Öl-Preisdeckel: Russland erzielt einen Sieg im Kampf um Einfluss auf globale Ölmärkte

Preisdeckel auf russisches Rohöl zeigt immer weniger Wirkung. Einnahmen des Kremls steigen, während westliche Unternehmen aus dem Markt scheiden. Das sind die Hintergründe.

Im Ringen um Einfluss auf den globalen Ölmärkten hat Russland einen bemerkenswerten Sieg gegen die westlichen Staaten errungen. Der Preis für das begehrte russische Rohöl der Sorte Ural überschritt erstmals die westliche Preisobergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel, die von den USA und ihren Verbündeten im Dezember des Vorjahres als Sanktionspolitik eingeführt worden war.

Dieser Erfolg zeige, schreibt das Wallstreet Journal (WSJ), dass sich Russland zumindest teilweise an die Restriktionen anpassen konnte und der Kreml weiterhin in der Lage sei, sich auf dem internationalen Ölmarkt zu behaupten.

Die Obergrenze wurde als Teil einer wirtschaftlichen Druckkampagne des Westens gegen Russland eingeführt, um dessen Haupteinnahmequelle, den Ölhandel, einzuschränken. Dahinter stand die Idee, die russische Kriegskasse ausbluten zu lassen.

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Tatsächlich haben die geringere Ölproduktion und die Sanktionen die Einnahmen Russlands aus dem Ölexport deutlich reduziert, was zu einer erheblichen Belastung des Staatshaushalts geführt hat. Die jüngste Überschreitung der Preisobergrenze deutet jedoch darauf hin, dass Russland seine Bemühungen, die Beschränkungen zu umgehen, verstärkt hat.

Ein weiterer Faktor, der zum Preisanstieg beigetragen hat, sind die Produktionskürzungen der OPEC+, denen sich auch Russland angeschlossen hat. Die starke Nachfrage nach russischem Öl in Asien, wo es saudisches Öl verdrängt, hat ebenfalls dazu beigetragen, dass die russischen Rohölpreise die Obergrenze überschritten haben.

Steigende Ölpreise könnten aber auch dazu führen, dass Russlands Einnahmen aus dem Ölexport wieder steigen, nachdem sie im vergangenen Monat auf etwas mehr als die Hälfte des Vorjahresniveaus gefallen waren, wie die Internationale Energieagentur berichtet. Dies würde Russland helfen, den derzeitigen finanziellen Druck zu lindern.

Die Sanktionen des Westens zielten etwa darauf, Russlands langjährige Abhängigkeit von der europäischen Schifffahrt als Druckmittel einzusetzen, heißt es im Wallstreet Journal. Auch von Versicherungen und anderen Dienstleistungen war Russland lange Zeit abhängig, die jetzt nur noch dann erbracht werden dürfen, wenn das russische Rohöl unterhalb der festgelegten Preisgrenze gehandelt wird.

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Um den Einfluss des Westens weiter einzuschränken, hat Russland eine alternative Tankerflotte aufgebaut, die von den westlichen Sanktionen nicht betroffen ist. Dies hat dazu geführt, dass der Preisnachlass für Ural-Öl gegenüber der Referenzsorte Brent auf 20 Dollar pro Barrel gesunken ist. Der Abstand ist zwar immer noch größer als vor dem Krieg, hat sich aber seit Januar halbiert.

Nach Angaben des Unternehmens Vortexa waren im zweiten Quartal fünfmal so viele Tanker für sanktionierte Produzenten tätig wie Ende 2021. Und fast 80 Prozent dieser Schiffe hätten auch den russischen Markt angefahren.

Die Sanktionen des Westens haben auch das Verhalten der russischen Ölproduzenten verändert. Händler beklagen, dass die russischen Produzenten in letzter Zeit weniger Interesse gezeigt hätten, Preise auszuhandeln, zu denen westliche Unternehmen auf dem Markt bleiben könnten.

Das bekommt unter anderem auch die europäische Schifffahrt zu spüren. Griechische Reeder transportierten zeitweise mehr als 50 Prozent des russischen Öls und hatten eine entsprechende Preismacht. Der Zugriff Russlands auf eine immer größer werdende "Schattenflotte" und auf Schiffe aus Ländern außerhalb der G7-Staaten hat die Einnahmen europäischer Reeder erheblich geschmälert.

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Diese Entwicklung zeigt, dass die Sanktionen immer ein zweischneidiges Schwert waren und der Westen selbst unter Druck geraten könnte. Der zunehmende Verzicht auf westliche Schiffe, Versicherungen und Dienstleistungen führt aber auch dazu, dass der Ölmarkt für den Westen weniger transparent wird.

Das erschwere auch die Analyse, ob die Obergrenze funktioniert, heißt es in dem Bericht. Es sei schwieriger geworden, den Preis für russisches Rohöl zu ermitteln, zu dem es gehandelt wird. Der russische Ölmarkt sei unter dem Radar verschwunden.

Für US-Beamte ist der Preisdeckel auf russisches Rohöl dennoch ein Erfolg. Die Kosten für den Aufbau dieses alternativen Exportsystems lenke schließlich Mittel vom Krieg ab. Nach ihren Schätzungen hat die russische Zentralbank neun Milliarden US-Dollar bereitgestellt, um westliche Rückversicherungssysteme zu ersetzen.

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