Pack die Luftgitarre aus
Menschen mit symmetrischem Körperbau kommen beim Tanzen besser an und haben bei der Partnerwahl die Nase vorn
Tanzen gehört bei vielen Arten zum Balzverhalten, auch beim Menschen. Erstmals haben Forscher, wie sie inder Zeitschrift Nature berichten, nun einen Blick darauf geworfen, welche Informationen Tanzende über sich und möglicherweise ihre Gene preisgeben und wie Männer und Frauen darauf reagieren.
Im Rahmen des Rutgers Jamaican Symmetry Project untersuchen Wissenschaftler unter Leitung von Roger Trivers vom Department für Anthropologie der Rutgers University, New Brunswick/New Jersey, seit Anfang 1996 systematisch jamaikanische Schüler. Das Team aus Biologen und Anthropologen möchte herausfinden, welche Bedeutung die körperliche Symmetrie für den Einzelnen hat.
Dazu wurden 1996 und 2002 insgesamt 288 Schüler der Top Hill Primary School in St. Elisabeth/Jamaika von Kopf bis Fuß vermessen – mit Röntgenbildern, Fotos, Gipsabdrücken usw. Die gewonnenen Informationen werden immer noch per Computer ausgewertet und teilweise mit Daten verglichen, die von Gleichaltrigen in Europa und den USA stammen. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird die Probanden bis ins Erwachsenenalter begleiten, um zu verfolgen, wie sie sich körperlich, gesundheitlich, sozial und beruflich weiterentwickeln und welche Rolle die körperliche Symmetrie dabei spielt.
Tanzqualität und Fluktuierende Symmetrie
Jetzt hat der Anthropologe William B. Brown von der Rutgers University die jamaikanischen Probandengruppe für eine Versuchsreihe eingespannt. Sein Fokus: das Tanzen und seine Bedeutung für die Partnerwahl. Denn unbestritten gehört das Tanzen bei vielen Tierarten und menschlichen Kulturen zum Verhaltensrepertoire bei der Partnerwahl. Brown und seiner Forschergruppe gingen von folgender Hypothese aus: Wenn Tanzen eine Signalfunktion beim Umwerben eines Partners bildet, dann muss die Qualität dieses Tanzes in Zusammenhang stehen mit bestimmten biologischen Merkmalen, die Auskunft geben über die Qualität eines Individuums als Sexualpartner.
Konkret interessierten sich die Anthropologen für den Zusammenhang zwischen Tanzqualität und Fluktuierender Symmetrie (FA). Bei der FA werden die Abweichungen von der perfekten Symmetrie gemessen. Sie gilt als Indikator für Fitness und Überlebensfähigkeit, besonders bei männlichen Individuen. Ein gesunder, symmetrischer Körperbau lässt sozusagen auf gut entwickelte Gene schließen. Bei einigen Tierarten haben Forscher laut Brown bereits festgestellt, dass große körperliche Symmetrie mit bestimmten Bewegungscharakteristika einher geht, die effiziente Bewegungsabläufe gewährleisten.
Wie gut jemand tanzt, hängt im Urteil des Betrachters wahrscheinlich eher wenig vom Körperbau ab. Es spielen auch Faktoren wie Aussehen, Kleidung und körperliche Attraktivität hinein. Um solche Vermischungen auszuschließen, benutzten Brown und sein Team Motion-Capture-Technologie, wie sie in der Filmindustrie und auch der Sportmedizin verwendet wird. Durch sie verwandelten sich tanzende Jugendliche in Körper ohne Gesicht und Geschlecht. 183 Tänzer im Alter zwischen 14 und 19 Jahren luden die Anthropologen 2004 ein. Jeder Proband musste eine Minute lang allein zum selben Lied vortanzen, auf einer Fläche von etwa 4 Quadratmetern.
Die Fluktuierende Symmetrie wurde anhand von Ellbogen, Handgelenk, Knie, Fußgelenk, Fingern und Ohren errechnet. Auf ihrer Grundlage wurden anschließend 40 Tanzeinlagen ausgewählt: die jeweils 20 Probanden (10 männliche und 10 weibliche) mit dem höchsten und dem niedrigsten FA. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip 155 Gleichaltrigen vorgeführt, deren FA ebenfalls vorher bestimmt worden war.
Die Symmetrie macht‘s
Das Fazit der Untersuchung: Beide Geschlechter reagierten auf die körperliche Symmetrie. Während Frauen symmetrisch gebaute Männer als die besseren Tänzer einstuften, waren es bei den Männern die symmetrisch gebauten Frauen. Allerdings trat bei Männern diese Vorliebe weniger deutlich hervor. Unwichtig für die Bewertung ist hingegen die eigene FA. Männer mit niedrigem FA interessierten sich nicht messbar stärker für sehr symmetrisch gebaute Frauen.
Dass die Frauen das Tanzen kritischer beurteilen, lässt sich nach Ansicht von Brown auf dem Hintergrund der sexuellen Selektion deuten: Nach dem Konzept des Elternaufwands (Parental Investment) (von Roger Trivers in den 70ern entwickelt) gilt für Arten, bei denen die Männchen weniger in die Aufzucht der Brut investieren als die Weibchen, dass letztere wählerischer bei der Partnerwahl sind und die Männchen sich dafür beim Balzen stärker ins Zeug legen müssen.
Welche Bewegungsmuster es unter anderem auch sind, die die Zuschauer beeindrucken, können die Forscher nicht beantworten. Da die Motion-Capture-Technologie jedoch jede der aufgezeichneten Tanzeinlagen als mathematische Formeln speichert, hoffen die Forscher auch das noch herauszufinden. Bis dahin gilt besonders für männliche Discogänger: Wer nicht über die Gnade eines äußerst symmetrischen Körpers verfügt, muss mit der Inszenierung auftrumpfen, vielleicht hilft dabei ab und zu die gute alte Luftgitarre.