Patente auf Leben - Wem gehört die Natur?

Seite 2: Patentierter Reis aus Indien

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Der indische Niembaum kann bis zu 30 Meter hoch und 200 Jahre alt werden. Rinde, Blätter, Früchte und Blüten werden zur Herstellung von Heilmitteln und Biopestiziden genutzt. Ihre Heilwirkung ist in Indien seit über 2000 Jahren bekannt. Neem wird eingesetzt gegen Entzündungen, Fieber, Durchfall, Hauterkrankungen, Parasiten, Wunddesinfektion und zur Zahnpflege. Öle und Samen des Neembaumes finden darüber hinaus auch in der Kosmetik Verwendung.

Papagei ( Psittacula krameri) auf einem Niembaum. Foto: J.M.Garg; Lizenz: CC BY 3.0

Seit 1985 reichten amerikanische, japanische und europäische Firmen rund 90 Patente auf Wirkeigenschaften und Extraktionsverfahren ein. Beim Europäischen Patentamt (EPA) lagen 2004 mindestens 65 Patentanträge vor. Ein Gemeinschaftspatent wurde zwar erfolgreich angefochten, andere Patente jedoch zugelassen. In einer eilends errichteten Fabrik wurden bis zu 20 Tonnen Neem-Früchte am Tag verarbeitet. Das führte dazu, dass die Preise für die Früchte anstiegen, die vorher allen kostenlos zur Verfügung standen.

Die texanische Firma RiceTec ließ sich 1998 eine Reispflanze patentieren, die aus der Kreuzung von amerikanischen mit 22 traditionellen Basmati-Reissorten hervorgegangen war. Das Patent umfasste das Recht, Basmati-Reis anzubauen und zu vermarkten. Damit war das Einkommen tausender Bäuerinnen und Bauern aus Punjab gefährdet, die den Reis über Generationen gezüchtet hatten. Immerhin hatte der Export dem Staat bis dahin rund 277 Millionen Dollar jährlich eingebracht.

Die Regierung ging gegen das Patent vor mit dem Ergebnis, dass von 20 Patentansprüchen vier zurückgezogen wurden. 2003 durfte RiceTec immer noch drei Sorten unter dem Namen "Basmati - american style" verkaufen. Auch hier sind die Reisbauern nicht am Gewinn beteiligt.

Patentierungswahn bei konventionellen Züchtungen

Bisher konnten vor allem Pflanzen patentiert werden, deren Erbgut mit Hilfe gentechnischer Eingriffe auch über Artgrenzen hinweg verändert wurden. Eine derartig modifizierte Pflanze gilt beim EPA als "neue Erfindung". Seit der Patentierung einer Sonnenblume mit verbesserten Ölgehalt sind allerdings auch konventionell gezüchtete Pflanzen vor Patentierungen nicht mehr sicher.

Durch Kreuzung und Selektion gewonnene Pflanzen gelten nach europäischem Patentgesetz als biologische Zuchtverfahren, die nicht patentiert werden dürfen. Doch darum scheint sich das EPA nicht zu kümmern. Zwar sei es verboten, Pflanzen und Tiere aus konventionellen Zuchtverfahren zu patentieren, nicht aber die Produkte daraus, erklärte es im Fall der Sonnenblume.

Das Urteil ebnete den Weg für die Patentierung weiterer konventioneller Züchtungen: So erteilte das EPA im Mai 2013 trotz massiver Proteste ein Patent auf Chili-Pflanzen, welches nicht nur Pflanzen, Saatgut und Früchte, sondern auch das Wachsen und Ernten der Pflanze beansprucht.

Einen Monat später beantragte Monsanto ein Patent auf einen Brokkoli, bei dem der Kopf über die Blätter hinauswächst, so dass das Ernten leichter fällt. Patentiert wurden das Saatgut, die Pflanzen und der Brokkolikopf - und das, obwohl es bereits Brokkolisorten gibt, die den im Patent beschriebenen Pflanzen ähneln. Das Patent beruht somit auf natürlicher Biodiversität sowie auf bereits gezüchteten Pflanzen.

Broccoli. Foto: Toubib; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Auch vor Tieren machen Besitzansprüche nicht halt. Beim so genannten Schweinepatent geht es um ein Verfahren, mit dem Schweine auf eine Genvariante hin untersucht werden können. Die ausgewählten Tiere eignen sich besonders gut für die Zucht, weil sie schneller wachsen und mehr Fleisch produzieren.

Das Patent, welches die US-Firma Newsham Choice Genetics im Sommer 2008 erhielt, erstreckt sich auf die Züchtungsverfahren sowie auf die Schweine und deren Nachkommen. Aber auch Monsanto ist an einem Monopol auf die Erbanlagen von Schweinen interessiert. Auf Grund heftiger Proteste von Bauern- und Umweltverbänden wurde dieses Patent zwar zurückgezogen. Doch beim Patentamt stapeln sich bereits weitere Anträge zur Patentierung auf Nutztiere bis hin zu Milch und Fleisch.

Droht uns eine schleichende Monopolisierung unserer Lebensmittel? Viele Landwirte sehen durch Lizenzen, die sie für patentierte Pflanzen oder Tiere zu zahlen haben, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit gefährdet. So protestieren neben dem Deutschen Bauernverband auch kirchliche Institutionen gegen Patente auf Leben. Sie fragen, ob man Lebewesen als Bestandteil der Schöpfung überhaupt patentieren darf. Schließlich brachte die Erde die Vielfalt an Pflanzen und Tieren hervor, lange bevor es Patentämter und Unternehmen gab. Die Natur gehört schließlich uns allen.

Im Rahmen einer Unterschriften-Kampagne legten Initiativen wie Kein Patent auf Leben und No patents on Seeds, gegen das Brokkoli-Patent Widerspruch ein. Um den Patentierungswahnsinn zu stoppen, wird weiterhin massiver Protest nötig sein.

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