Ohne ATGL kriegt die Maus ihr Fett nicht weg

Österreichische Forscher untersuchen das Schlüsselenzym für den Fettabbau

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Über 40 Jahre lang lautete die gängige Lehrmeinung, dass die hormon-sensitive Lipase (HSL) das Schlüsselenzym bei der Regulierung des Fetthaushaltes ist. 2004 wurde das fettspaltende Enzym (Lipase) ATGL aufgespürt und festgestellt, dass ohne diese Lipase kein Fettabbau stattfindet. Jetzt haben seine Entdecker das Fett-Enzym weiter untersucht.

Der Biochemiker und Molekularbiologe Rudolf Zechner vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Graz und sein Team widmen sich seit Jahren der Erforschung von Fettzellen, des Fett-Stoffwechsels und der Gene, die dabei eine Rolle spielen. Und auf diesem Gebiet hat sich in den vergangenen fünf Jahren Entscheidendes getan.

Drei Lipasen für ein Fettmolekül

Um zu verstehen, worum es dabei geht, muss man wissen, dass Fette chemisch gesehen Verbindungen (Ester) zwischen dem Alkohol Glyzerin und mehreren Fettsäuren darstellen. Lipasen spalten diese Esterbindung. Und weil es in einem Fettmolekül drei solche Esterbindungen gibt, sind drei verschiedene Lipasen an diesem Prozess beteiligt.

Aufnahmen des Herzens von 14 Wochen alten Mäusen. Links: Maus mit ATGL, rechts: Maus bei der das ATGL-Enzym inaktiviert ist. Die gelbe Verfärbung hängt mit der Fettakkumulation zusammen. (Bild: Science)

Jahrelang war die Wissenschaft der Meinung gewesen, dass die hormon-sensitive Lipase (HSL) das hauptverantwortliche Enzym für den Abbau von gespeichertem Körperfett bildet. Doch 2001 stellte sich heraus, dass der Fettabbau auch ohne HSL funktioniert. 2004 dann entdeckten der Grazer Molekularbiologe Zechner und seine Gruppe die Adipose Triglyceride Lipase (ATGL) und sie zeigten, dass dieses Enzym für den ersten Schritt beim Abbau von gespeicherten Fetten den Ausschlag gibt.

Schon damals hegten die Molekularbiologen den Verdacht, dass ATGL nicht nur die Initialzündung liefert, sondern ihr tatsächlich die entscheidende Rolle beim Fettabbau zukommt. In einer aktuellen Studie (Science,), die in dieser Woche in Science (Vol 312 vom 5. Mai 2006) veröffentlicht wurde, präsentieren die Forscher erste Ergebnisse aus Untersuchungen an Mäusen, die diese Vermutung bestätigen.

Auswirkungen auf den Energiestoffwechsel

Zechner und sein Team arbeiteten mit Mäusen, bei denen das ATGL-Enzym blockiert war. Sie beobachteten, dass bei diesen Tieren im Vergleich zu einer Kontrollgruppe der Fettabbau nicht einsetzte, sondern das Fettgewebe zunahm und auch andere Gewebe begannen, massiv Fett zu speichern.

Das bedeutet natürlich nichts anderes, als dass die anderen beiden Enzyme das Fehlen von ATGL nicht kompensieren können. Wir haben also als ersten wichtigen Punkt bewiesen, dass ATGL wirklich eine zentrale Rolle beim Abbau von Fett in Fettgewebe und anderen Körpergeweben spielt. Zweitens zeigte sich aber auch, dass das Fehlen von ATGL sich gravierend auf den Energiestoffwechsel auswirkt. Da die Mäuse kein Fett mehr abbauen konnten, konnten sie auch kein Fett für die Energieproduktion zur Verfügung stellen. Die Tiere leben folglich von Kohlehydraten, von Glukose. Doch dafür gibt es keinen effizienten Speicher im Körper der Maus, sie ist damit vollkommen abhängig von der Nahrung.

Rudolf Zechner gegenüber Telepolis

Wie die Wissenschaftler beobachten konnten, verbrannten die Mäuse, solange sie zu fressen bekamen, überwiegend Glukose und blieben gesund. Sobald sie jedoch auf Diät gesetzt wurden, entstanden körperliche Probleme. Auch Kälte hielten sie nicht lange aus, weil sie nicht ausreichend Kalorien verbrennen konnten, um die Körpertemperatur stabil zu halten. Bereits bei 14 Wochen alten Tieren war das Herz mit Fett vollgepumpt. Die ersten Fettakkumulationen zeigten sich bereits 6 Wochen nach der Geburt in verschiedenen Geweben.

Darüber hinaus fiel auf, dass besonders männliche Mäuse solche Stresssituationen schlecht vertrugen: „Diesen Eindruck haben wir bereits in anderen Tiermodellen gewonnen“, so Zechner. „Immer, wenn es um den Energiestoffwechsel geht, belastet das die Männchen stärker als die Weibchen. Warum können wir leider nicht erklären.“

Überregulierung führt zu Herzverfettung

Weniger rätselhaft ist dagegen die Frage, ob sich die am Mausmodell gewonnenen Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen lassen. „ATGL funktioniert beim Menschen praktisch gleich“, erklärt Zechner dazu. „Das menschliche ATGL ist strukturell gleich gebaut, es kommt in den gleichen Geweben vor und wird gleich reguliert.“

Aus diesem Grund verfolgt auch die pharmazeutische Industrie solche Untersuchungen sehr aufmerksam. Denn Fettleibigkeit, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellen in den westlichen Nationen Massenerkrankungen dar, denen unter anderem Fettstoffwechselstörungen zugrunde liegen, die zur massiven Einlagerung von Lipiden (Fetten) ins Fettgewebe führen.

Unsere gentechnisch modifizierten Mäuse waren insulinsensitiver als die Kontrolltiere. Insofern ist ATGL von Interesse für Pharmaunternehmen, denn damit könnte man den Fettsäureausstrom aus dem Fettgewebe hemmen. Und es ist schon seit Jahrzehnten bekannt, dass hohe Fettsäurespiegel mit Insulinresistenz und Typ-II-Diabetes in Verbindung gebracht werden. Unsere Versuche haben gezeigt, dass es einen positiven Effekt auf den Kohlehydratstoffwechsel hat, wenn man den Fettsäurespiegel nach unten reguliert. Der Nachteil dabei ist leider nur, dass es, wenn man ihn auf Null reguliert, zumindest bei der Maus zur Herzverfettung kommt und diesen Effekt, will man ja nicht provozieren. Es bleibt vorläufig also offen, ob ATGL ein lohnendes Ziel zur Behandlung von Typ-II-Diabetes werden kann oder nicht.

Rudolf Zechner gegenüber Telepolis

Die Untersuchungen von Zechner und seinem Team fanden im Rahmen des GOLD-Projektes (Genomics of Lipid-associated Disorders der Österreichischen Genomforschungsinitiative GEN-AU statt, das sich auf die die Entdeckung und die funktionelle Aufklärung unbekannter Gene und Proteine, die am Prozess der zellulären Lipidaufnahme, -ablagerung, und -mobilisierung beteiligt sind, konzentriert.