Österreich: "Asyl auf Zeit"
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) etikettiert das neue Asylgesetz als "eines der schärfsten in Europa"
In Wien hat gestern eine Gesetzesnovelle zum Asylrecht den Ministerrat passiert, die längere Zeit umstritten war, wegen gewisser Härten. Das Asylrecht ist ein Grundrecht und in internationalen Vereinbarungen verankert - Regierungen scheuen davor zurück, die Konfrontation zu forsch zu suchen, möglicherweise, weil sich die Politiker im Klaren darüber sind, dass sie bei Grundsatzentscheidungen zurückrudern müssten. So hat die österreichische Regierung einige Kanten des "Asyl auf Zeit-Gesetzes" abgeschliffen und softer gemacht.
Dennoch verkündete die Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, vom raueren Flügel der Regierungskoalition, der ÖVP, zufrieden über den Beschluss im Ministerrat, dass es sich "um eines der schärfsten Asylgesetze in ganz Europa" handele.
Vereinte Bemühungen, Asylbewerber abzuschrecken
Daran ist das Dilemma der Politiker eines Landes auf der Balkan-Route Anfang 2016 abzulesen: Auf die Kommunikation kommt es an, politisch gibt es keine gute Lösung. Es gibt nur unzureichende Lösungen, die man möglichst gut verkaufen muss. Das gilt für die Obergrenzen/Richtwerte-Lösung (Flüchtlinge: Österreich will die Zahl der aufzunehmenden Asylsuchenden begrenzen) wie auch jetzt für das neue Asylgesetz.
In der Hauptsache liegt das Problem für die Politik darin, dass keiner in den Zielländern oder auch in den Durchgangsländern der Flüchtlinge weiß, wie viele in diesem Jahr kommen. In Österreich spricht ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner von "zehn bis zwölf Millionen Menschen", die derzeit Richtung Europa fluchtbereit sind. Wie viele es tatsächlich werden, weiß niemand. In den populären Schichten hat sich längst die Zahl verbreitet, die für Flüchtlingsbewegungen weltweit geschätzt wurde - 60 Millionen. Also hält man allerhand Unerhörtes für möglich.
Die Wiener Gesetzesnovelle zum Asylrecht orientiert sich an einer sehr viel niedrigeren Zahl: "2016 sollen nicht mehr als 37.500 Asylwerber in Österreich einen Antrag stellen können", lautet der Regierungsspruch. In diesem Kontext wird das Gesetzesprojekt präsentiert. "Das ist die Obergrenze", sagt dazu die ÖVP und der sozialdemokratische Koalitionspartner, der den Bundeskanzler stellt, bevorzugt die Sprachregelung "Richtwert".
Die gesamte Regierung bemüht sich nun, Asylbewerber abzuschrecken, vornehmlich aus Afghanistan, wie Medienberichten zu entnehmen ist. Darin sieht sie ihre Aufgabe.
"Asyl auf Zeit", heißt das Gesetz. Es war darauf ausgerichtet, Asylbewerbern klarzumachen, dass ihr Aufenthaltsrecht begrenzt ist, auf drei Jahre. Danach müssen sie, falls sie keine überzeugenden widersprechenden Gründe anbringen, wieder zurück in ihr Herkunftsland.
Das klang zunächst nach harten, begrenzenden Maßnahmen, wurde aber anscheinend durch die Intervention der SPÖ mit Regelungen ergänzt, die zum Beispiel einem Auszubildenden das Bleiberecht nicht leicht wegnehmen lassen. Auch der Kern der 3-Jahres-Regelung deutet nicht auf untragbare Härte hin - falls man gutwillig dem staatlichen Gutachten über die Lage in den Herkunftsländern einige Verlässlichkeit unterstellt:
Grundsätzlich ist von der Regierung weiter vorgesehen, dass nach drei Jahren zu prüfen ist, ob die Gefahrenlage im Herkunftsstaat noch immer gegeben ist. Für die stärksten Herkunftsländer hat von der Staatendokumentation des Innenministeriums dabei jedes Jahr ein Gutachten über die Lage vor Ort erstellt zu werden. Diese soll als Basis für die Entscheidung dienen, ob Flüchtlinge aus der Region wieder heimkehren müssen.
