Österreich: Datenschutz kleingeschrieben

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung steht nicht auf der aktuellen Agenda.

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Eine Studie über "Aktuelle Verbraucherprobleme beim Schutz personenbezogener Daten" in Österreich kommt zu alarmierenden Ergebnissen. Das Problembewußtsein bei den Konsumenten ist gering, das Interesse von Medien und Sozialwissenschaften ist tendenziell rückläufig, während zugleich das Sammeln personenbezogener Daten durch Verwaltungsorgane und Unternehmen zunimmt.

Der Autor der Studie, Univ. Doz. Dr. Karl Kollmann, sieht ein zunehmendes Auseinanderklaffen zwischen Verbraucheraufmerksamkeit und den neuen Datensammlungsformen:

"Den typischen Verbraucher stört in erster Linie die unbestellte Zusendung von Werbedrucksachen, - die vielen anderen Gefährdungen sieht er noch nicht, bzw. da glaubt er noch an einen wirksamen, staatlich garantierten Schutz vor Eingriffen."

Konsumenten stört vor allem die Verwendung ihrer persönlichen Adresse zu Werbezwecken. Das ist der Hauptgrund für Beschwerden bei den österreichischen Konsumentenberatungseinrichtungen. Insgesamt wird jedoch von den Konsumenten auch etwas zu leichtfertig mit der eigenen Adresse - etwa Beteiligung bei Gewinnspielen usw. - umgegangen. Die wirklich problematischen Datenverwendungsmöglichkeiten, die den Unternehmen und den staatlichen Stellen heute durch die Entwicklung der Elektronik und der Kommunikationstechnologien offenstehen, werden aber von den Konsumenten praktisch noch nicht registriert.

Durch Versäumnisse des Gesetzgebers verschärft sich die Situation noch. Das österreichische Datenschutzgesetz ist 20 Jahre alt, eine Neufassung, die im Parlament ansteht, trägt den neuen Technologien und ihrer Anwendung "überhaupt nicht Rechnung, es bleibt beim alten Ausgangspunkt: Adressensammeln....", so Kollmann, "behelfsmässig und verspätet" werde das Gesetz an die EU-Richtlinie angepasst.

Spitzenreiter im Abhören, Schlußlicht im Datenschutz

Im scharfen Kontrast dazu steht, daß Österreich punkto Rasterfahndung und Lauschangriff mit Deutschland gleichgezogen hat. Das Telefonabhören ist, auf die Population bezogen, zehnmal häufiger als in den USA. Zwar gibt es in Österreich die Datenschutzkommission und den Datenschutzrat, beide Einrichtungen sind paritätisch besetzt, aber nicht vergleichbar mit dem deutschen Datenschutzbeauftragten. (siehe dazu: Neuer Datenschutz - jetzt!) Karl Kollmann:

"Der [deutsche Datenschutzbeauftragte] kann von sich aus tätig werden usw., und wenn er rührig ist, auch was weiterbringen. Die österreichischen Einrichtungen sind mehr oder weniger Feigenblätter..."

Laut Kollmanns Studie ist die Berichterstattung in den Medien zu Datenschutzfragen von 1980 bis 1990 (=100%) im Zeitraum 1990 bis jetzt auf rund 40 % gesunken. Kollmann:

"Die alten Medien haben das Interesse an diesen Dingen verloren...möglicherweise sind nicht die Journalisten schuld, sondern die Herausgeber - auch bei den Medien gabs in den letzten Jahren die übliche Re-Hierarchisierung."

Einziger Lichtblick: Einige der befragten Unternehmen aus der Privatwirtschaft würden sich "vorsichtig verhalten" und ein "datenschutzfreundliches Bild" liefern.

Dr. Karl Kollmann ist Dozent an der Wirtschaftsuniversität Wien und schreibt als Autor regelmäßig Beiträge für Telepolis mit dem Spezialgebiet E-Commerce und Konsumentenschutz. Die hier zitierte Studie wurde im Auftrag des österreichischen Wissenschaftsministeriums verfasst. Die Studie ist verfügbar per FTP, als File: da-u-ko.doc von ftp://ftp.wu-wien.ac.at/wuw/kollmann