Parteiencheck: Wer will was in der Landwirtschaft?
In Sachen Klimaschutz und Artenvielfalt besteht in der Landwirtschaft enormer Handlungsbedarf. Die meisten Parteien werden hier aber wenig konkret
In der Landwirtschaft nehmen Methan- und Lachgas-Emissionen aus Viehhaltung und Düngemitteleinsatz einen Anteil von rund acht Prozent an den deutschen Treibhausgasemissionen ein. Darin sind die Treibhausgase aus den Landnutzungsänderungen noch nicht mit enthalten. Der Anteil der Treibhausgase aus der Industrie liegt mit 7,9 Prozent ähnlich hoch. Doch während deren Emissionen von 1990 bis 2020 um rund 40 Prozent sanken, reduzierten sich die Emissionen aus der Landwirtschaft im selben Zeitraum gerade mal um 21 Prozent. Das heißt, deren prozentualer Anteil an den Gesamtemissionen nimmt seither stetig zu.
Zugleich wird in den intensiviert landwirtschaftlich genutzten Böden weniger Kohlenstoff gebunden, weshalb deren Klimaschutzfunktion deutlich herabgesetzt wird. Und während das Grundwasser durch übermäßigen Düngemitteleinsatz belastet ist, nimmt die Artenvielfalt weiter ab. Wie gehen die Parteien mit diesen Fakten um? Welche Änderungen im Agrarsektor schlagen sie vor?
Das verspricht die SPD
Die Agrarförderung solle so ausgerichtet werden, "dass eine umweltschonende Landwirtschaft im Wettbewerb mithalten kann", erklärt die SPD in ihrem Wahlprogramm. Bis wann und in welchem Umfang dies geschehen soll, bleibt offen. Der Einsatz von Düngern und Pestiziden soll reduziert werden. Bestehende Moore sollen geschützt, trockengelegte Moore wieder vernässt werden.
In der Nutztierhaltung will die Partei eine flächenbezogene Obergrenze einführen und den Antibiotikaeinsatz reduzieren. Die "kleinbäuerliche und agrarökologische Landwirtschaft" soll gefördert werden. Man wolle verhindern, dass der Boden als wichtigstes Gut in der Landwirtschaft Spekulationsobjekt wird.
Mit fairen Preisen für hochwertige Nahrungsmittel will man unfairen Handelspraktiken einen Riegel vorschieben. Ansonsten verspricht die SPD, sich für "anständige Löhne und gute Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in Land- und Fortwirtschaft" einzusetzen. Zu fast allen Punkten fehlen leider konkrete Angaben.
Union sieht sich "an der Seite unserer Bäuerinnen und Bauern"
"Wir stehen an der Seite unserer Bäuerinnen und Bauern" - mit solchen und ähnlichen Sätzen stellen sich CDU und CSU im gemeinsamen Wahlprogramm der Unionsparteien als Fürsprecher aller Bäuerinnen und Bauern dar. Dies gipfelt in der Ansage: "Wir wenden uns strikt gegen ungerechtfertigte Feindseligkeit, pauschale Verurteilungen und Mobbing von Landwirtinnen, Landwirten und deren Kindern." Und auch der Satz "Wir begleiten die Landwirtschaft verlässlich beim ökologischen Wandel" lässt einigen Interpretationsspielraum zu.
Denn welcher Wandel ist hier gemeint? Mit der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sei ein Systemwechsel erfolgt hin zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit, behaupten die Autoren des Programms. Natur- und Klimaschutz werden unter dem Aspekt neuer Einkommensmöglichkeiten für Bauernfamilien abgehandelt. Diese könnten mit Agroforstsystemen, Agri-Photovoltaik, moorverträglicher Landwirtschaft wie Anbau von Torfmoosen und Paludikulturen auf renaturierten Feuchtflächen sowie mit heimischen Eiweißpflanzen Geld verdienen.
Auch hier fehlen konkrete Angaben. Ansonsten wird auf klimaresiliente Ackerbaumethoden gesetzt. Darüber hinaus will die CDU ihre Bauern auch gegen Extremwetter abgesichert wissen. Nicht zuletzt soll die Landwirtschaft jungen Menschen als Ausbildungsberuf schmackhaft gemacht werden. In puncto Tierhaltung wird kurz auf Tierschutz und Tiertransporte eingegangen. Bei der Weidehaltung sieht die CDU vor allem ein Problem in der Gefahr, die vom Wolf ausgeht.
Über Digitalisierung und neue molekularbiologische Züchtungstechnologien könne die Landwirtschaft umweltfreundlicher, wettbewerbsfähiger gestaltet und Ernten stabiler werden, bei weniger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und geringerem Wasserverbrauch. Hier setzt man vor allem auf "Smart Farming". Überhaupt stehen technische Fragen an zentraler Stelle. So soll die "Interoperabilität von Daten der Landmaschinenhersteller übergreifend ermöglicht" werden, damit "Landwirte ihre Prozesse optimieren können."
