenbar Nachschub an Verpflegung, Teilnehmern und Waffen. Es gibt offenbar nicht gesperrte Zugänge zum Platz.
Fünftens: Klitschko und andere Protagonisten der Besetzer können nach München und anderswo fahren, sowie die ukrainische Regierung treffen. Offenbar stehen sie auf keiner Verhaftungs- oder Fahndungsliste.
Sechstens: Die Medien können völlig unzensiert über den Bürgerkrieg berichten und ihre Videos per Satellit in die weltweiten TV-Kanäle einspeisen.
Siebtens: Es werden sogar Videos und Fotos der Sniper veröffentlicht.
Frage: Welches Interesse kann ein als "totalitär" bezeichnetes Regime daran haben, derartige Verbrechen unter den Augen der Weltöffentlichkeit stattfinden zu lassen?
Noch weiß niemand, wer die Scharfschützen sind und in welchem Auftrag sie morden. Wir wissen nur: Sie tun es unter den Augen der Weltöffentlichkeit. Warum auch immer.