Oktoberfestattentat: Bundesregierung muss Auskunft über V-Männer geben

Bundesverfassungsgericht sieht Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und den Bundestag in Rechten verletzt

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Wieder einmal hat das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung mit seinem Urteil ein paar klare Worte ins Stammbuch geschrieben: "Die Bundesregierung [hat] die Bundestagsfraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE sowie den Deutschen Bundestag teilweise in ihren Rechten verletzt [...], indem sie unter Berufung auf das Staatswohl und die Grundrechte verdeckt handelnder Personen die vollständige Beantwortung von Anfragen zu nachrichtendienstlichen Erkenntnissen zum Oktoberfestattentat verweigert hat."

Mit anderen Worten: Nun hat die Bundesregierung es schriftlich von höchster Stelle aus Karlsruhe, dass sie bei einem der schwersten Terroranschläge in Deutschland, bei dem am 26. September 1980 13 Menschen getötet und 211 verletzt wurden, sich rechtswidrig weigert, dem Parlament notwendige Auskünfte zu erteilen.

Im Jahr 2014 hatten Bündnis90/Die Grünen und die Linkspartei eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zum Münchner Anschlag gestellt. Darin ging es auch um die Rolle von Heinz Lembke, der im Zusammenhang mit dem Attentat verhaftet und sich schließlich 1981 in seiner Haftzeit angeblich selbst das Leben genommen hat. In der Antwort der Bundesregierung an die beiden Parteien heißt es: "Lembke ist nach den Erkenntnissen des Generalbundesanwalts freiwillig aus dem Leben geschieden."

Insbesondere wollten die Parlamentarier wissen, ob Lembke, der von Beruf Förster war und 33 geheime Waffenlager mit "13.520 Schuss Munition, 50 Panzerfäuste, 156 kg Sprengstoff und 258 Handgranaten" in seinem Revier angelegt hatte, als V-Mann fungierte.

Hinweise auf eine eventuelle Verbindung Lembkes zu einem Geheimdienst lieferte eine Angabe in einer der Spurenakten zum Oktoberfestattentat, auf die der "Opferanwalt" Werner Dietrich bei seiner Arbeit gestoßen ist. In einer der Spurenakte heißt es zu Lembke: "Erkenntnisse über Lembke sind nur zum Teil gerichtsverwertbar." Dietrich sagte 2014 gegenüber der Süddeutschen Zeitung: "Solche Vermerke gibt es normalerweise nur bei V-Leuten oder Mitarbeitern von Geheimdiensten." Politiker von Bündnis90/Die Grünen und der Linkspartei stellten der Bundesregierung schließlich die Frage: "War Lembke ein V-Mann einer Sicherheitsbehörde (gegebenenfalls welcher) des Bundes oder - nach Erkenntnissen der Bundesregierung eines Landes?"

In der Antwort der Bundesregierung hieß es unter anderem: "Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann."

Außerdem erklärte die Bundesregierung, dass "ein solcher Hinweis auf die nachrichtendienstliche polizeiliche Schutzbedürftigkeit einer Information … nicht den Schluss nahe [legt], dass es sich bei einer in der Erkenntnismitteilung genannten Person um eine nachrichtendienstliche Quelle oder eine verdeckte Quelle der Polizei (V-Mann) handelt."

Das Bundesverfassungsgericht hat nun klargestellt, dass zwar "dem Einsatz verdeckter Quellen … bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste eine hohe Bedeutung" zukomme und deshalb die Bundesregierung auch "Auskünfte zum Einsatz verdeckt handelnder Personen in der Regel mit Hinweis auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte dieser Personen verweigern" dürfe, "wenn bei Erteilung der begehrten Auskünfte ihre Enttarnung droht."

Allerdings betonen die Karlsruher Richter die Bedeutung des "parlamentarische Informationsinteresse", das mitunter bei einer Abwägung zwischen Auskunftsanspruch und Schutz der Nachrichtendienste überwiegen könne. Insbesondere der Faktor Zeit spiele bei der Entscheidung, ob entsprechende Anfragen zur Tätigkeit von V-Männern beantwortet werden, eine gewichtige Rolle. Die Karlsruher Richter sind der Auffassung, dass "sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben." In aller Deutlichkeit erklärt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts der Regierung:

Im Hinblick auf die Frage, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Heinz Lembke ein V-Mann gewesen sei, kann die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein Informationsinteresse von besonderem Gewicht geltend machen. Denn mit Blick auf eine zukünftige gesetzliche Regelung des Einsatzes von V-Leuten ging es ihr darum festzustellen, ob es - auch in der Vergangenheit - zu einer Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten gekommen ist. Die von der Bundesregierung gegebene Begründung rechtfertigt die Verweigerung der Antwort nicht.

Bundesverfassungsgericht

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfte auch im Hinblick auf einen Bericht des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) interessant sein, der gerade erst mit einer Sperrfrist von 120 Jahren belegt wurde. Auch in diesem Fall geht es um die mögliche Tätigkeit eines V-Mannes - im Zusammenhang mit dem "NSU-Mord" in Kassel (Verfassungsschutz will NSU-Bericht für 120 Jahre wegschließen).