Palästina am Tropf des Westens

Seite 2: Die Fehlentwicklung

Die Finanzhilfen wurden weitgehend eingestellt, um Abbas zu zwingen, den Hamas-Regierungschef Ismail Hanijeh aus dem Amt zu drängen. Was er dann auch tat. Doch dann übernahm die Hamas die Macht im Gazastreifen.

Und Abbas wurde immer stärker als Statthalter Israels wahrgenommen. Aus gutem Grund: Die Politik in Europa und Nordamerika machte deutlich, dass er so lange im Amt bleiben müsse, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden sei, bis man sich mit der Hamas auf eine Machtübergabe geeinigt habe.

Im Hintergrund stand immer die Hoffnung, dass bald die Rahmenbedingungen für neue Verhandlungen, für einen neuen Deal geschaffen würden.

Doch die Amtszeit des Präsidenten und des Parlaments lief ab. Ein Nachfolger kam nicht. Dutzende Male wurden Wahlen angekündigt und wieder abgesagt, nicht selten wenige Tage vor dem Termin.

Dazwischen taten Abbas und seine Entourage alles, um alle infrage kommenden Politiker zu drangsalieren, kaltzustellen, zum Teil mit Gewalt. Und damit zugleich die Hoffnungen auf Fortschritte im Friedensprozess zunichtezumachen.

Denn der langjährige Ministerpräsident Netanyahu hat in seiner politischen Karriere nie etwas Substanzielles getan, um sich den Palästinensern anzunähern: In der Verwaltung der Ministerien, im Sicherheitsapparat sitzen Leute, die immer ein Auge darauf haben, wo man wie vorankommen könnte.

Was sie sahen, war ein immer älter werdender Präsident, umgeben von immer älter werdenden Männern, die kaum noch Rückhalt in der Bevölkerung hatten. Denn wenn man in Verhandlungen geht, muss man sicher sein, dass diejenigen, die auf der anderen Seite des Tisches sitzen, die Ergebnisse auch umsetzen können.

Die wirtschaftliche Realität

Das schwierigste Thema aber sind die westlichen Finanzhilfen. Ursprünglich waren sie als Starthilfe gedacht, bis die Palästinenser eine eigene Wirtschaft aufgebaut haben und auf eigenen Beinen stehen können.

Doch die israelische Besatzung, die mangelnde Kontrolle über die Grenzen und das "Pariser Abkommen" haben eine wirtschaftliche Entwicklung fast unmöglich gemacht. Dabei handelt es sich um einen Vertrag, der Fragen der Besteuerung, der Zölle und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit regelt.

Das Hauptproblem ist, dass das Abkommen nichts mit der wirtschaftlichen Realität zu tun hat und die Autonomiebehörde daran hindert, auf Entwicklungen zu reagieren.

Und dann halten die israelischen Regierungen immer wieder Teile der Steuereinnahmen zurück, die sie den Palästinensern zahlen müssten, um Abbas zu zwingen, etwas zu tun oder nicht zu tun.

So sind die Palästinensischen Autonomiegebiete seit vielen Jahren von der internationalen Gemeinschaft abhängig: direkt durch finanzielle Hilfe. Und indirekt von den Vereinten Nationen, die in den Flüchtlingslagern die vielen Bedürftigen mit Hilfslieferungen unterstützen, Schulen und Krankenhäuser betreiben, die Infrastruktur organisieren.

Outsourcing

Heute sieht es so aus, als habe Israel damals in Oslo vor allem den teuersten Teil der Besatzung ausgelagert: die Verwaltung der palästinensischen Bevölkerungszentren. 1993 lebten 269.000 Israelis in Siedlungen im Gazastreifen, in der Westbank und in Ostjerusalem.

Die militärische Präsenz in den Städten und Dörfern, deren zivile Verwaltung damals Tausende Soldaten band, verschlang nach einer Schätzung der Menschenrechtsorganisation BeTselem umgerechnet rund 500 Millionen Euro pro Jahr.

Während der ersten Intifada thematisierten israelische Medien und Politiker immer wieder die hohen Belastungen für den Staatshaushalt, Tenor stets: Die Allgemeinheit finanziere die Lust der Rechten.

Sicher ist, dass der Siedlungsbau ohne die Schaffung der Autonomiegebiete, ohne die Unterstützung aus dem Ausland, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten erlebt haben, nicht finanzierbar gewesen wäre.