Österreich auf großer diplomatischer Bühne
- Österreich auf großer diplomatischer Bühne
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Völlig überraschend wird der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau treffen. Hat die Reise am Ende mehr mit österreichischer Innenpolitik zu tun?
Österreichs Neutralität konnte seit Zeiten Bruno Kreiskys mitunter klug eingesetzt werden. Die Welt braucht namentlich in Krisen- und Kriegszeiten Länder, die vermittelnde Positionen einnehmen können und somit könnte ein diplomatischer Kanal in den Kreml durchaus hilfreich sein. Allerdings ist völlig unklar, was Nehammer für Putin im Gepäck haben könnte – sei es als Angebot, sei es als Druckmittel. Die Alpenrepublik gilt allgemein nicht als Big Player.
Das Interesse der russischen Führung an dem Besuch ist hingegen offenkundig. Putin bekommt eine Bühne, seine Sicht der Dinge darzulegen, für die der Westen derweil nicht unbedingt offene Ohren hat – und aus gutem Grund nicht haben will. Leicht könnte der Besuch des österreichischen Kanzlers als Beleg dafür hergenommen werden, dass der Westen längst nicht so geschlossen ist, wie er tut.
Flucht nach Moskau
Nehammer weiß das und bemüht sich deshalb im Vorfeld dezidiert, moskaukritisch aufzutreten, um nur ja keine "Täter-Opfer-Umkehr" anklingen zu lassen. Deshalb war der österreichische Kanzler zuvor nach Kiew geflogen, um sich in die lange Reihe der Gratulanten Wolodymyr Selenskyjs einzureihen, der vielleicht nicht immer weiß, wie ihm in diesen Tagen geschieht. Selenskyj hatte konkrete Forderungen, die werden aber im Rahmen von Symbolpolitik weggelächelt. EU-Beitritt der Ukraine sei laut Nehammer "extrem komplex" und die Abhängigkeit von russischem Gas sei "widerlich", aber eben nicht zu ändern.
So endete die angeblich "prägendste Erfahrung" von Karl Nehammers bisheriger politischer Laufbahn, ohne dass sich etwas erkennbar für Österreich, die EU oder gar die Ukraine geändert hätte. Das Publikum darf sich fragen, wie wohl die früheren, noch ergebnisärmeren, "prägenden" Erfahrungen Nehammers aussahen.
Jetzt soll das nächste prägende Erlebnis im Kreml folgen, das in seinen Möglichkeiten durch die zuvor in Kiew an den Tag gelegte Rhetorik sehr limitiert erscheinen muss. Die große Kunst der diplomatischen Vermittlung liegt darin, beiden Seiten zumindest den Eindruck zu vermitteln, ihre jeweilige Sicht zu verstehen und zu würdigen.
Nehammer reist allerdings nach Moskau über eine Brücke, die er diplomatisch bereits in Brand gesteckt hat. Seine Verurteilung des Angriffskrieges Russlands ist eindeutig. Seine Bestürzung über die Massaker des russischen Militärs war offensichtlich. Ausführungen zu Menschenrechtsverletzungen wird Putin allerdings nur widerwillig lauschen.
Gleichzeitig hat Nehammer bereits eingeräumt, dass das russischen Gas Lebensader der österreichischen Wirtschaft ist. Auch hier wird er kaum Unterstützung in Moskau finden. Zumindest keine, die nicht wiederum die westlichen Verbündeten Österreichs mit Entsetzen erfüllen würde.
Bleibt die Frage, was sich der Kanzler also von der Reise erwartet. Beim Blick auf betrübliche und zuweilen aussichtslos erscheinende Lage im eigenen Land, wirkt die Reise fast wie eine Flucht. Und tatsächlich, weil alle Außenpolitik versteckte Innenpolitik ist, gewährt die Moskaureise Nehammer zumindest eine Verschnaufpause.