Palo santo - Geschäfte mit dem Wundermittel gegen die "Franzosenkrankheit"

La Santa Trinidad, ein Schiff der Welser-Armada. Bild: Hieronymus Köler/public domain

Pfeffersäcke, Quacksalber und Syphilis - neuer Film von Gaby Weber über die Epidemie im 16. Jahrhundert und den deutschen Kolonialismus

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Es war das profitabelste Kolonialprodukt im Sortiment der Welser: das Guaiakholz aus der Neuen Welt. Das Holz sollte nämlich gegen die gerade in Neapel aufgetauchte Krankheit helfen, die man "Franzosenkrankheit" nannte (später Syphilis) und von der man vermutete, dass sie aus dem neu entdeckten Kontinent stammte. Neapel gehörte damals zur Krone von Aragón und war 1495 von Söldnern des französischen Königs überfallen worden. Mit den Legionären verbreitete sich die Epidemie rasant in der Alten Welt.

1493 war Christoph Kolumbus von seiner ersten Amerikaexpedition zurückgekehrt und in spanischen Häfen wie in Neapel fiel die neue Krankheit erstmals auf. Der Arzt Ruy Díaz de Isla diagnostizierte Geschwüre bei den Mitgliedern seiner Schiffsmannschaft, die er noch nie gesehen hatte. Er schloss daraus, dass die Krankheit von der Insel Hispaniola, heute Haiti, importiert worden sei. Bis heute ist ungeklärt, ob das Bakterium wirklich aus der Karibik stammte, wie es die Legende erzählt, oder ob es in abgeschwächter Form bereits in Europa existierte und durch den plötzlich entstehenden globalen Warenaustausch mutiert war (Hat Kolumbus wirklich die Syphilis aus Amerika nach Europa gebracht?). Fest steht, dass die angebliche Medizin gegen die Franzosenkrankheit für die "Pfeffersäcke" - die Augsburger Handelshäuser Welser und Fugger - ein glänzendes Geschäft wurde.

Jakob Fugger galt als der reichste Mann der Welt. Er soll den Kapitalismus erfunden haben. Er bildete Monopole, betrieb globalen Handel - nicht nur mit Gewürzen, sondern auch mit Waffen und Sklaven - und tätigte, trotz des biblischen Zinsverbotes, bargeldlose Termingeschäfte. Mit "Handsalbe" schmierte er Päpste und Bischöfe, Kaiser und Könige. Dem Habsburger Adelsgeschlecht liehen die Fuggers und Welsers viel Geld: für den Hofstaat, die Feldzüge gegen die aufständischen Bauern und die beginnende Reformation und für die Eroberungskriege in der Neuen Welt, in Amerika, das man noch für einen Teil Indiens hielt.

Bereits 1503 hatte der portugiesische König Manuel den deutschen Kaufleute Privilegien gewährt und ihnen versprochen, sie wie die eigenen Untertanen am überseeischen Handel zu beteiligen. So sollten sie beim Kauf von Spezereien und Guaiakholz aus den neuentdeckten Inseln von allen Abgaben frei sein. Im selben Jahr gründeten die Welser in Lissabon eine Handelsniederlassung, eine Faktorei, und beteiligten sich mit eigenen Schiffen an der Indienflotte, zuerst von Lissabon aus und dann aus Spanien, vor allem aus Sevilla. Anfangs ging es um Pfeffer, Muskatnüsse und Safran von den ostindischen Molukken, doch dann kam, noch vor dem Zucker und der Baumwolle, ein neues Produkt aus Mittelamerika dazu: das Guaiakholz, palo santo.

Ab 1510 verlagerte sich das Zentrum des Indien-Handels von Portugal nach Spanien. Karl V. war Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und zugleich König von Spanien, und er war hoch verschuldet, vor allem bei seinen Hausbankiers, den Fuggern und Welsern. Mit ihrem Geld konnte der Habsburger die nötigen Stimmen kaufen, um sich zum Kaiser wählen zu lassen.

In Europa grassierte die Franzosenkrankheit, und in völliger Unkenntnis über die Ursachen dieser Krankheit verlegte man sich zuerst auf Mundspülungen und Haarkämmen und dann auf das Wundermittel aus der Neuen Welt.