Der tatsächlich von österreichischen Medien als Abschreckung bewertete Passus zielt auf den Familiennachzug. So fasst presse.com zusammen:
Keine wesentlichen Änderungen gegenüber dem Entwurf gibt es, was die Verschärfung des Familiennachzugs angeht. So müssen subsidiär Schutzberechtigte - also Personen ohne Asylstatus, die aber (vorerst) nicht abschiebbar sind - künftig statt einem drei Jahre warten, bis ihre Familie nachkommen kann. Das gleiche gilt auch für Asylberechtigte, die den Antrag auf Familienzusammenführung nicht innerhalb von drei Monaten nach der Zuerkennung des Asylstatus stellen. Zudem müssen diese von der Verschärfung betroffenen Gruppen nachweisen, über die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Erhalt ihrer Familie zu verfügen.
Wie die verschärfenden Regelungen konkret aussehen, ist der Öffentlichkeit bislang nicht vermittelt worden. Es kommt auf das Signalwort "Verschärfung" an. Die Regierung in Wien hofft, dass sich die Flüchtlinge wegen der Verschärfungen ein anderes Land zur Bleibe suchen. Das ist in zweifacher Hinsicht ein seltsames Vorgehen.
Einmal, weil sich ohnehin die meisten Asylsuchenden ein anderes Land suchen. In Österreich wurden im letzten Jahr 90.000 Asylanträge gestellt, nicht Hunderttausende, wie in Deutschland. Österreich ist realiter Transitland, das freilich von der deutschen Grenzpolitik abhängig ist.
Zum anderen, weil Botschaften-Verschärfungscredo die Annahme unterliegt, dass der Andrang der Flüchtlingsstrom vor allem und einzig auf Merkels Botschaft Anfang letzten September zurückzuführen sei. Aber ist das wirklich noch eine realistische Annahme. Werden nicht längst ganz andere Botschaften in alle Welt versandt? Anden Fluchtursachen hat sich freilich wenig geändert.
Spätestens seit Köln ist die Botschaft angekommen, dass in Deutschland auch Feindseligkeiten drohen
Aber die österreichische, wie auch die bayerische, Hoffnung liegt noch immer auf der Botschaft, die Merkel korrigiert. Dauernd wird ein "Kurswechsel von Merkel" verlangt, der doch längst mit der Ankündigung von schnelleren Abschiebungen, einem neuen Asylgesetz, der Rede von härteren Regelungen, mit immer neuen Abgrenzungs- und Sicherungsplänen (Klöckner) vollzogen wird.
"Obergrenzen", "Richtwerte", "Tageskontingente", das sind nicht viel mehr als Sprachspiele. Die Abschreckung, die Selektion und das robuste Vorgehen an den Außengrenzen ist der praktische Hauptansatz, der von der deutschen Regierung verfolgt wird. Dazu gibt es in der Öffentlichkeit das genannte hektische Gewitter der Ankündigungen und Diskussionnen immer neuer Maßnahmen gegen den Andrang der zuvielen. Der Kurswechsel in der Kommunikation ist längst vollzogen.
Ein Streifzug durch algerische oder marokkanische Medien genügt, um festzustellen, dass die Botschaft spätestens seit Köln durchgekommen ist: Dass Menschen, die nach Deutschland wollen, dort auf Feindseligkeit treffen können.
Ob das Flüchtlinge abschrecken wird, die aus wirtschaftlich hoffnungslosen Zonen kommen, aus Krisen- oder Kriegszonen, und den Willen haben, dem Elend zu entkommen, ist schwer zu sagen. Sicher ist, dass mit solchen Botschaften auch böses Blut geschaffen wird.