Osama ist wieder da!

Wenn die US-Regierung in die Bredouille gerät, folgt meist umgehend Terrorwarnung

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Wenn die US-Regierung innenpolitisch in die Schusslinie gerät - wegen der Folterpraktiken, des Irak-Kriegs oder des "war on terror" - folgt oft eine Pressekonferenz: nicht zur Sache, sondern mit der nächsten Terrorwarnung.

Am Fall der ehemaligen FBI-Übersetzerin Sibel Edmonds, die ihre Behörde im Zusammenhang mit dem 11.9. wegen Inkompetenz und Korruption verklagt hat und der ein Maulkorb verpasst wurde, war dem Kolumnisten der New York Times Paul Krugman diese merkwürdige Koinzidenz schon Mitte Juni aufgefallen: "Sie ist sicher rein zufällig."

Nach dem 11.9. 2001 war Sibel Edmonds auf Abhörprotokolle aus den Wochen vor den Attacken gestoßen, die auf Zusammenhänge der Attentäter mit Geldwäsche-, Drogen- und Waffengeschäften deuteten. Nachdem ihre Vorgesetzten daraufhin nichts unternahmen und sie gefeuert wurde, berichtete Mrs. Edmonds der "Senate Judicary Commission", die die Behörden- und Geheimdienstpannen des 11.9. untersuchte, von ihren Erkenntnissen. Da Rückfragen bei weiteren FBI-Mitarbeitern ihre Angaben bestätigten, wurde sie als sehr glaubwürdige Zeugin eingestuft - worauf ihr das Justizministerium ein grundsätzliches Aussageverbot ("Gag order" für die verbotenen Fragen) verpasste und sämtliche ihrer Aussagen vor der Kommission rückwirkend zum Staatsgeheimnis erklärte.

Wegen dieses absolut unüblichen Vorgehens hat eine Bürgerrechts-Initiative - "The Project On Government Oversight (POGO)" - mittlerweile Klage gegen Ashcroft eingereicht. Und nachdem ein Richter in Washington die Klage Edmonds' am 7.Juli abgewiesen hat - aus Gründen der nationalen Sicherheit und weil dies Beziehungen mit anderen Regierungen beeinträchtigen könne - - folgte: eine Pressekonferenz mit einer neuen Terrorwarnung.

"Bin Laden Is Said to Be Organizing for a U.S. Attack" meldete die New York Times am 8.Juli:

Wir haben kein genaues Wissen über Zeit, Ort und Methode des Anschlags, aber mit der CIA, dem FBI und anderen Behörden arbeiten wir aktiv daran, dieses Wissen zu bekommen", sagte (Heimatschutzminister) Tom Ridge. Aber verschiedene andere Offizielle sagten, dass es "starke Hinweise" dafür gäbe, dass Al-Qaida Ziele aussuchen würde, die sie schon zuvor angegriffen haben. (..)

Mr. Bin Ladens genaue Rolle bleibt etwas unklar. Es scheint nicht, dass er versucht, eine aktive Führung bei der Formulierung eines spezifischen Plans zu übernehmen, wie er es bei den Vorbereitungen der Anschläge des 11. September getan hat, sagte ein Regierungsbeamter. Es gibt Beweise, so der Offizielle, dass er mit seinen Leuten kommunizieren kann und sie drängt, Operationen im Namen des Terrornetzwerks auszuführen.

Zwar hätten Antiterrorbeamte schon länger befürchtet, das neue Anschläge auf US-Boden drohen könnten, "doch vor dem Kommentar hoher Regierungsoffizieller am Donnerstag war es nicht klar, dass Mr. Bin Laden und Top-Stellvertreter wie Ayman Zawahiri für die Befürchtungen verantwortlich waren.".

Question: But is any of this intelligence different than it was last month when we heard this exact same warning? Is anything different in the past several weeks? Is there new intelligence? Is there a new threat? Or is this exactly what we heard last month?

Senior Intelligence Official:: I think I was mentioning that there has been a growing body of intelligence over the past several years, and I think over the past several months I would say we continue to gain knowledge and understanding about what al-Qaeda is planning to do. So every day there are nuggets that come in to the broader intelligence community that we take a look at and start trying to connect those pieces. So it's a dynamic process that allows us to have a better understanding of exactly what we are facing as far as the al-Qaeda threat.

Background Briefing by Senior Intelligence Officials, July 8, 2004

Es ist also klar, dass die Rolle Bin Ladens "etwas unklar" ist - aber es ist auch jetzt schon klar, wer verantwortlich ist, falls irgendetwas passiert: Osama oder sein Stellvertreter.