Am Hof von Karl V. hatte man bereits von diesem Zaubertrank gehört und den Hofarzt des Kaisers nach Spanien gesandt, um das Franzosenholz auf seine Tauglichkeit hin zu prüfen. Ein Jahr später veröffentlichte der seinen Bericht. In den höchsten Tönen behauptete er, dass das Guaiakholz ein altes Indianer-Heilmittel sei, und dass es schon 3000 Spanier von der Syphilis geheilt habe. Noch im selben Jahr schickte Franz I., König von Frankreich, der sich auch angesteckt hatte, eine Expedition nach Südamerika, um die vermeintliche Arznei herbeizuschaffen.

Der Dichter und Humanist Ulrich von Hutten, auch infiziert, pries das rote Holz. Sein Neffe war Philipp von Hutten, einst Page von Karl V. und später Reichsritter und Gouverneur von Welsers Gnaden in Venezuela - ein nützliches Netzwerk also.

Die Diskussion um den deutschen Kolonialismus dreht sich nur um Afrika. Die Eroberungen deutscher Unternehmen des 16. Jahrhunderts in Südamerika sind weitgehend unbekannt. Karl V. hatte 1528 die Welser zu Gouverneuren des heutigen Venezuelas (Klein Venedig) ernannt. Im Westen das Kap La Vela und im Osten Maracapana. Eine Südgrenze wurde nicht festgelegt, in dem Vertrag hieß es: "von einem Meer bis zum anderen". Wie weit das "Festland", tierra firme, gen Süden reichte, war noch nicht in den Landkarten verzeichnet, aber gemeint war wohl ein Gebiet von der Karibik bis zur Südspitze des Kontinents. Eigentlich sollten die Augsburger das Land kolonisieren, Festungen und eine Infrastruktur errichten, doch ihr Interesse galt dem roten Holz. Dafür durften sie 4000 Sklaven aus Afrika importieren.

Kritiker wurden mundtot gemacht. Als 1529 der Arzt Paracelsus von Hohenheim seine Forschungen über die Syphilis (Vom Holtz Guaiaco gründlicher heiylung) veröffentlichte, erhob der Dekan der medizinische Fakultät in Leipzig beim Magistrat von Nürnberg Einspruch und erreichte damit, dass das dritte, schon im Satz befindliche Werk des Wissenschaftlers nicht erscheinen durfte. Paracelsus hatte mit seiner Kritik am Holz aus Klein-Venedig die Profitinteressen der deutschen Importeure empfindlich verletzt.

Das Geschäft mit dem Holz währte nur einige Jahre, trotz des Verbots sprach es sich in Mitteleuropa langsam herum, dass das rote Harz niemanden heilte. Die Welser ließen die Ortschaften an der Küste, Neu Augsburg (heute Coro) und Neu-Nürnberg (Maracaibo), verfallen. Keine Rede war mehr von Schürfung und Bergbau. Dafür zogen die Deutschen in die Wildnis auf der Suche nach Gold und Silber. Ihre Expeditionen, die "entradas", waren regelrechte Raubzüge. Dafür brauchten sie Träger, versklavte Indianer.

Die Angaben über die Opfer unter den Ureinwohnern gehen in der Literatur stark auseinander. Bartolomé de las Casas berichtete von "fünf Millionen" ermordeter und "einer Million" versklavter Indios, die auf das Augsburger Konto gingen. Die spanischen Archive nennen konkretere Zahlen. Danach lebten dort vor der Ankunft der Welser 15.000 Indios, 20 Jahre später praktisch keine mehr.

Die letzte Expedition endete tödlich: Reichsritter Philipp von Hutten und Bartholomäus Welser Junior wurden von einem eifersüchtigen Spanier ermordet. 1546 kündigte Karl V. den Venezuela-Vertrag: die Welser seien vertragsbrüchig gewesen, sie hätten nicht kolonisiert, ihre Gouverneure sich bereichert. Die Welser prozessierten elf Jahre lang, um ihre Rechte als venezolanische Statthalter wiederzuerlangen, gaben aber schließlich auf.

Der Film auf YouTube: Handsalbe der Pfeffersäcke. Wie Augsburger Kaufleute am Sklavenhandel und Völkermord verdienten.

Der Film ist spendenfinanziert.
Paypal: gaby.weber@gmx.net
Comdirect Bank, IBAN DE53.2004.1155.0192.0743.00

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