Österreich: Mit permanenten Tabubrüchen wird eine neue Normalität geschaffen

Seite 3: 12-Stunden-Arbeitstag und Militär gegen Großdemonstrationen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Hinwendung der rechts-rechten Regierung in Wien zum offen nationalsozialistischen Jargon und zur nationalsozialistischen Ästhetik erfolgt aber auch aus einer gewissen Zwangslage heraus. Man muss der eigenen Wählerschaft irgendetwas vorsetzen, zumindest einen Teil der Wahlversprechen erfüllen.

Der Wahlkampf von ÖVP und FPÖ bestand aus einer Mischung aus Xenophobie und Rassismus, einem infantilen Führerkult um den berufspubertierenden Sebastian Kurz und der sozialen Demagogie, bei der Kürzungen bei Flüchtlingen und Ausländern mit dem Versprechen auf Wohltaten für die eigene Anhängerschaft gekoppelt wurden. Da die soziale Demagogie der Rechten sich als eben das entpuppte, was sie ist, als Demagogie, versucht die FPÖ dies nun mit einem Übermaß an Rassismus und ordinärem NS-Jargon zu kompensieren. Das Ganze scheint eine Eigendynamik zu entwickeln, da inzwischen FPÖ-Politiker Nazipropaganda zu Weihnachten verschicken.

In Wirklichkeit handelt es sich bei der rechts-rechten Wiener Regierungskoalition, die so zwanghaft im braunen NS-Dreck wühlt, um den feuchten Wunschtraum eines jeden Neoliberalen. Mit einem Paukenschlag haben Kurz und Strache kurz nach der Regierungsbildung die Rückkehr Österreichs ins 18. Jahrhundert eingeleitet, indem sie in der Alpenrepublik den 12-Stunden-Arbeitstag einführten und eine Reihe weiterer neoliberaler "Reformen" umsetzten. Wirtschaftspolitisch wird in Wien also ein dumpfer, neoliberaler Kurs verfolgt.

Rund eine Woche nach der Ankündigung des 12-Stunden-Arbeitstages in Österreich kündigten Kurz und Strache umfassende Schikanen gegen Flüchtlinge an. Asylbewerbern soll künftig das gesamte Bargeld entwendet werden, wobei sie während ihrer Asylverfahren nur noch Sachleistungen bekommen sollen. Zudem sollen Flüchtlinge künftig zeitweilig ihre Handys abgeben. Und diese Vorgehensweise offenbart im Endeffekt den Kern rechter, nun wieder offen ins "nationalsozialistische" tendierender Politik: Wie versüßt die rechtspopulistische Regierung ihrer national gesinnten Anhängerschaft den neu eingeführten 12-Stunden-Arbeitstag? Mit Schikanen gegen die armen Schweine, die noch schlechter dran sind, als sie selber.

Derweil will man sich in Wien nicht bloß auf den intensiv geförderten Ausländerhass als Herrschaftsinstrument verlassen. Österreichs Innenminister will nicht nur Flüchtlinge "konzentrieren", sondern auch die Überwachung im Land (Wien gilt als die sicherste Großstadt Europas) massiv und schnell ausbauen.

Vor allem setzt aber die neue FPÖ-ÖVP Koalition auf das Militär zur Aufrechterhaltung von "Sicherheit und Ordnung" im Land. Kurz nach Amtsantritt ließ die Regierung das Vorgehen der österreichischen Armee gegen Demonstrationen und Streiks bei einem Manöver proben, an dem Hunderte von Soldaten beteiligt waren. Die Mannstärke für die Armeeeinsätze im Innern solle erhöht, die "Waffenwirkung" ausgebaut werden.

Künftig könne die Armee bei "Auseinandersetzungen extremistischer Formationen" oder bei "Großdemonstrationen", die sich "gegen Österreich" richten, zum bewaffneten Einsatz kommen. Damit könnte das Militär auch bei antifaschistischen Protesten gegen Naziaufmärsche intervenieren, oder bei Großdemonstrationen, die sich gegen die rechts-rechte Regierung richten, wie zuletzt bei einer Großdemo gegen Sozialabbau und Fremdenfeindlichkeit in Wien.

Und auch bei dieser Tendenz zur Militarisierung der Innenpolitik sind die Parallelen zum Austrofaschismus der 30er Jahre evident: 1934 wurden zuletzt Arbeiter vom Militär in Wien zusammengeschossen. Kanonen statt Butter: Dies scheint die neue, alte Devise der NS-Fans in der österreichischen Rechtsregierung zu sein.