Österreich will bei Exitstrategie vorpreschen
Schon ab 14. April soll nach dem Willen von Regierungschef Kurz das Land wieder mit einem Dreiklang" aus Tracking-App, Testungen und Isolierung von Infizierten angefahren werden
Österreich will vorpreschen und heute einen "Fahrplan" zum Ausstieg vorlegen, den eine Gruppe aus hundert Experten, Ministeriumsmitarbeitern und Mitarbeitern des Thinktanks Think Austria ausarbeiten. Es soll sich um einen ersten Entwurf für eine Exitstrategie handeln, zu erwarten sind harte Diskussionen und Zoff darüber, wer als Risikogruppe weiter nicht am öffentlichen Leben teilhaben darf, welche Betriebe noch warten müssen bzw. unter welchen Bedingungen wieder öffnen dürfen und wie die Überwachung, Verfolgung und Abschließung von Infizierten und ihren Kontakten vonstatten gehen soll.
Am 14. April schon soll Österreich wieder angefahren werden, während andere Regierungen in Europa noch zögern, den Notstand verlängern oder verschärfen oder erst eingeführt haben. Die deutsche Bundesregierung hat sich den 19. April als Stichtag gesetzt, um etwaige Lockerungen anzukündigen, will aber vorher über keine Pläne zum Ausstieg sprechen (Covid-19-Ausnahmezustand: Ostern wird der Test für den Obrigkeitsgehorsam). Kurz setzt mit seinem Vorpreschen, bleibt es denn dabei, Berlin unter Druck, zumal Bayern schon zuvor mit der Verhängung der verschärften Ausgangsverbote Österreich gefolgt war und die zögerliche Bundesregierung ausgetrickst hatte.
Sebastian Kurz war einer der ersten europäischen Regierungschefs, der einen Shutdown verordnet und die anderen Regierungen in Zugzwang versetzt hat. Gerade erst hatte die österreichische Regierung nach dem Vorbild Chinas einen Maskenzwang für Supermärkte erlassen, der heute in Kraft tritt. Weil weiterhin Mund-Nase-Schutzmasken rar sind, dürfen auch selbstgemachte getragen und mehrfach verwendet werden. Auch damit hat er wieder die Diskussion über Sinn und Zweck von Mund-Nase-Schutzmasken verstärkt (Blatt vor dem Mund).
Vom Lockdown zur umfassenden Überwachung und Ausgrenzung von Gefährdern
Wer zuerst den Lockdown aufbricht, geht ein hohes Risiko ein, dafür verantwortlich gemacht zu werden, wenn die Todeszahlen erneut ansteigen und das Gesundheitssystem nicht mehr mithalten kann. Auf der anderen Seite könnten die Länder, die die Pandemie national kontrollieren und den Lockdown öffnen, wirtschaftliche Vorteile gegenüber den Nachzüglern erhalten. "Ich bin mir absolut sicher, wenn wir jetzt durchhalten, dann werden wir die Maßnahmen nach Ostern schrittweise zurücknehmen können und auch das Comeback als Wirtschaftsstandort schaffen", sagte Kurz in diesem Sinn.
Kurz deutete vorweg an, dass die Exitstrategie in dem Dreiklang" aus Tracking-App, Testungen und Isolierung von Infizierten bestehen soll. Ob die Tracking-App verpflichtend sein soll, scheint noch nicht entschieden sein. Wer kein Smartpone besitzt, soll nach Kurz stattdessen einen entsprechenden Schlüsselanhänger erhalten. Das wäre also eine Art elektronischer Fessel für jedermann, um nachverfolgen zu können, mit wem ein Infizierter die Tage zuvor Kontakt gehabt hat. Die Kontakte werden gewarnt, dann sollen sie getestet werden. Wer positiv ist, muss in Quarantäne.
Dazu müsste ein Beobachtungs- und Kontrollapparat aufgebaut werden, auch wenn die Daten nicht weitergegeben und zentral gespeichert werden sollen. Das wären enorme Eingriffe in die Freiheit des Einzelnen, zumal wenn nicht garantiert werden kann, dass die Tests fehlerfrei sind. Und hat man einmal einen solche Überwachungsinfrastruktur aufgebaut, wird sie dann wieder zeitig verschwinden oder dazu genutzt, andere Bedrohungen (organisiertes Verbrechen, Drogenhandel, Geldwäsche, Terrorismus etc.) zu bekämpfen.
Erst kleine Geschäfte, Frisöre zuletzt
Ganz wichtig ist der Regierung die Wiedereröffnung von Läden, also das Wiederanlaufen der Wirtschaft. Wann dagegen Schulen wieder ihre Pforten öffnen können, wollte er nicht sage. Es würden Modelle ausgearbeitet. Vorgesehen ist, dass zuerst Läden wie kleinen Elektrohändler oder Spielwarengeschäften wiederaufmachen dürfen. Die Schutzmaskenpflicht gilt ab einer Größe von 400 Quadratmeter, es könnte also irgendetwas darunter sein. Dabei dürfte der Teufel im Detail stecken, zumal Filialen von Lebensmittelkonzernen auch jetzt schon Nicht-Lebensmittel verkaufen können. Wie viele Kunden dürfen gleichzeitig im Laden sein, wie wird der Zugang gesperrt, wie groß müssen Gänge sein, gibt es Einbahnregelungen, um den Abstand einzuhalten.
Nach Wirtschaftskammer-Chef Mahrer sollen dann größere Geschäften folgen, Angebote wie Frisöre, Nagelstudios, Massagebetriebe etc., wo man sich näher kommt, sollen dann am Schluss kommen. Unklar ist, wie man bei Restaurants vorgehen soll. Mundschutz macht bei den Kunden wenig Sinn, müssen die Tische, aber auch die Stühle an einem Tisch einen Mindestabstand haben? Müssen auch Biergläser in die Spülmaschine?
Keine uneingeschränkte Reisefreiheit bis zu einer Impfung
Problematisch könnte es auch werden, wenn in China die Fallzahlen wieder ansteigen sollten. Zuletzt gab es nicht "importierte" Fälle, sondern wie gestern) auch wieder in Guangdong Ansteckungen vor Ort. Auch wenn China die verhängten Beschränkungen gelockert hat, wurde bereits ein neuer Lockdown in einem Landkreis verhängt (Nach einem Lockdown folgt der andere). Wie eine Studie aus Singapur bestätigt, kann Covid-19 von infizierten Menschen verbreitet werden, die keine Symptome zeigen. Das würde bedeuten, man müsste eigentlich jeden testen.
China hält auch weiterhin eine nationale Isolation aufrecht. Ausländern dürfen in der Regel nicht ins Land, internationale Flüge sind eingestellt und fast jeder, der nach China einreisen will, muss erst einmal in Quarantäne. Für ein Touristenland langfristig eine schwierige Strategie. Kurz erklärt: "Die uneingeschränkte Reisefreiheit, wie wir sie gekannt haben, wird es nicht geben, solange es keinen Impfstoff gibt." Es soll aber kein generelles Reiseverbot gelten, sondern für Risikoländer.
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