Orientalische Touristen- und Reichengettos

In den Golftstaaten boomt der Bau von neuen Städten und architektonischen Superlativen

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Es ist in der Tat ein orientalisches Märchen, was Kronprinz Sheikh Mohammed bin Rashid Al Maktoum in dem kleinen Emirat Dubai mit einer Bevölkerung von gerade einmal 1,5 Millionen Menschen zu realisieren sucht. Mit gigantischen Projekten, die Dubai in ein Land der Weltwunder verwandeln sollen, rüstet der Kronprinz das Land in der Wüste zu einem Touristenspektakel auf, um sich als einzigartigen Standort der exotischen Superlative und des neuen Urbanismus im Sinne eines verkitschten Futurismus oder futuristischen Orients darzustellen. Das soll den Ruhm des Kronprinzen mehren und Dubai das wirtschaftliche Überleben in der Zeit nach dem Öl sichern. Weil aber die international agierenden Architektenbüros und Baufirmen überall mehr oder weniger dasselbe machen, muss es alles in Dubai zur Alleinstellung Weltklasse haben, was heißt, es muss am größten sein.

Der weltweit höchste Wolkenkratzer wird in Dubai bereits errichtet. Das höchste Hotel gibt es mit dem Burj al Arab in Form eines Segels bereits hier, auch die größte Moschee. Aber schon geht der Wettlauf weiter. Mit dem Park Square Tower (666 Meter Höhe) soll nun nicht nur das nächste größte Hotel, sondern auch der zweithöchste Wolkenkratzer der Welt für zwei Milliarden Dollar in Dubai erstellt werden. Die schon in Bau befindliche Lagoon Plaza Towers wird der weltweit größte Zickzackwolkenkratzer.

Das "achte Weltwunder", die beiden – natürlich größten – künstlichen Inseln vor der Küste in Form von Palmen mit Hotels, Villen und Ferienhäusern, Restaurants, Geschäften etc. sind weitgehend fertig, bereits gefolgt vom Bau eines neuen Inselprojekts unter dem bescheidenen Namen "The World" in einer Länge von 9 und einer Breite von 5 Kilometern mit geplanten Kosten von 1,8 Milliarden Dollar. Die 300 unterschiedlich großen Inseln mit einer mehr oder weniger dichten Bebauung für die Superreichen mit Supervillen bis hin zum Mittelstand mit Eigentumswohnungen werden in Form der fünf Kontinente angelegt. Es wird sich natürlich um die weltweit exklusivste Ferienanlage handeln, wobei jede Insel nach einem anderen Land gestaltet werden soll. Weil die Inseln so gut ankommen und viele der Villen bereits verkauft sind, ist bereits eine weitere, noch größere Insel für fast 8.000 Häuser in Vorbereitung.

Wie die Sicherheit für diese künstlichen Inselwelten hergestellt wird, ist noch nicht bekannt, aber natürlich dürfte es sich um gut bewachte und mit neuester Technologie ausgestattete gated communities handeln. Sicher ist überdies, dass es sich zwar Siedlungsprojekte für internationale Kunden handelt, aber dass sie eine strikte soziale Segregation verwirklichen. In diese Reichengettos kommen Angehörige von unteren Schichten nur als Dienstpersonal. Zudem gibt sich Dubai als einer der sichersten Länder, während die Demokratie begrenzt ist und Gewerkschaften nicht existieren, es also auch keine unangenehmen Streiks gibt. Da die Angestellten für die unteren Arbeiten der globalen High Society billige "Gastarbeiter" meist aus Pakistan oder Indien sind, können auch so mögliche Konflikte durch schnelle Ausweisung erledigt werden. Vor allem in der Baubranche werden die Arbeiter mit Knebelverträgen ausgebeutet und unter Umgehung der meisten Rechte ausgebeutet. Bei der Ankunft nehmen ihnen die Arbeitgeber Pässe und Visa ab, um sie besser kontrollieren und als eine Art moderner Sklaven halten zu können. Untergebracht werden die Arbeiter in Lagern am Rande der neuen, funkelnden urbanen Wohlstandszentren in überfüllten und unhygienischen Baracken. Diese Bedingungen haben bereits die Behörden in Unruhe versetzt, weil hier Krankheiten ausbrechen und zu Epidemien führen könnten. Aus diesem Grund sollen die Lager nun ein wenig stärker überprüft werden.

Von den billigen Arbeitskräften und ihren Lagern sehen die Reichen, die Investoren und Touristen im arabischen Wunderland nichts. Zu diesen gehören letztlich auch die Experten aus dem Ausland, die für gutes Geld die Infrastruktur des Landes aufbauen und aufrechterhalten, und die sich ebenfalls in gated communities aufhalten. In den letzten Jahren hat sich Dubai, das den Touristen und seinen eigenen reichen Bürgern eine nicht den muslimischen Verboten unterworfene liberale Konsum- und Lebenswelt bieten muss, auch zu einem Mekka der Geldwäsche, des Drogen- und Menschenhandels und der Prostitution entwickelt, das von kriminellen, ebenfalls global operierenden Organisationen kontrolliert wird. Die Zukunft, die der Kronprinz in seinem Emirat aufbauen will, erinnert, so Mike Davis, an einem "Albtraum der Vergangenheit": "Walt Disney begegnet Albert Speer an der arabischen Küste."