Grüne: Ökolandbau soll umfangreich gefördert werden
Die Grünen werden in ihrem Wahlprogramm deutlich konkreter. So soll der Verbrauch von Boden in Natur und Landwirtschaft noch lange vor 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag reduziert werden. Das System der Direktzahlungen soll schrittweise durch eine Gemeinwohlprämie abgelöst werden, die Landwirte für ihre Umweltleistungen erhalten sollen.
Die Hälfte aller Mittel aus der Gemeinsamen Agrarpolitik sind bis 2028 an ökologische Zwecke zu binden. Vielfältige Fruchtfolgen und resiliente Anbausysteme werden gestärkt, Stickstoffüberschüsse deutlich verringert. Bis 2030 soll der Ökolandbau auf 30 Prozent angewachsen und der Einsatz von Pestiziden und Antibiotika halbiert werden. Auch gibt es Pläne für ein Renaturierungsprogramm für Moore. Extensive Weidewirtschaft und Paludikultur sollen gestärkt, eine nachhaltige nasse Landwirtschaft auf genutzten Moorböden ermöglicht werden.
Ein "Tierschutz-Cent" auf tierische Produkte soll den Umbau tiergerechter Ställe fördern. Denn im Stall soll die Tierzahl begrenzt werden. Neue Ställe sollen nur nach den Vorgaben der EU-Ökoverordnung genehmigt werden. Um den Tierschutz "wirtschaftlich" zu machen, sollen faire Preise und verpflichtende Haltungskennzeichnungen auf tierischen Produkten den Stallumbau unterstützen. Angestrebt wird eine Flächenbindung mit maximal zwei Großvieheinheiten (GVE) je Hektar. Über eine Abgabe soll die Reduzierung chemischer Pflanzenschutzmittel erreicht werden. Deren Ausbringung ist in Natur- und Trinkwasserschutzgebieten ohnehin komplett verboten.
Die Agrarforschung für eine Ökologisierung der Landwirtschaft soll stark gefördert werden, ebenso die zu ökologischen Züchtungsverfahren, die Züchtung robuster Sorten und ein vielfältiges patentfreies Saatgut. Ziel ist eine vielfältige Kulturlandschaft. Gentechnikfreie Produktion und Wahlfreiheit für Verbraucher sollen durch eine Kennzeichnungspflicht gestärkt werden.
Neben einem gerechten Einkommen für Bäuerinnen und Bauern ist den Grünen laut Wahlprogramm Regionalität bei der Herstellung der Lebensmittel und deren Vermarktung wichtig. Bodenspekulation und der Ausverkauf landwirtschaftlicher Flächen sollen der Vergangenheit angehören. Zu diesem Zweck will man die Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) in eine Bundesstiftung überführen und "vorzugsweise an kleinere Betriebe statt an große Investoren" verpachten.
Die Linke will EU-Agrarpolitik grundlegend reformieren
In der kommenden Förderperiode sollen die Zahlungen konsequent an wissenschaftlich fundierte Umwelt- und Sozialkriterien sowie an den Tierschutz gebunden werden, heißt es im Wahlprogramm der Partei Die Linke, die sich für eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik einsetzt. Auf Exportsubventionen für landwirtschaftliche Produkte will sie verzichten.
Die heimische Produktion von Tierfutter, regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen soll gestärkt werden. Solidarische Landwirtschaft sowie Erzeuger- und Vermarktungsgemeinschaften sind zu unterstützen. Nachhaltige Anbausysteme, die Klima, Böden, Tiere und Pflanzen schützen, sollen gefördert werden, wie zum Beispiel Paludikulturen, Permakultur, Agroforstsysteme und tief wurzelnde Nutzpflanzen.
Bis 2030 sollen 25 Prozent der Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet werden. Bis spätestens 2030 soll der Einsatz von Pestiziden halbiert, Glyphosat und Neonicotinoide sollen verboten werden. Zudem sollen über einen öffentlichen Bodenfonds Ackerflächen vorzugsweise an nachhaltig wirtschaftende, ortsansässige Agrarbetriebe zu fairen Konditionen langfristig verpachtet werden. Junglandwirte und genossenschaftliche Konzepte werden gefördert. In diesem Punkt bezieht sich die Linke ähnlich wie die Grünen auf die BVVG in Ostdeutschland.
Auch die Linkspartei spricht sich für eine Reduzierung der Nutztierbestände mit an Flächen gebundenen Obergrenzen aus. An den Stallumbaukosten will die Partei bisher profitierende Konzerne angemessen beteiligen.
Ähnlich wie die SPD will Die Linke den Aufkauf großer landwirtschaftlicher Betriebe durch agrarfremde Investoren verhindern. Lebendtiertransporte, die länger als vier Stunden dauern, sollen verboten werden, ebenso wie Qualzucht und das Kürzen von Schnäbeln, Hörnern und Schwänzen. Auch das Schreddern von Küken, Anbinde- und Käfighaltung, Kastenstände für Zuchtsauen sowie schmerzhafte Kastrationsmethoden gehören dann der Vergangenheit an. Der Einsatz von Antibiotika bei kranken Tieren soll nach ärztlicher Verschreibung erfolgen. Tierschutzkontrollen sollen verschärft und Verstöße und härter geahndet werden.
