Pakistan: Polizei geht weiter gegen Oppositionelle vor
Nach Medienberichten hat Pakistan die von den USA in Milliardenhöhe kommende Militärhilfe zur Bekämpfung der Extremisten vornehmlich in schwere Waffen für einen konventionellen Krieg gesteckt
Nach dem Coup des pakistanischen Präsidenten, dem Richterspruch des Obersten Gerichts durch die Verhängung des Ausnahmezustands zuvorzukommen und seine Macht zu sichern, lässt Musharraf weiter Oppositionelle, Richter und Anwälte inhaftieren, Demonstrationen auflösen und Medien zensieren. Zwar wird auch gegen Islamisten wie Mitgliedern der Partei Jamaat-e-Islami vorgegangen, das scheint allerdings nicht oberste Priorität zu haben. Zu den Verhafteten soll auch der ehemalige ISI-Geheimdienstchef Hamid Gul gehören, der mit der CIA die Mudschaheddin gegen die Russen aufgebaut hatte. Angeblich, so heißt es nun, sollen die Wahlen wie vorgesehen Mitte Januar abgehalten werden, fragt sich nur, unter welchen Bedingungen. Musharraf gewinnt mit der Ankündigung jedenfalls Zeit, da die Durchführung der Wahlen von der US-Regierung gefordert wird.
Vermutlich werden sich die US-Regierung, die Musharref in ihrem Krieg gegen den Terror benötigt und keinesfalls wollen kann, dass Islamisten Zugriff auf die Atomwaffen erhalten, und der pakistanische Präsident mit einem Kompromiss einigen, um das Gesicht zu wahren (Nicht ohne das Pentagon). Die US-Regierung kann es sich kaum leisten, einen Putschisten zu unterstützen, der die Demokratie noch weiter aushebelt und so den Islamisten Argumentationshilfe gibt. Musharref kann nicht auf die Unterstützung durch den Westen verzichten. Das Ergebnis könnte sein, dass Musharref an der Macht bleiben und vermutlich weiterhin Oberbefehlshaber des Militärs sein kann, gleichzeitig wird die pakistanische Regierung Wahlen durchführen, aber möglichst versuchen, die Opposition zuvor einzudämmen. Das könnte neben der Ausschaltung des Obersten Gerichts auch der Sinn dieses scheinlegalen Putsches gewesen sein.
Musharref hat in erster Linie den obersten Richter Iftikhar Mohammad Chaudhry aus dem Amt verdrängt. Dieser wollte eigentlich am Montag das Urteil verkünden, ob die erneute Wahl des Präsidenten gültig und die Doppelfunktion als Staats- und Militärchef verfassungsgemäß ist. Chaudhry hatte aber auch Hunderte von Fällen von Menschenrechtsverletzungen geprüft. Im Kampf gegen den Terrorismus sind in Pakistan viele Menschen, die als al-Qaida-Mitglieder verdächtigt wurden, verschwunden.
Die US-Regierung hat erklärt, nun die militärische Unterstützung und die monatlichen Hilfsgelder von 150 Millionen US-Dollar zu überprüfen, die an das Land flossen und fließen, um es als Bündnispartner im Krieg gegen den Terrorismus zu halten – obgleich Musharref sich 1999 an die Macht geputscht hatte, das Land sich atomar aufgerüstet und mit Nukleartechnik gehandelt hat und die Regierung keineswegs entschlossen gegen die Taliban und ihre Unterstützer vorgegangen ist. Die USA – und auch die Länder, die sich an der ISAF beteiligt haben – sind allerdings auf die Mithilfe Pakistans angewiesen, da die afghanischen Aufständischen in den Grenzgebieten zwischen Afghanistan und Pakistan ihren Rückzugsraum haben und vielfach von dort mit Waffen versorgt werden. Welche Rolle hier der pakistanische Geheimdienst, ehemals eng mit al-Qaida und den Taliban verbunden, und andere Teile des Militärs oder der Regierung spielen, ist unklar.
Das wird auch anhand der Informationen deutlich, die die Los Angeles Times von Informanten aus Militär- und Geheimdienstkreisen erfahren hat. Sieben Milliarden Dollar gingen seit dem 11.9. und seit dem Krieg gegen die Taliban an Militärhilfe zur Unterstützung des Antiterrorkampfes an Pakistan. Musharref hatte natürlich auch die wachsende Bedrohung durch islamistische Terroristen und Extremisten als Grund für die Verhängung des Ausnahmezustands angegeben.
Allerdings sollen die Truppen, die an den Grenzgebieten gegen die Taliban und al-Qaida kämpfen sollten, trotz der Milliardenhilfe schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und insgesamt unterfinanziert sein. Das Geld sei vor allem in den Kauf von schweren Waffen, Kampfflugzeugen und anderer Ausrüstung ausgegeben worden. Diese Waffen würde für den Antiterrorkampf wenig nützlich sein, wohl aber für einen eher traditionellen Krieg gegen Indien, mit dem Pakistan seit langem in einem mehr oder weniger schwelendem Konflikt liegt, der auch ein Grund dafür war, warum beide Staaten sich heimlich mit Atomwaffen aufgerüstet haben.
Das in den Grenzgebieten eingesetzte paramilitärische Frontier Corps mit mittlerweile etwa 80.000 Mann gehört zwar zum pakistanischen Militär, besteht aber aus lokalen, teils unzuverlässigen Kräften, meist Paschtunen, die die Grenze zu Afghanistan sichern sollen. Ausgerüstet seien sie oft nur mit "Sandalen und Vorderladern" kritisierte ein hoher westlicher Militärangehöriger gegenüber der LATimes. Das sei auch mit ein Grund, warum sich die Taliban und al-Qaida in en Grenzgebieten nach der Niederlage 2001/2002 hier wieder neu formieren konnten. Im Grenzgebiet sollen auch, wie allgemein vermutet wird, Bin Laden, Sawahiri und andere al-Qaida Unterschlupf gefunden haben. Gerade erst haben Aufständische, die im August über 200 Soldaten des Frontier Corps ohne Kampf gefangen genommen hatten, diese im Austausch gegen 28 Extremisten wieder freigelassen.
US-Verteidigungsminister Gates hat am Montag schon deutlich gemacht, dass Pakistan ein "entscheidender Partner im Krieg gegen den Terrorismus" ist. Man werde zwar die Unterstützungsprogramme überprüfen, aber nichts machen, was die "laufenden Antiterrormaßnahmen gefährden" könne. Ähnlich betonte US-Außenministerin Rice, dass man sehr sorgsam auf die Antiterrormaßnahmen achten müsse und dass es das oberste Ziel des US-Präsidenten sei, Amerika vor dem Terrorismus zu schützen. Es wird sich also nicht viel ändern.
Nach Angaben der Times hat das U.S. Special Operations Command aufgrund der Unzuverlässigkeit des Frontier Corps vor kurzem damit begonnen, ähnlich wie im Irak direkt Milizen der Stämme im Grenzgebiete zu finanzieren, damit diese auch unabhängig vom pakistanischen Militär gegen Taliban und al-Qaida vorgehen. Man könne sie nicht kaufen, sagte ein Informant der Times, aber man könne sie mieten.