Outsourcing der Barbarei
Seite 4: Die spätkapitalistische Welt als inverses KZ
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Doch selbst diese Zonen der Exklusion könnten sich im Krisenfortgang schlicht als zu klein erweisen, da die Masse der ökonomisch Überflüssigen immer weiter anschwelle werde, wie etwa Hans Magnus Enzensberger in seinen berühmten Aussichten auf den Bürgerkrieg bemerkte:1
In New York ebenso wie in Zaire, in den Metropolen wie in armen Ländern werden immer mehr Menschen für immer aus dem ökonomischen Kreislauf ausgestoßen, weil sich ihre Ausbeutung nicht mehr lohnt.
Perspektivisch lasse dieser Krisenprozess die Integrität der kapitalistischen Territorien zerfallen, es bildeten sich "geschützte Gebiete mit eigenen Sicherheitsdiensten auf der einen, Slums und Gettos auf der anderen Seite" heraus, in denen die staatlichen Machtstrukturen kaum noch präsent seien. Überall werde an der Befestigung von Grenzen gearbeitet, die die desperaten Überflüssigen abwehren sollen. Mauer und Stacheldraht erleben ihre Renaissance.
Dieser große spätkapitalistische Limesbau findet nicht nur an den Grenzen der Metropolen, wie etwa an der EU-Südgrenze oder im Süden der USA statt, sondern auch innerhalb den territorial zerfallenden Staaten selber - etwa durch Gentrifizierung oder den Boom der sogenannten "Gated Communities", abgeschlossener und bewachter Siedlungen für die schrumpfende Ober- und Mittelklasse.
Enzensberger spricht in diesem Zusammenhang - vor allem in Hinblick auf die Lage in der Peripherie des Weltsystems - von Stadtvierteln, die nur noch "mit Sonderausweisen" betreten werden könnten:
Schranken, elektronische Kameras und scharf dressierte Hunde kontrollieren den Zugang. Maschinengewehrschützen auf Wachtürmen sichern die Umgebung. Die Parallele zum Konzentrationslager ist augenfällig, nur dass es hier die Außenwelt ist, die von den Insassen als potenzielle Zone der Vernichtung betrachtet wird.
Diejenige, die noch nicht ökonomisch abgestürzt sind, ziehen sich somit selber in "Reichenlager" zurück, die sich in einem unerklärten Kriegszustand mit der anomischen Außenwelt befinden. Diese Perspektive eines molekularen Bürgerkrieges ist bereits in vielen Ländern der Peripherie Realität - etwa in Brasilien.
Die Analogie des "umgekehrten KZ", bei dem nur noch befestigte Zonen der Stabilität in einem Meer der Anomie gehalten werden, das als potenzielle "Zone der Vernichtung" betrachtet wird, kann somit auch auf globaler Ebene gebildet werden. Die erodierenden Zentren des Weltsystems schotten sich immer stärker gegen das um sich greifende Chaos in der Peripherie ab, bis bloß noch eine Zone "potenzieller Vernichtung" ökonomisch Überflüssiger darstellt.
Das militärische Vorgehen der Metropolen richtet sich nicht mehr auf die Ausbeutung des Menschenmaterials der Peripherie des Weltsystems, sondern auf die Abschottung der eigenen Territorien gegenüber dem kriegsbedingten Chaos, das sich wie ein Flächenbrand ausweitet. Die Beseitigung der "Überflüssigen" in den Zentren wird dann nicht mehr aktiv betrieben, wie in einem faschistischen Lagersystem, sondern vermittels Abschiebungen in die Zonen des sozioökonomischen Zusammenbruchs.
Genau dies hat ja im Endeffekt schon die CSU vorgeschlagen, als sie für Abschiebungen von Flüchtlingen in "Krisenstaaten" plädierte Man lässt es geschehen.
Von Tomasz Konicz erschien jüngst im Konkret Verlag das Buch Kapitalkollaps. Die finale Krise der Weltwirtschaft