Pegida in der Verdunkelungsfalle
Die Proteste gegen Pegida wachsen bundesweit an. In Köln und Berlin knipste man den Islamfeinden das Licht aus, während die AfD deren Nähe sucht
Die Mahnung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache, wonach die Bürger den Demonstrationen der Pegida fern bleiben sollten, hat in einem gewissen Sinne eher antiproportional gewirkt. Am Montagabend demonstrierten in verschiedenen Städten zwar wieder tausende Menschen unter dem Label der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", allerdings wuchs ebenso der Widerstand gegen die Islamfeinde stark an. In Köln und Berlin demonstrierten tausende Menschen gegen die lokalen Ableger "Kögida" und "Bärgida" und stoppten die angebräunten Aufmärsche.
In Köln wurde die Außenbeleuchtung am Dom, an anderen bekannten und öffentlichen Gebäuden sowie an den Rheinbrücken aus Protest ausgeschaltet. Man wolle den Pegida-Demonstranten keine Bühne oder hell erleuchteten Kulissen bieten, hieß es zur Begründung. Wie schon in den vergangenen Wochen in Düsseldorf und Bonn blieben die rund 350 Pegida-Gänger eine Minderheit, der eine Übermacht an Gegendemonstranten gegenüberstand. "Kögida" konnte deswegen nur eine stationäre Kundgebung abhalten, anstatt wie vorgesehen von Deutz aus über den Rhein zum Dom zu marschieren.
Vorangegangen war allerdings eine Spaltung, denn der AfD-Mann und Mitorganisator der Pegida-Aktionen in Nordrhein-Westfalen, Alexander Heumann, hatte sich zuvor von Teilen der anderen Aktivisten in NRW distanziert. Offenbar störte sich der Düsseldorfer Anwalt, der in Hannover auf einer Versammlung der "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) als Redner auftrat und der zuvor mit seinen aus dem extrem rechten Lager stammenden Mitorganisatoren kooperierte (Partei in Bewegung), eher überraschend an deren Biografien, Aussagen und Parteiämtern, unter anderem bei der rechtsradikalen Splitterpartei "Pro NRW". Gerade die vorangegangenen drei Kundgebungen von "Dügida" in Düsseldorf und "Bogida" in Bonn waren allerdings besonders stark durch Hooligans, Fremdenfeinde und Neonazis mit geprägt worden.
Auch zum Kölner "Spaziergang" am 5. Januar hatten Gliederungen der HoGeSa, von "Pro NRW", "Die Republikaner", der neonazistischen Minipartei "Die Rechte" und der NPD eifrig mit mobilisiert, Mitglieder und Sympathisanten waren am Montagabend daher wieder vor Ort. Dafür, dass die Kirchen in Deutschland die Pegida-Bewegung scharf kritisiert und zu Protesten aufgerufen haben, verbreitete in einem HoGeSa-Forum ein offenbar aus dem Rheinland stammender Nutzer seine ganz eigene Sicht über das christliche Abendland, indem er pöbelte, das "ganze Pfaffennatterngezücht ist darauf erpicht mehr Asylanten ins Land zu holen, weil sie sich als Teil der Asylindustrie daran NE goldene Nase verdienen".
In Dresden gingen am Montagabend mindestens 18.000 Vertreter der Pegida auf die Straße, sein Kommen angekündigt hatte auch der Gründer der Anti-Islam-Bewegung "English Defense League" (EDL), Tommy Robinson. Zudem reisten abermals Menschen aus Ost- und Süddeutschland an, als Hauptredner fungierte der umstrittene Journalist und Buchautor Udo Ulfkotte. Für Aufsehen hatte im Vorfeld eine Meldung des Satireportals "Der Postillion" gesorgt, wonach kurzerhand die Demonstration abgesagt worden sei. Eine Art von Humor, die mancher Pegida-Anhänger offenkundig nicht als Beitrag der Spaßfraktion wahrnehmen konnte oder wollte, sondern als perfiden Propagandafeldzug der verhassten "Lügenpresse" einstufte.