Es werden nicht nur Hotels, Villen und Einkaufs- oder Vergnügungszentren gebaut, sondern auch neue Gefängnisse. So wird 2006 ein neues Gefängnis für 6.000 Häftlinge seine Türen öffnen oder eher schließen, das selbstverständlich auf der technischen Höhe der Zeit ist. Um Korruption zu vermeiden und Kosten zu senken, soll Technik weitestgehend das Sicherheitspersonal ersetzen. Kontakt zwischen Gefangenen und Häftlingen berge zahlreiche Gefahren. So werden Zellen und alle anderen Räume des Komplexes von Kameras überwacht, Türen lassen sich aus der Ferne ebenso steuern wie automatische Busse, mit denen Gefangene transportiert werden. Gefährliche Gefangene werden in Tunnels zu den Gerichten gebracht.

Aber zurück zu den urbanen Träumereien der Superlative. Auch das größte Hotel unter Wasser mit 220 Luxusunterkünften wird 2006 in Dubai eröffnet. Jede der Suiten hat große Plexiglas-Fenster, die einen spektakulären Blick auf die Unterwasserwelt bieten. Um das noch zusätzlich interessanter zu machen, werden den Gästen auch "Unterwasser-Feuerwerke" mit Wasserblasen, aufgewirbeltem Sand und Lichteffekten geboten. Die Sicherheit ist angeblich groß, inklusive einem Schutz vor angreifenden Terroristen-U-Booten, aber auch vor Angriffen mit Raketen oder Flugzeugen aus der Luft.

Begonnen wurden mit dem Megaprojekt Dubai Waterfront, das schließlich, sollte es das Geld noch reichen und genügend Investoren angelockt werden, die Küste Dubais in eine einzige bebaute Stadt verwandeln soll, zudem ist ein 75 Kilometer langer Kanal geplant. Zu Beginn wird nun eine neue Stadt für 750.000 Menschen in 10 Stadtteilen entstehen, künstliche Inseln in einer künstlich geschaffenen Bucht inklusive. Es ist, wie könnte es in Dubai anders sein, das größte Bauvorhaben an einer Küste.

Kleinere Projekte wie Dubailand mit 6 Themenparks auf 185 Millionen Quadratmetern wollen Disneyland übertrumpfen oder die weltweit größte Shopping Mall verwirklichen, die wie eine alte arabische Stadt mit kleinen Gassen gestaltet wird und wie eine sechsblätterige Wüstenblume geformt ist. Mit dem Bau des superluxuriösen Palazzo Versace Dubai mit 215 Suiten und 204 Luxusvillen wird 2006 am Dubai Creek begonnen. Eine der Hauptattraktionen des auf 385 Millionen US-Dollar geschätzten Luxushotels in einem Land, in dem es oft 50 Grad heiß ist, soll der künstlich gestaltete Strand werden, dessen Sand eine konstante Temperatur von angenehmen 22 Grad haben soll. Wie man das technisch erreichen will, ist allerdings noch nicht bekannt.

Ganz ein Leben in einem orientalischen Themenpark soll man in "The Lost City" führen. Sie wird aus fünf Stadtteilen bestehen, die Dörfer genannt werden, beispielsweise das Gartendorf, das Hügeldorf oder das Soukdorf. Hier sollen Gebäude ganz im Stil der alten arabischen Bauweisen von Marokko über Zweistromland bis hin zur Mongolei errichtet werden. Die Gebäude werden architektonisch exakt nach den alten Vorgaben gestaltet, bieten aber innen natürlich den Luxus, den die Käufer wünschen.

In Bau befindet sich Jumeirah Lake Towers, eine kleine Stadt mit einer Größe von 730.000 Quadratmetern, die eine Art modernes Venedig in der Wüste darstellen will. 116.000 Quadratmeter werden die künstlichen Seen und Kanäle bedecken, die sich neben den 79 Hochhäusern in einer "wunderbaren" Landschaft befinden. Der Wasserbedarf in dem Wüstenemirat steigt beständig. Die Entsalzungsanlagen sind teuer und verbrauchen auch viel Strom, was nun selbst den Emiraten zu teuer wird. So werden jetzt Projekte anvisiert, um das Brauchwasser wieder aufzubereiten, nicht unbedingt als Trinkwasser, aber zumindest für die Bewässerung. Um gegen die Wassernot und das heiße Klima vorzugehen, wurde im Mai 2005 erstmals versucht, Dubai für einige Tage künstlich beregnen zu lassen. In Dubai regnet es kaum, zwischen März und November meist gar nicht, aber es gibt oft viele Wolken. Die Wolken wurden mit "umweltfreundlichen" Bomben beschossen, wodurch leichte Regenfälle entstanden, die die Temperatur immerhin kurzzeitig auf 47 Grad Celsius senkten.

