Peggy Parnass wird Ehrenmitglied im PEN-Zentrum
Bekannt wurde sie durch Gerichtsreportagen in unverwechselbarem Stil. Die Schriftstellervereinigung würdigt auch ihr antifaschistisches Engagement
Das PEN-Zentrum Deutschland hat ein neues Ehrenmitglied ernannt und damit auch eine schreibende Zeitzeugin der bundesdeutschen Justizgeschichte aufgenommen: Mit Peggy Parnass ehrt die Schriftstellervereinigung "eine Frau, die sich zeitlebens mutig und unbeirrt für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt und gegen jede Form von Faschismus und Unterdrückung gekämpft hat, trotz nunmehr jahrzehntelanger, oft offen antisemitischer Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen", erklärte PEN-Präsidentin Regula Venske am Dienstag.
Als Journalistin war Peggy Parnass vor rund 50 Jahren einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden, nachdem sie bereits als Sprachlehrerin, Dolmetscherin und Schauspielerin ihren Lebensunterhalt verdient hatte.
Sie schrieb Gerichtsreportagen für das linke Politmagazin konkret, auch wenn es um vordergründig "unpolitische" Kriminalfälle ging, für die sich sonst vor allem Boulevard-Journalisten interessierten. Peggy Parnass, die beide Eltern durch den Holocaust verloren hatte, hielt es oft schlecht aus, wenn Angeklagte vorgeführt und angestarrt wurden - noch dazu in den 1970er Jahren, als in Westdeutschland noch zahlreiche Altnazis unter Richtern und Staatsanwälten zu finden waren. Nichts konnte in den Augen dieser Frau wirklich unpolitisch sein - und sie schaffte es in all diesen Fällen, die gesellschaftliche Dimension in unverwechselbarem Stil herauszuarbeiten.
"Die ganzen Jahre ging ich fast nie an einer Anklagebank vorbei zur Pressebank, ohne das Gefühl zu haben: reiner Zufall, dass ich nicht dort sitze", war ihr Fazit zu ihrem Sammelband "Prozesse", der in erster Auflage 1978 erschien. Nur sehr wenige der mehr als 500 Prozesse, die sie besuchte, richteten sich gegen Täter des Naziregimes. Der vermutlich alkoholkranke Serienmörder Fritz Honka, der trotz seiner schmächtigen Gestalt vier Frauen - darunter eine KZ-Überlebende - getötet und zerstückelt hatte, war in ihren Augen "das ärmste aller Würstchen".
Auf der Seite der Schwächeren
Als Jüdin versteht sie sich aufgrund der lebenslangen Prägung durch die Verfolgungsgeschichte, obwohl sie nicht gläubig ist. Allerdings setzt sie sich immer und überall für Schwächere ein: "Wenn ich in Israel war, fühlte ich mich als Palästinenserin - weil es den Palästinensern so unglaublich viel schlechter geht", sagte sie 2017 der Jüdischen Allgemeinen.
In Medienberichten und dem Internet kursieren unterschiedliche Angaben über ihr Geburtsjahr, das wohl zwischen 1927 und 1934 liegt. Sie selbst macht dazu keine genaueren Angaben, soll aber im Oktober 2018 auf Gratulationen zu ihrem mutmaßlich 90. Geburtstag nicht beleidigt reagiert haben.
Ihre Sprachkenntnisse ernährten sie als Jugendliche und junge Erwachsene, weit gereist war sie aber zunächst unfreiwillig und aus der Not heraus: 1939 hatten ihre Eltern sie und ihren Bruder Gady mit einem Kindertransport nach Stockholm geschickt, wo sie in mehreren Pflegefamilien lebten. Das Kriegsende verbrachte sie bei einem Onkel in London, der sich als einziges Familienmitglied seiner Generation durch Flucht gerettet hatte. Beide Eltern von Peggy Parnass wurden im Vernichtungslager Treblinka ermordet.
"Dass Peggy Parnass trotz ihrer Lebens- und Familiengeschichte in ihre Geburtsstadt Hamburg zurückkehrte, sich nach wie vor ins öffentliche Leben einmischt und ihre Stimme erhebt, empfinde ich als großes Geschenk", sagte die PEN-Präsidentin Venske.
Ihre autobiografischen Bücher "Süchtig nach Leben" und "Kindheit: wie unsere Mutter uns vor den Nazis rettete" dokumentierten ein Leben während des deutschen Faschismus und in der Bundesrepublik. Zugleich seien sie leidenschaftliche Plädoyers für eine gerechtere Gesellschaft und Liebeserklärungen an das Leben.