Insgesamt vielleicht 5.000 Menschen sollen am Abend in Dresden mit verschiedenen Aktionen gegen die Pegida demonstriert haben. Obschon in Münster keine Versammlung der islamfeindlichen Bewegung stattfand, demonstrierten dort bis zu 8.000 Menschen für Gleichheit, Freiheit, Vielfalt und Toleranz. In Rostock sollen 800 Menschen gegen den lokalen Ableger "Rogida" demonstriert haben, der jedoch erst kommende Woche öffentlich auftreten will.
In Berlin stoppten rund 5.000 Menschen die auf 300 Menschen geschätzten "Bärgida"-Demonstranten, darunter auch Neonazis und Rechtsradikale. Ähnlich wie in Köln schaltete in der Bundeshauptstadt der Senat aus Solidarität mit den Gegendemonstranten an Brandenburger Tor und Siegessäule das Licht aus. In München gingen rund 1.500 Menschen gegen 60 Anhänger von "Mügida" auf die Straße.
In Würzburg demonstrierten laut Polizei rund 1.400 Menschen gegen 300 "Pegida"-Anhänger. Auch in anderen deutschen Städten waren am Abend Proteste unter dem Motto "Tolerante Europäer gegen die Idiotisierung des Abendlandes" (Tegida) geplant, in Hamburg demonstrierten etwa 4.000 Menschen und in Stuttgart 5.000 (Polizeiangaben) bis 8.000 Menschen gegen die islamfeindlichen Demonstrationen in Dresden und andernorts.
"Wenn wir Terror haben wollen, machen wir ihn selber"
Nach der Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin hatte die Alternative für Deutschland (AfD) die Anti-Islam-Bewegung gegen die Kritik in Schutz genommen. "Sie verurteilt Menschen von oben herab, die sie gar nicht kennt", sagte der AfD-Fraktionsvorsitzende im Brandenburger Landtag, Alexander Gauland. AfD-Chef Bernd Lucke befand, die Bundeskanzlerin "stempelt die Menschen als fremdenfeindlich ab, ohne ihnen Gehör schenken zu wollen." Es verwundert daher wohl kaum, dass die sächsische AfD-Chefin Frauke Petry für Mittwochabend die Pegida-Führung in den Landtag zu einem Besuch bei der AfD-Fraktion eingeladen hat.
Damit macht Petry wohl besonders dem deutlich rechts stehenden Parteiflügel ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk. Die AfD indes könnte sich so weiter stark dem "völkischen Lager" annähern. Ob die Partei künftig ebenso wie Pegida im Falle von Negativberichterstattung - beispielsweise über möglicherweise fremdenfeindliche Angriffe durch mutmaßliche Pegida-Sympathisanten und -Hooligans- auch gegen die "Lügenpresse" poltert, dürfte sich noch zeigen. Zimperlich geht es, so berichtete der Kollege Olaf Sundermeyer, bei den Islamfeinden jedenfalls nicht zu, wenn ein Ordner zu einem Journalisten sagt: "Verpiss dich, du Judenschwein, sonst machen wir dich platt!" Sundermeyer zitiert zudem aus einer an ihn selbst adressierten Hassmail, wonach man ihm "ISIS-mäßig die Kehle durchzuschneiden" werde.
Trotz etwaiger neuer Flügelkämpfe haben auch die "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) einen ihrer ursprünglichen Pläne, erst wieder im Februar öffentlich aktiv werden zu wollen (Volksaufstand der wutbürgerlichen Unanständigkeit?), gekippt. Sie planen Mitte Januar einen Aufmarsch in Essen mit 2.000 bis 4.000 Teilnehmern und werben dafür mit markigen Worten: "Wir lassen hier in Deutschland nicht zu, dass wir von den [Salafisten] terrorisiert werden. Wenn wir Terror haben wollen, machen wir ihn selber." Die Polizei prüft, ob und wie diese Kundgebung stattfinden kann.