Ein weiterer Meilenstein ist nun eröffnet worden. Das weltweit drittgrößte künstliche Skiparadies Dubai Ski bietet in einer geschlossenen Halle das ganze Jahr Winter in einem der heißesten Länder der Erde mit einer von Schnee bedeckten Fläche von 22.500 Quadratmetern. Die Temperatur beträgt zwischen einem und zwei Grad Minus. Attraktiv sei dies nicht nur für die Menschen der Golfländer, sondern auch für die jährlich bereits mehr als 6 Millionen Touristen, denen ständig Neues geboten werden müsse. Angepriesen wird Dubai Ski als der größte "Kühlschrank", der sinnvollerweise mitten in der Wüste steht und daher enorme Energiemengen verbraucht. Täglich werden über Nacht 30 Tonnen Schnee neu produziert, um den Boden in einer Höhe von 70 cm zu bedecken. Unter dem Schnee verlaufen kilometerlange Röhren, die mit Glykol gefüllt sind, um die Temperatur niedrig zu halten. 23 riesige Kühlanlagen halten die Luft kalt. Die Bäume in diesem alpinen Gebiet der Wüste sind allerdings künstlich.

Das Gebäude ist 85 Meter hoch und 80 Meter breit. Geboten werden neben Cafes wie dem St Moritz Café ein Sessellift und ein Schlepplift mit fünf verschiedenen Skiabfahrten unterschiedlichen Schweregrads. Die längste Abfahrt ist 400 Meter lang und weist einen Höhenunterschied von 60 Metern auf. Natürlich gibt es auch für Snowboarder eine 90 Meter lange Quarter-Pipe. Ausrüstung und Kleidung ist im Preis inbegriffen .Daneben gibt es auf 3000 Quadratmetern den größten Indoor-Vergnügungspark mit Hügeln, Rutschbahnen, Schlittenbahnen, Geschäften und einer Eishöhle, in der es interaktive Installationen gibt. Hier dürfen die Wüstenbewohner auch mal einen Schneemann bauen oder eine Schneeballschlacht veranstalten. Revolutionär gerade ist, dass normalerweise Skikurse für Mädchen und Jungen gemeinsam angeboten werden. Sicherheitshalber räumt man aber ein, dass Sonderwünsche natürlich möglich seien.

Umm al-Qaiwain, eines der kleinsten Emirate mit nur 35.000 Einwohnern, die überwiegend in der gleichnamigen Hauptstadt leben, hat im Gegensatz zu anderen Emiraten, allen voran Dubai und Abu Dhabi, bislang noch wenig von Touristen abbekommen. Daher will man zum Aufholen hier nun auch ein gigantisches Siedlungsprojekt starten.

Mit der Orientierung auf künstliche Paradiese wurden entlang der Küsten der Vereinigten Emirate schon viele ökologische Schäden angerichtet. Hier will man in Umm al-Qaiwain, dessen Küste noch weitgehend unerschlossen ist, jetzt aber mitziehen. Gerade dort, wo sich viele Kilometer lang Mangrovenwälder an der flachen Küste entlangziehen und eines der letzten Reservate der Region für zahllose (Zug)Vögel sich befindet, soll mit 3,3 Milliarden Dollar in der ersten Bauphase eine Touristenstadt für eine halbe Million Menschen auf 600 Hektar mit Villen, Hotels, Geschäften und Badestränden gebaut werden. Angeblich soll der Großteil der 50 Quadratkilometer großen Lagune mit den Mangrovenwäldern unberührt bleiben, auch wenn Superluxusvillen auf künstlichen Inseln mit bewachten Zugängen einen einzigartigen Blick auf das Naturgebiet haben werden. Auch die anderen der im ersten Bauabschnitt geplanten 2600 Villen und 6500 Eigentumswohnungen sowie die Hotels mit 1.200 Zimmern sollen direkt an der Küste mit Meerblick entstehen.

Ein weiteres Projekt ist Al Salam City auf 220 Millionen Quadratmetern mit geschätzten Kosten von über 8 Milliarden Dollar. Die neue Stadt ist auch für eine halbe Million Bewohner ausgerichtet. Neben einigen hohen Gebäuden ist neben Parks und Einkaufs- und Unterhaltungszentren eine gigantische Shopping Mall geplant – mit einem riesigen Wasserpark mit Seen und Wasserfällen. In der ersten Bauphase werden 1.000 Häuser und 200 5- bis 10-stöckige Gebäude errichtet.