Oscar Romero und die Militärkirche
Seite 2: Romeros Soldatenseelsorge: Aufruf zur Befehlsverweigerung
- Oscar Romero und die Militärkirche
- Romeros Soldatenseelsorge: Aufruf zur Befehlsverweigerung
- Ein deutscher Militärbischof und ein sexueller Gewalttäter mit Kardinalshut spielen auch eine Rolle
- Auf einer Seite lesen
Auf der Gegenseite steht Oscar Romero, der selbst von Militärangehörigen drangsalierte Anwalt der in Armut lebenden Bevölkerungsmehrheit. In seinem Tagebucheintrag vom 13. April 1979 wendet er sich z.B. dagegen, dass eine Militärmusikkapelle der repressiven Einheiten bei einer Prozession beteiligt wird.
Am 7. September 1979 notiert Romero ins Tagebuch seine Antwort auf ein scheinheiliges Angebot des Militärs:
Den mir angebotenen Schutz könne ich nicht annehmen, weil ich unter demselben Risiko leben will wie das Volk auch; es wäre für die Seelsorge ein Antizeugnis, wollte ich in Sicherheit leben, während mein Volk in großer Unsicherheit ist. Doch bat ich … lieber um Schutz für das Volk in bestimmten Zonen, in denen die Sperren, die Militäroperationen viel Blutvergießen anrichten.
Oscar Romero
Durch seinen Protest gegen die US-Waffenlieferungen an das Mörderregime der Reichen wollte der Erzbischof von San Salvador auch verhindern, dass noch mehr seiner Landsleute Instrumente zur Tötung ihrer Mitmenschen in die Hand bekamen.
Oscar Romero versagte Soldaten keineswegs seinen geistlichen Beistand. Mitglieder der Militäreinheiten schrieben ihm z.B. in einem Brief, sie kämen aus den ärmsten Schichten, könnten von ihrem Sold kaum leben und würden in die Dörfer geschickt, um ihre eigenen Leute totzuschießen. Romero las das Schreiben am Sonntag in der Kathedrale vor, natürlich ohne die Namen der Absender) und schloss sich der Forderung nach Abhilfe in beiden Punkten an.
Das schlimmste Verbrechen war schließlich, dass der Bischof von San Salvador seine staatsunabhängige Soldatenseelsorge im Sinne des Rabbis Jesus von Nazareth in einen Aufruf zur Befehlsverweigerung münden ließ. Am 23. März 1980 predigte er:
Brüder, ihr gehört zu unserem Volk. Ihr tötet eure eigenen Brüder unter den Bauern. Wenn ein Mensch euch befiehlt zu töten, dann muss das Gesetz Gottes mehr gelten, das da lautet: Du sollst nicht töten! Kein Soldat ist verpflichtet, einem Befehl zu gehorchen, der gegen das Gesetz Gottes gerichtet ist. Ein unmoralisches Gesetz verpflichtet niemanden. Es ist höchste Zeit, dass ihr auf euer Gewissen hört […] Im Namen Gottes und im Namen dieses leidenden Volkes, dessen Klagen von Tag zu Tag lauter zum Himmel steigen, bitte ich euch, flehe ich euch an, befehle ich euch: Hört auf mit der Unterdrückung!
Oscar Romero
Am Tag darauf traf eine tödliche Kugel den "Propheten der Armen". Er hatte sich sehr gewünscht, kein Märtyrer zu werden: "Ich will jetzt noch nicht sterben. Noch nie habe ich das Leben so sehr geliebt! … ich brauche noch ein bisschen Zeit."
Die Riege der Militärbischöfe ging nach Romeros Ermordung unverdrossen ihre eigenen Wege. Der 1995 vom Vatikan ernannte Opus Dei-Erzbischof von San Salvador, Fernando Sáenz Lacalle, war 1993-1997 zugleich Apostolischer Administrator des Militärordinariats von El Salvador. Die Kirche der Armen flüchtete während seiner Amtszeit förmlich ins Kellergeschoss der Großkirche.