Österreich: Ausschließlich Parteifreie auf der Kurz-Bundesliste?

Sebastian Kurz. Foto: GuentherZ. Lizenz: CC BY 3.0

Verteidigungsminister Doskozil rechnet mit baldigen Kontrollen an der Grenze zu Italien

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Der neue ÖVP-Bundesvorsitzende und -Kanzlerkandidat Sebastian Kurz will einem von der ÖVP bislang weder dementierten noch bestätigten Bericht des Standard nach auf seiner Bundesliste für die österreichische Nationalratswahl am 15. Oktober ausschließlich Personen präsentieren, die (abgesehen von ihm selbst) nicht der ÖVP angehören. Um wen es sich dabei konkret handelt, soll erst im August bekannt gegeben werden. Als mögliche Kandidaten werden unter anderem der ehemalige Rechnungshofpräsident Josef Moser und der ehemalige Grüne Efgani Dönmez gehandelt, der kritisiert, dass seine alte Ökopartei "immer mehr zu einer Sekte mutiert" (vgl. Von der Öko-Partei zur Snowflake-Partei).

Dass der 30-Jährige auf seiner "Liste Sebastian Kurz - die neue Volkspartei" auch Parteifreie kandidieren lassen will, hatte er bereits im Mai angekündigt (vgl. Kurz will mit Macron-Methode siegen). Damals gingen Beobachter allerdings davon aus, dass nicht die gesamte Bundesliste damit befüllt wird. Die volle Kontrolle über die Bundesliste und ein Vetorecht für die Landes- und Regionallisten waren Forderungen, die Kurz vor der Übernahme des Vorsitzes an die ÖVP gestellt hatte. Am Wochenende bestätigte ihm ein Parteitag (der ihn mit 98,7 Prozent zum ÖVP-Vorsitzenden wählte) diese neuen Rechte.

ÖVP-Mitglieder können über Landes- und Regionallisten in den Nationalrat einziehen

Dass die Bundesliste ausschließlich mit Parteifreien besetzt wird, heißt allerdings nicht, dass im nächsten Nationalrat keine ÖVP-Parteimitglieder sitzen werden. Anders als einige bundesdeutsche Medien berichteten, gelten nämlich die Landes- und Regionallisten, auf denen weiterhin ÖVP-Mitglieder stehen sollen, trotz ihres etwas irreführenden Namens für das Bundesparlament: den Nationalrat. Aus der dort vorhandenen ÖVP-Fraktion zogen 2013 neun Abgeordnete über die ÖVP-Bundesliste, 13 über Landeslisten und 25 Sitze über Regionallisten in das Parlament ein.

Kurz möchte aber nicht nur Personen von außerhalb der ÖVP in sein Team holen, sondern den Wählern auch mehr Mitsprachemöglichkeiten geben, wen davon sie im Parlament haben wollen - und wen nicht. Dazu will er den so genannten "Vorzugsstimmen" nach § 79 Absatz 1 der österreichischen Nationalratswahlordnung (NRWO), mit der Österreich, sein Verhältniswahlrecht personalisiert hat, eine deutlich größere Bedeutung zukommen lassen als diese bisher hatten (vgl. Wahlsystem: Kurz will "Österreichische Mauer" einreißen). In Niederösterreich und im Burgenland sollen die Mandate sogar ausschließlich nach Vorzugsstimmen vergeben werden.

Software erlaubt zweckgebundene Kleinspenden

Bei der Finanzierung seines Wahlkampf orientiert sich Kurz an Politikern wie Bernie Sanders, die mit Kleinspenden große Summen einsammelten: Eine Online-Spendensoftware erlaubt Kurz-Fans dazu, dass sie bestimmen können, für was ihre Kleinspende konkret verwendet wird: Für eines der Plakate (die viele Wähler eher nerven), für Benzin und Diesel oder für eine Wahlkampfveranstaltung. Die Namen der Spender will Kurz öffentlich machen, lässt ihnen aber eine Opt-Out-Wahl, wenn ihre Spende unterhalb von 3.500 Euro liegt. Ab dieser Summe müssen Einzelspenden gesetzeshalber dem österreichischen Rechnungshof gemeldet werden.

Bezüglich seiner Pläne als neuer Kanzler verkündete Kurz auf dem Parteitag am Wochenende unter anderem, er wolle die Mittelmeer-Migrationsroute lieber "heute als morgen" schließen. Dass diese Frage eine der wichtigen Themen im österreichischen Wahlkampf wird, erkennt auch der amtierende Bundeskanzler Christian Kern von der SPÖ an, der gestern auf einer Diskussionsveranstaltung der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) einen "soliden Schutz der [EU-]Außengrenzen" und eine "Kontrolle der Fluchtrouten" als "notwendig" bezeichnete.

Vranitzky: Koalitionsausschluss mit FPÖ lag an Haider

Kerns Verteidigungsminister und Parteifreund Hans Peter Doskozil teilte der Kronen-Zeitung währenddessen mit, er gehe von einer "sehr zeitnahen" Wiedereinführung von Kontrollen an der Grenze zu Italien aus, "wenn der Zustrom [von Migranten] nach Italien nicht geringer wird". Dabei sollen 750 Bundesheer-Soldaten aus Tirol und Kärnten helfen und mit vier bereits jetzt dort hin verlegten Pandur-Radpanzern im Bedarfsfall Straßen sperren.

Nachdem die SPÖ bereits Mitte Juni mit einem Kriterienkatalog die Möglichkeit einer Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene eröffnete (vgl. SPÖ bereitet Koalitionsoption mit der FPÖ vor), räumte der sozialdemokratische Altbundeskanzler Franz Vranitzky am Dienstag auf einer Diskussionsveranstaltung ein Hindernis für solch eine Zusammenarbeit aus dem Weg. Die vor 31 Jahren gefällte Entscheidung, nicht mit der FPÖ zu koalieren, lag seinen Worten nach vor allem an ihrem damals neu gewählten (und inzwischen erst abgespaltenen und danach verstorbenen) Vorsitzenden Jörg Haider, der sich "für einen österreichischen Regierungspolitiker" nicht ausreichend vom Nationalsozialismus distanziert habe und dem die "Handschlagqualität" gefehlt hätte. Außerdem seien damals, als die FPÖ noch bei etwa zehn Prozent Stimmenanteil lag, die "Rahmenbedingungen" andere gewesen.

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