AfD will Ausstieg aus der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU
Die Zuständigkeit für die Agrarpolitik solle wieder in die alleinige Verantwortung der Nationalstaaten gelegt werden - denn, so schreibt die AfD: "Deutschland ist der größte Nettoeinzahler in den EU-Haushalt. Landwirte anderer Staaten sollen nicht mit deutschem Steuergeld subventioniert werden." Um bis zur Renationalisierung gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen, die Landschaftspflege zu belohnen und die extensive Nutztierhaltung zu fördern, soll eine bundesweite Weidetierprämie eingeführt werden.
Die Agrarförderung soll die Leistungen kleinerer und mittlerer Familienbetriebe berücksichtigen, die Hofnachfolge vereinfachen. Um die Bauern zu entlasten, sei die Landwirtschaft zu entbürokratisieren. Auch die AfD will den Aufkauf von Flächen durch landwirtschaftsfremde Investoren erschweren. Landwirtschaftliche Existenzgründer sollen von der Grunderwerbsteuer befreit werden. Zudem kritisiert die Partei die neue Düngeverordnung. Diese widerspräche der "guten landwirtschaftlichen Praxis" und gefährde den Anbau von Kulturpflanzen mit hohem Nitratbedarf, wie zum Beispiel Kartoffeln, Getreide und Mais.
Die AfD fordert deshalb eine "Revision der Düngeverordnung, die Aufhebung der pauschalen Reduktion der Düngemengen und eine präzise Ermittlung von Eintragsquellen nach dem Verursacherprinzip." Auch die AfD setzt sich für Nutzung und Handel alter Kultursorten ein, um die Sortenvielfalt für den Verbraucher zu erhöhen. Die fachliche und wissenschaftliche Nutzen- und Risikobewertung von Wirkstoffen sowie der Umgang mit Giftpflanzen und Gentechnik sollen unabhängige Forschungseinrichtungen übernehmen. Artgerechte Haltungssysteme sollen gefördert, die Tierzahl an die Flächengröße gekoppelt werden.
Um Tiertransporte von möglichst kurzer Dauer zu erreichen, soll laut AfD-Wahlprogramm deutschlandweit ein Netz regionaler Schlachtbetriebe entstehen. Bei der Schlachtung müsse die Betäubung ausnahmslos den gesamten Schlachtvorgang andauern. Darüber hinaus fordert die AfD eine Einschränkung der Exporte von lebenden Schlachttieren in Länder mit bekannten Verstößen gegen den Tierschutz. Der Handel, die Bewerbung und die Einfuhr von Fleisch aus tierquälerischer Schlachtung (Schächtung) lehnt die Partei ab.
FDP will "zukunftsorientierte Landwirtschaft, die sich rechnet"
Die FDP will laut ihrem Wahlprogramm die EU-Agrarsubventionen sukzessive abbauen, um Landwirte "unabhängig von Agrarzahlungen" zu machen und "eine zukunftsorientierte Landwirtschaft, die sich rechnet". Ähnlich wie die AfD will die FDP die Bauern von überbordender Bürokratie entlasten. Man will weg von flächenbezogenen Direktzahlungen, hin zu mehr zukunftssichernder Investitionsförderung und Forschung. Ziel sind einheitliche Wettbewerbsstandards in der EU.
Für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse brauche es eine marktwirtschaftliche Preisbildung in der gesamten Wertschöpfungskette vom Acker bis zum Einzelhandel. Zudem setzt sich die Partei für ein einfaches, transparentes, verpflichtendes Tierwohllabel in der gesamten EU und mittelfristig für europaweit einheitliche Tierschutzstandards ein. Fernerhin wird "Angeln als soziales, kulturelles, ökologisch und ökonomisch wertvolles Kulturgut für Deutschland" angepriesen.
Fazit eines Agrarökonomen
Für FDP und AfD spielt der ökologische Umbau der Landwirtschaft eine eher geringe Rolle. Professor Harald Grethe von der Humboldt-Universität Berlin sieht gerade jetzt die Chance zu einer nachhaltigen Umgestaltung der Landwirtschaft. Dazu gehöre eine an den Umweltzielen ausgerichtete Förderpolitik der EU, ein Umbau der Tierhaltung und vieles mehr. Doch in keinem der Wahlprogramme kann der Agrarökonom ein umfassendes Konzept zur Erreichung dieser Ziele erkennen. Dringende Themen wie die Düngepolitik oder Reduzierung des Konsums tierischer Produkte würden kaum bis gar nicht angesprochen. Mit Ausnahme der Grünen blieben die Parteien darüber im Vagen, lautet seine Kritik.
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