Hat Kolumbus wirklich die Syphilis aus Amerika nach Europa gebracht?

Läsionen im Schädel einer finnischen Person zeigten Anzeichen einer treponemalen Infektion: Schäden im Gesichtsbereich und Läsionen im Schädel. Bild: Kati Salo / Finnish Heritage Agency

Nach Untersuchungen Schweizer Wissenschaftler hat es wahrscheinlich den Syphilis-Erreger und andere verwandten Erreger wie Frambösie bereits zuvor in Europa gegeben

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Während der Kolonisierung Lateinamerikas schleppten die Europäer Krankheiten bei der Eroberung in die neue Welt ein, brachten aber auch Erreger zurück in die alte Welt. Es war neben der Grausamkeit der Christenmenschen vor allem die Grippe, Masern und die Pocken, die Kolumbus und die Conquistadores mit sich brachten, die die Indianer fast ausrottete. Sie hatten gegenüber den neuen Erkrankungen keine natürliche Immunität ausgebildet, da sie in Amerika isoliert lebten.

An den eingeschleppten Krankheiten, zu denen auch die Pest, Typhus, Mumps oder Diphterie gehörten, sollen in den Jahrzehnten nach der "Entdeckung" um die 90 Prozent der einheimischen Bevölkerung gestorben sein, während in Europa die Pest die Bevölkerung dezimierte. Das hat zu der These geführt, dass die darauf erfolgende Verwaldung zu der Kleinen Eiszeit geführt haben könnte (Das Anthropozän beginnt mit der Eroberung Amerikas).

Aber um 1490 herum kam es auch zum Ausbruch der Syphilis, der "Lustseuche", die man dann mit den aus Amerika zurückkehrenden Eroberern und Händler in Verbindung brachte. Vielleicht drückte auch das schlechte Gewissen und man sah sich einer Rache ausgesetzt - und das auch noch in Verbindung mit Sexualität. Allgemein hat sich im Bewusstsein jedenfalls festgesetzt, dass die Syphilis von den Indianern gekommen sei, obgleich man sie früher auch als die "Französische Krankheit" bezeichnete. Man ließ sie auch anderen Länder zukommen, ähnlich wie dies Donald Trump macht, wenn er vom "China-Virus" spricht. New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo zieht nun gegen Trump zu Felde, indem er Sars-CoV-2 das "Europäische Virus" nennt.

Es gab zwar früher auch schon Vermutungen, dass die Syphilis schon vor dem Kontakt mit den Indianern in Europa und anderswo, vielleicht milder, vorhanden war und aus irgendwelchen Gründen das Bakterium Treponema pallidum zu einem gefährlicheren Erreger mutierte. Neben der Syphilis gibt es auch andere Treponematosen von anderen Unterarten wie Frambösie und Bejel. Frambösie ist eine durch Treponema pertenue verursachte Hauterkrankung, die jetzt in den tropischen Gebieten auftritt, Bejel oder Endemische Syphilis verdankt sich Treponema pallidum ssp. endemica und ist heute in Teilen Afrikas und dem Nahen Osten verbreitet. Beide Infektionskrankheiten werden nicht wie die Syphilis meist durch den sexuellen Kontakt übertragen.

Wie wurde Treponema pallidum scharf?

Jetzt haben Wissenschaftler der Universität Zürich herausgefunden, dass das Bakterium wahrscheinlich schon vor Kolumbus Rückkehr in Europa verbreitet war, also nicht eingeschleppt wurde. In ihrer in Current Biology erschienenen Studie schreiben sie, dass Treponema-pallidum-Genome aus archäologischen Skeletten aus Finnland, Estland und den Niederlanden rekonstruiert werden konnten. Nach Analysen der genetischen Uhr und Radiokarbondatierungen stammen zwei der Genome aus dem frühen 15. Jahrhundert, die beiden anderen sind jünger als 1782.

Die genetische Analyse zeigt, so die Wissenschaftler, dass es bereits eine größere Diversität der Treponema-Bakterien vor Kolumbus gab, und dass damals auch Frambösie noch in Noirdeuropa vorhanden war. Im Skelett aus den Niederlanden fand die Wissenschaftler eine unbekannte Treponema-Linie, die sich neben Syphilis und Frambösie entwickelte, aber heute nicht mehr als Krankheit existiert.

Nach den Analysen hat sich "der Vorgänger aller modernen Unterarten von Treponematosen vor mindestens 2500 Jahren entwickelt. Der letzte gemeinsame Vorfahre aller Syphilis-Stämme datiert auf das 12. bis 16. Jahrhundert." Da im 15. Jahrhundert verschiedene Unterarten wahrscheinlich gleichzeitig zirkulierten, könnten sie auch dieselben menschlichen Wirte befallen und dort Genmaterial ausgetauscht haben, wodurch die Syphilis gefährlicher wurde. Das wiederum könnte auch durch die von Rückkehrern eingeschleppten Treponema-Bakterien begünstigt worden sein.

Demnach brach die Syphilis kaum einzig durch Christoph Kolumbus Amerika-Reisen aus. Die verschiedenen Treponematosen könnten sich zusammen entwickelt haben und vor oder während interkontinentaler Kontakte genetisches Material ausgetauscht haben. Dies wirft neue Fragen über die Entwicklung und Verbreitung dieser Krankheiten auf. Vielleicht müssen wir unsere bestehenden Thesen zu Syphilis und anderen treponemalen Krankheiten revidieren.

Verena Schünemann, Professorin für Paläogenetik am Institut für Medizinische Evolution der Universität Zürich

Möglicherweise ist das auch eine Spur, wie Sars-CoV-2 sich entwickelt hat.

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