Palästina am Tropf des Westens
- Palästina am Tropf des Westens
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30 Jahre nach Oslo: Mit Finanzhilfen haben Europa und die USA zum Scheitern des Friedensprozesses beigetragen. Es fehlt an Visionen. Wie sieht eine Wende aus?
Es ist Wochenende, Protestzeit zwischen Jordan und Mittelmeer. Getrennt durch Mauern und Zäune, werden viele wieder auf die Straße gehen. In Israel, vor den Augen der Weltöffentlichkeit. In Palästina, den palästinensischen, den besetzten Gebieten, weit weniger beachtet. Obwohl auch dort viel auf dem Spiel steht, und zwar ganz Ähnliches wie auf der anderen Seite.
In Israel versucht eine rechtsextreme Regierung um den seit 2008 mit kurzer Unterbrechung regierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit einer höchst umstrittenen Justizreform mehr Macht an sich zu reißen.
In der Palästinensischen Autonomiebehörde ist das schon lange geschehen, zunächst im Verborgenen, da die politischen Entscheidungsprozesse dort chronisch intransparent sind.
Präsident Mahmud Abbas begann, die Verfassung immer öfter zu missachten, stellte dem Obersten Gerichtshof ein eigenes, natürlich mit ihm genehmen Personen besetztes "höchstes Gericht" zur Seite, das ihm natürlich erlaubte, auch lange nach dem Ende seiner Amtszeit und der des Parlaments ohne Neuwahlen weiterzuregieren.
Er verfügte per Dekret immer mehr Einschränkungen der Presse- und Versammlungsfreiheit.
Abbas: Autokrat
Das Ergebnis: Die Palästinenser haben nicht mehr nur mit der israelischen Besatzung zu kämpfen, die in diesem Jahr bereits so viele Opfer gefordert hat wie seit vielen Jahren nicht mehr. Ihr eigener Präsident ist zum Autokraten geworden, unterstützt von Polizei und Geheimdienst. Und von Israel und der internationalen Gemeinschaft, die ihn gewähren lassen.
Denn an vielem, was in der Region schiefläuft, sind diejenigen, die nach außen hin vorgeben, für Frieden sorgen zu wollen, maßgeblich beteiligt.
Die Verantwortung des Westens
Die Visionslosigkeit westlicher Regierungen, ihr Mangel an Strategien, ihre Scheu, klare Ansagen zu machen und durchzusetzen, ihre Bereitschaft, mit viel Geld zu helfen, halten die israelische Besatzung am Laufen. Dies macht den Siedlungsbau erst möglich.
Und sie haben darüber hinaus zum Aufstieg eines Autokraten beigetragen, den sie unterstützen. Auch wenn es vernichtend klingt: Vielleicht ging es gar nicht anders. Denn der Teufel steckt im Detail.
Die Vorgeschichte
Vor 30 Jahren wurde in Washington Geschichte geschrieben: Der damalige israelische Regierungschef Jitzchak Rabin und Palästinenserführer Jassir Arafat taten etwas, was noch wenige Monate zuvor völlig undenkbar schien: Sie unterzeichneten das erste der Oslo-Abkommen und damit den ersten Schritt zur Gründung der palästinensischen Autonomiegebiete.
Die israelische Rechte lief Sturm, der damals noch unbekannte Netanjahu drängte sich mit flammenden Versprechungen vom drohenden Untergang des Staates Israel in die erste Reihe. Und auch die Hamas, damals gerade erst gegründet, nutzte die Gunst der Stunde: "Vom Mittelmeer bis zum Jordan", Arafat habe dieses Prinzip aufgegeben, die Palästinenser verraten, wetterte sie und schickte Selbstmordattentäter aus, die sich selbst und Hunderte Israelis in den Tod rissen.
In Israel wich die Euphorie der Mehrheit schnell der Ernüchterung: Hatte Netanjahu doch recht? Hat das Ganze der Sicherheit geschadet? Der Friedensprozess geriet ins Stocken und löste auf palästinensischer Seite einen ähnlichen Prozess aus.
Man fühlte sich betrogen, es kam zu neuen Ausschreitungen, zu einer neuen Intifada. Hunderte verloren ihr Leben. "Oslo", der Friedensprozess, kam nie richtig in Gang. Was blieb, war die Palästinensische Autonomiebehörde. Die Hoffnung auf einen eigenen Staat.
Und die Sehnsucht nach Demokratie. Nach dem Tod von Jassir Arafat schien es so weit zu sein. 2005 wurde zunächst ein neuer Präsident gewählt. Im Januar 2006 folgten die Parlamentswahlen.
Die Wahlen waren gut vorbereitet, weitgehend frei. Dennoch endeten sie in einem Desaster, das bis heute nachwirkt. Und daran hatten die Europäische Union, die USA und Israel einen großen Anteil.
Der Sieg der Hamas
Schon bei den Präsidentschaftswahlen hatte man im Hintergrund kräftig mitgemischt und darauf hingearbeitet, dass der Wunschkandidat Abbas, nach Arafats Tod zunächst Übergangspräsident, gewählt wird.
Das war relativ einfach, weil die Palästinensische Autonomiebehörde damals dank üppiger Finanzhilfen aus dem Westen finanziell gut dastand und keiner der Geldgeber etwas dagegen hatte, dass mit diesem Geld der Wahlkampf von Abbas finanziert wurde.
Doch bei den Parlamentswahlen funktionierte das nicht mehr: Die Wahlliste der Hamas gewann haushoch und beanspruchte den Posten des Regierungschefs für sich.
Und die Politik, die Diplomaten im Westen standen plötzlich vor einem riesigen Dilemma. Die Wähler hatten entschieden, und in einer Demokratie ist das so. Nur gab es ein Problem. Israel erwartete vom Friedensprozess Sicherheit. Die internationale Gemeinschaft wollte Fortschritte.
Und nun hatte eine Liste die Mehrheit gewonnen, die sich zwar nach außen von der Hamas abzugrenzen versuchte, aber dennoch eng mit ihr verbunden war. Abbas hatte es in wenigen Monaten geschafft, möglichst viele seiner Wähler möglichst effizient vor den Kopf zu stoßen. Und die wollten ihn dafür bestrafen.
Aber wie reagiert man darauf als ausländische Regierung, die kurz zuvor zwar nur Kleinwaffen, aber immerhin Waffen geliefert hat, die eine Hamas-nahe Regierung dann gegen Israelis richten könnte? Und wenn dann auch noch die Öffentlichkeit im Dreieck springt und schnelles Handeln fordert?
Die Entscheidungen, die damals getroffen wurden, haben den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern bis heute nachhaltig verändert und zur Entwicklung hin zur Autokratie beigetragen.