Die Juli-Überraschung

Deren Aufenthaltsort soll im afghanisch-republikanischen Grenzgebiet liegen, von wo die Reporter der "New Republic" melden, dass US-Vertreter ihren wichtigsten Bündnispartner in der Region, den pakistanischen Geheimdienst ISI, zu einer "Juli-Überraschung" drängen (Telephon für ein Phantom):

...ein Offizieller, der unter ISI-Direktor General Ehsan ul-Haq arbeitet, informierte "The New Republic", dass den Pakistanis "auf allen Ebenen gesagt wurde, dass die Festnahme oder Tötung von hohen Zielpersonen (HVT - high value target) vor der Wahl ein absolutes Muss sei."

Darüber hinaus berichtet diese Quelle, dass Beamte der Bush-Regierung ihren pakistanischen Partnern auch einen Zeitpunkt genannt hätten, diesen Erfolg bekannt zu geben: "Wiederholt wurden bei Treffen mit (US-) Besuchern in Islamabad oder ul-Haq's Besuchen in Washington die letzten zehn Tage im Juli als Deadline gesetzt." Dazu der Sprecher des Weißen Hauses McCormack: "Mir ist ein solcher Kommentar nicht bekannt". Doch laut dieses ISI-Beamten hatte ein Angestellter des Weißen Hauses im Frühjahr zu ul-Haq gesagt: "Es wäre am besten, wenn die Tötung oder Festnahme von HVTs am 26.,27. oder 28. Juli verkündet würde - den ersten drei Tagen des Parteitags der Demokraten in Boston."

Wie es in dem Artikel weiter heißt, sei militärisches Eingreifen in der Region für Pakistan aber riskant, da es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen in den Stammesgebieten und einer "instabilen Westgrenze" führen könnte: "Wir könnten an dem Punkt sein, an dem (Pakistans Präsident) Musharraf getan hat, was er tun konnte." Insofern wäre es also unwahrscheinlich, dass Bush termingerecht zum Parteitag der Konkurrenz ein Kaninchen vom Kaliber "Osama" aus dem Hut zaubern kann - sein Wiederauftauchen als Universalteufel in den Top-Terror-Warnungen irgendwelcher "Senior Officials" aber macht Sinn. Zumal wenn man die flankierenden Maßnahmen und Töne beachtet, die Webster Tarpley (Rogue Bush backers prepare super 9/11 false flag terror attacks) im Medienkonzert der letzten Wochen ausgemacht hat: von den sich häufenden Ankündigungen einer Al-Qaida Attacke "in diesem Sommer", über einsatzbereite "mini nukes" in den Händen Bin Ladens, wie FOX-News am 28.6. unter Berufung auf das Buch "Osamas Revenge" berichtet, bis zur Ankündigung von Oliver North am 30.6., nach der "Lektion von Madrid" sei ein Anschlag in den USA vor den Wahlen "sicher".

Für diesen Fall arbeiten die Regierungsbehörden, wie AP am 1. Juli meldete, bereits am Procedere einer "Absage oder Verschiebung der Wahlen" (Sollen die US-Präsidentschaftswahlen kurz nach einem Terroranschlag verschoben werden?). Damit wäre die "Kriminalisierung des Staats", von der der kanadische Ökonom Michel Chossudovsky im Zusammenhang mit dem "falschen Terroralarm" spricht, perfekt:

Wir sollten uns sehr klar darüber sein, was in Amerika geschieht. Wir haben es nicht mehr nur mit einer Angst- und Desinformations-Kampagne zu tun. (...) Womit wir es zu tun haben, ist nicht nur ein krimineller Akt, sondern ein sorgfältig ausgearbeiteter Akt des Verrats, ausgehend von den höchsten Ebenen des Staatsapparats. Kurz: die "Roadmap zum Polizeistaat" in Amerika.

Wer Warnungen wie diese für übertrieben hält, wurde am Freitag vom US-Kongress eines Besseren belehrt. Das Haus blockierte eine von den Demokraten geforderte Einschränkung des Antiterror-Gesetzes "Patriot Act", die das Lesen betrifft. So wird es der Staatsicherheits-Behörde künftig auch erlaubt sein, die Lesegewohnheiten der Bevölkerung in Büchereien und Buchläden zu überwachen. Was in dieser Richtung folgt, wenn "Osama" erneut zuschlägt , steht mit Patriot Act II bereits fest. Dass seine eigentliche Rolle dabei weiterhin "etwas unklar" bleibt, kann der Sache nur dienlich sein...