Ostdeutsche als "alte Migranten" oder die "neuen Muslime"?

Seite 2: Ost-migrantische Allianz statt Analyse

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Dass den Forschern die Fehldeutung ihrer Ergebnisse durchaus gelegen gekommen sein könnte, lässt sich noch aus einer anderen Richtung herleiten. Denn die Diskussion um Gemeinsamkeiten von Migranten und Ostdeutschen ist nicht neu. Ausgelöst wurde sie im Mai vergangenen Jahres durch Naika Foroutan, der Macherin der heutigen Studie.

Im taz-Interview machte die Migrationsforscherin damals noch ohne empirischen Unterbau ihre These von den ostdeutsch-migrantischen Gemeinsamkeiten publik:

Ostdeutsche sind irgendwie auch Migranten: Migranten haben ihr Land verlassen, Ostdeutsche wurden von ihrem Land verlassen.

Naika Foroutan

Zu den gemeinsamen Erfahrungen zählte sie damals "Heimatverlust, vergangene Sehnsuchtsorte, Fremdheitsgefühle und Abwertungserfahrungen". Das Motiv wurde spätestens im letzten Satz des Interview klar.

Wir brauchen in Zukunft mehr strategische Allianzen. Diese Kämpfe gegen die Ungleichheit kann man nicht alleine führen.

Naika Foroutan

Ihr Aufruf stieß vielerorts auf Interesse, aber wohl nirgends auf so viel Begeisterung wie bei Jana Hensel. Gänsehaut habe sie beim Lesen bekommen, schwärmte die Journalistin und stellte die These in den Raum, ausländerfeindliche Pogrome der 1990er könnten Konsequenz ostdeutscher Diskriminierungserfahrung durch Westdeutsche gewesen sein.

Die Journalistin, die für Die Zeit vor allem über Ost-Themen schreibt und mit ihrem Buch "Zonenkinder" einen Bestseller landete, war es wiederum, die nun knapp ein Jahr später Naika Foroutans aktuelle Studie mit einem langen Interview zu medialer Aufmerksamkeit verhalf.

Etwas über die tatsächliche Benachteiligung von Ostdeutschen und Muslimen oder Migranten erfährt man auch darin kaum. Nur einmal fragt Hensel Foroutan, ob ihr während ihrer Forschung aufgefallen sei, "dass Ostdeutsche ähnlich benachteiligt wie Migranten sind?". Foroutans Antwort: "Nein, das war selbstverständlich für mich."