Ost-Ghouta und Afrin: Im Nebel der Fake News von allen Seiten

Seite 2: Monotonie der türkischen Propaganda

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Türkische Medien erklären zunächst, es sei ein Konvoi mit 30-40 Fahrzeugen mit Kämpfern und Waffen angegriffen worden. Es wurde auch ein Video veröffentlicht, das nach der Bombardierung Rauchwolken zeigt, aber nichts verrät, ob es sich wirklich um Fahrzeuge mit Kämpfern und Waffen handelte.

Offenbar hatte man dann doch angesichts der kursierenden Bilder von den zerstörten zivilen Fahrzeugen Probleme, die Propaganda pur durchzuhalten. Am Abend kam dann noch eine nachgeschobene Meldung, die schon eine richtige Schmierenkomödie ist, dass ein Konvoi von "YPG/PKK-Daesh-Terroristen" - der Islamische Staat muss als Legitimation immer dabei sein - beschossen wurde. Nur der Konvoi sei beschossen worden, während man mit "höchster Vorsicht" darauf geachtet habe, dass keine Zivilisten gefährdet werden.

Plötzlich heißt es, die türkische Armee habe berichtet, es habe auch einen zivilen Konvoi in der Nähe gegeben. Man habe aber, wie es der "türkischen Tradition und den kulturellen Werten" entspreche, den terroristischen Konvoi in sicherer Entfernung vom zivilen Konvoi unter Beschuss genommen.

Die Detonationen würden zeigen, dass in den Fahrzeugen Munition gewesen sei. Ein Video von dem Konvoi zeigt in der Tat andere Fahrzeuge - eher Busse oder Lastwagen - als das Video von ANF, allerdings ist nicht klar, welche Fahrzeuge die türkischen Streitkräfte beschossen haben.

Von der türkischen Nachrichtenagentur veröffentlichtes Bild über den Angriff auf den Konvoi, angeblich mit Kämpfern und Waffen.

Die Türkei hält strikt ihren Propaganda- oder Fake-News-Kurs durch, den sie auch den noch übriggebliebenen türkischen Medien diktiert hat (Türkische Regierung diktiert Medien-Berichterstattung). Über zivile Opfer wird nicht berichtet, das türkische Militär tötet keine Zivilisten, sondern nur "Terroristen", zu denen in den schon Jahre von den YPG-Kurden kontrollierten Afrin auch IS-Kämpfer zählen sollen.

Weil die YPG eine Verbindung mit der PKK hat, werden die syrischen Kurden für die Anschläge der PKK in der Türkei direkt verantwortlich gemacht.

Türkische Staatsmedien, die tagesschau und Humand Rights Watch

Gestern schrieb die staatliche Anadolupost, der stellvertretende Ministerpräsident Bekir Bozdag habe gesagt, dass im Laufe der Operation Olivenzweig kein einziger Zivilist getötet oder verletzt worden sei - was nur eine Fake News sein kann, wenn man Dörfer mit Artillerie beschießt und aus der Luft bombardiert.

Solche markigen Sprüche werden ständig wiederholt, was die Glaubwürdigkeit ebenso steigern soll wie die Behauptungen wie viele "Terroristen" bereits "neutralisiert" worden seien.

Gleich auf der Titelseite daneben werden scheinbar objektive Informationen über die humanitäre Katastrophe in Ost-Ghouta publiziert. Von den 400.000 Zivilisten seien die Hälfte Kinder, heißt es hier. Die bewaffneten Gruppen werden nicht erwähnt, auch nicht die Angriffe und Anschläge auf zivile Ziele in Damaskus. Es wird nur einmal von "Oppositionsgruppen" gesprochen.

Getötet worden seien in den letzten drei Monaten 700 Zivilisten, darunter 109 Frauen und 185 Kinder. Zahlreiche Kinder seien auch wegen der Blockade durch syrische Regierungstruppen verhungert oder mangels medizinischer Behandlung gestorben. Die syrische Regierung wird als "Regime" bezeichnet - das müsste man dann freilich mittlerweile auch zur türkischen Regierung sagen.

Das Regime setze Granaten, Fassbomben, Streubomben und chemische Waffen ein. Als "Entschuldigung" für die Angriffe gebe das Regime den "Kampf gegen den Terror". Dazu werde gesagt, Zivilisten würden als Schutzschilde missbraucht und die Hauptstadt würde beschossen.

Nicht ganz smart steht auf derselben Seite, dass Außenminister Mevlut Cavusoglu erklärte, man werde Afrin von den "Terrorgruppen säubern", was nicht nur wieder verräterisch die Rede vom Töten wie beim "Neutralisieren" vermeidet. Man würde keine Unterschiede zwischen den "YPG/PKK-Terroristen und ihren Unterstützern" machen, beide müssten also neutralisiert werden.

Nach dieser Logik könnten die syrischen Truppen auch wahllos in Ost-Ghouta angreifen. Die Türkei benutzt, ebenfalls auf derselben Seite stehend, dieselbe "Entschuldigung" wie Damaskus. Die Terroristen sollen verjagt werden, man will Sicherheit und Stabilität herstellen und die Syrer "von der Repression und der Grausamkeit" der Terroristen befreien. Man nehme das Selbstverteidigungsrecht in Anspruch.

Immerhin nimmt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch auch den türkischen Einmarsch in Afrin ein wenig unter die Lupe. Untersucht wurden drei Angriffe im Januar aus der Luft oder durch Artillerie auf Zelte, eine Geflügelfarm und ein Haus. Dadurch seien 26 Zivilisten, darunter 17 Kinder getötet worden. Zu den Opfern gehören zwei Flüchtlingsfamilien, in Afrin haben mehr als 120.000 Menschen aus anderen Teilen Syrien Schutz gesucht.

Auch HRW glaubt, dass die Türkei mit den Angriffen darauf abzuzielen scheint, Menschen zu vertreiben. Und es wird dem türkischen Militär eben das vorgeworfen, was türkische Politiker und Medien dauernd beschwören. Es würde nicht genügend darauf achten, Zivilisten zu verschonen, was ein Kriegsverbrechen sein könnte.

Die Tagesschau hebt sich einmal wieder als Aufklärungsorgan hervor. In einem Beitrag wird die Darstellung der Situation in der "angeblichen Rebellenhochburg Ost-Ghouta" in russischen Medien gegeißelt. Ja, das ist einseitig, der Tagesschau-Bericht ist aber selbst außerordentlich dünn und seinerseits extrem einseitig. Vorgeworfen wird russischen Medien zu verschweigen, dass "auch russische Bomben auf die umkämpfte Stadt fallen".

Das ist richtig, aber der Bericht spricht seinerseits nicht darüber, welche "Rebellen" sich dort aufhalten oder ob sich überhaupt welche dort befinden. Verwiesen wird auf Aleppo "als Blaupause", aber nicht auf Mosul oder Raqqa, wo ebenfalls nur Ruinen übrig bleiben.

Nicht erwähnt wird auch, dass Russland eine Garantie für einen Waffenstillstand verlangt, dass die "Rebellen", darunter eben al-Qaida, diesen auch einhalten. Und es wird auch nicht einmal erwähnt, dass auch zivile Ziele in Damaskus von den "Rebellen" angegriffen werden.