Patentierung von ganzen Lebewesen?

Schon liegen dem Europäischen Patentamt Anträge auf das gesamte Genom von Organismen vor.

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Noch ist im Europäischen Patentübereinkommen nach den Artikeln 53 a und b die Patentierung von "Pflanzensorten und Tierarten sowie für im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pfalnzen und Tieren" verboten, aber eine neue Richtlinie, über die man sich gestern in zweiter Lesung im Eurpäischen Parlament geeinigt hat, sieht vor, nicht nur Zellen oder Gene, sondern auch ganze Organismen als patentierbar einzustufen, auch wenn das Klonen von Menschen und der Eingriff in die menschliche Keimbahn weiter verboten bleibt.

Schon 1980 gelang mit "Chakrabarty" der erste Durchbruch in den USA. Der Oberste Gerichtshof entschied, daß nicht nur der Prozeß der Herstellung, sondern auch das gesamte ölabbauende Bakterium patentiert werden könne. Seitdem gab es eine Flut von weltweit verliehenen Patenten auf Organismen und alle möglichen Bestandteile von Lebewesen. Beispiele dafür sind die transgene Krebsmaus oder die Patentierung einer menschlichen Zellreihe. Am Europäischen Patentamt sind bereits über 2000 Patente über Abschnitte der menschlichen Erbsubstanz beantragt worden, 300 wurden bereits bewilligt.

Schwierig war bislang bei der Patentierung die Grenzziehung zwischen Erfindung und Entdeckung, denn ein ganzer Organismus, der nicht gezielt verändert wurde, läßt sich schlecht als Erfindung oder als neu bezeichnen. Rechtssicherheit will das Europäische Parlament angeblich mit der neuen Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen schaffen - und eine amerikanische Bio-Tech-Firma hat schon einmal sicherheitshalber Patentanträge für das Genom verschiedener Bakterien an das Europäische Patentamt mit Sitz in München gestellt.

Die Firma Human Genom Sciences hofft mit den Patentantrag, sich als erste die gesamte genetische Sequenz von Bakterien als Eigentum zu sichern. Darunter befindet sich auch ein Erreger von Meningitis. Würde der Firma das Patent auf das gesamte Genom zugesprochen werden, hätte sie das Recht, von jedem Lizenzgebühren zu verlangen, der etwa einen Impfstoff gegen Meningitis entwickeln will, was die Kosten der Forschung in die Höhe treiben würde oder eine solche womöglich ganz verhindern könnte.

Ist der Damm aber erst einmal durchbrochen, wird es eine goldrauschähnliche Jagd auf alle möglichen Organismen geben, deren Genom man sequenziert und sich als Eigentum zusprechen läßt. Auch bislang waren natürlich Tiere oder Pflanzen Eigentum von Menschen, aber mit dem Eigentum am gesamten Genom würde man prinzipiell auch die "Rechte" an allen existierenden und künftigen Generationen bestimmter Lebewesen erlangen. Wer dann bloß noch züchten will, könnte möglicherweise schon vor das Gericht gezerrt werden. Auch die neue Richtlinie zum Copyright über das Leben ist ein Ausdruck der vielgepriesenen Wissensgesellschaft, die vielmehr eine Gesellschaft ist, in der alles und jedes kommerzialisiert werden soll.