"Parents pissed I blocked their IP"

Justin.TV, das öffentliche Leben von Justin Kan

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Big Brother war gestern, heute ist Justin.TV. Das ist der Titel einer Reality-Live-Show, in der seit 19 Tagen rund um die Uhr das Leben von Justin Kan im Netz gezeigt wird. In Echtzeit und aus Justins Perspektive. Der 23-jährige Yale-Absolvent trägt nämlich an seiner Kappe eine kleine Kamera, die die aufgenommenen Bilder mittels mobiler Internetanbindung auf seine Website überträgt. Dort können die Zuschauer das Gesehene kommentieren, diskutieren und Vorschläge machen, was Justin als nächstes unternehmen soll. Übertragen wird wirklich alles, auch Intimes, beispielsweise der Besuch der Toilette, und selbst sein Sexualleben will der Jungunternehmer öffentlich zeigen.

Der Ansturm auf Justin.TV ist allerdings so groß, dass der Server regelmäßig in die Knie geht. Und auch der Live-Chat funktioniert eher schlecht als recht. Die Aufmerksamkeit, die dieses Projekt also genießt, will Justin auch und vor allem geschäftlich nutzen. Finanziert wird dieses Projekt unter anderem durch Sponsoren, darunter sinnigerweise ein Energiegetränke-Hersteller. Zudem hat er zusammen mit zwei Freunden inzwischen eine Firma gegründet, die sich mit mobiler Internetübertragungstechnik beschäftigt. Und man hofft, dass es bald viele Justin.TVs gibt. Also Nachahmer und erhoffte Kunden, die ähnlich wie er live videobloggen.

Dass immer mehr offenbar das Bedürfnis verspüren, ihr Leben öffentlich zu führen oder besser: vorzuführen, zeigt auch der Erfolg von Twitter.com. Eine Netzgemeinschaft, in denen die Teilnehmer protokollartig beschreiben, was sie gerade tun.

anegra84 Never mind Grey's, I'm gonna do my homework. less than 20 seconds ago
deekdeekster @GD do you want an archive of this video? all things are possible with SnapX Pro.. half a minute ago

pingsg_shouts dk99: uzyn: i've unsubscribed to shout twitter. cannot take the amt of sms. :P half a minute ago

QRadio Currently playing We are the Champions by Queen half a minute ago

Das klingt zwar nicht gerade aufregend, spiegelt aber wohl ganz gut das vermeintlich ach so pralle Leben vieler wieder. Auch Justin ist dort natürlich vertreten. Und so erfährt man am vergangenen Freitag, dass er vor ein paar Stunden mit einer gewissen Seeyuen im Bett gewesen ist und die „Happy Hour“ der Firma Technorati besuchen möchte. Und wer sich am Samstagmorgen in seine Live-Übertragung eingeschaltet hat, der konnte Bilder aus einem Klub sehen und in Gesprächsfetzen hören, wie populär Justin mittlerweile geworden ist.

Die Reaktionen der Zuschauer reichen zwar von Kommentaren wie völlig durchgeknallt bis hellauf begeistert. Doch zumindest ein wenig fasziniert sind selbst die meisten Gegner dieser Voyeur-Show. Und nur zwei sind richtig sauer. Justins Eltern, die seine Show nicht mehr sehen können: „Parents pissed I blocked their IP.“ Und seine Begründung lautet: „I imagine that familial dealings would be one of the most difficult aspects of a project like this. It's one thing to expose yourself to the masses, and another to have your life laid bare to your family. I'm pretty open and honest with my mom and dad, but I don't think they really need or want to know everything.“ Irgendwie ist er also doch ein braver Sohn.