Peking sinkt tiefer in den Schlamassel Pakistan
Chinesische Arbeiter verprügeln ihre Aufpasser - dieser erneute Eklat chinesischer Staatsbürger in Pakistan, spielt allen in die Hände, die Pekings Treiben in der Region für das einer Kolonialmacht halten - dabei kann nur China Pakistan noch helfen
In den pakistanischen Medien laufen derzeit Bilder, die zeigen, wie chinesische Ingenieure und Straßenarbeiter in der pakistanischen Provinz Punjab Polizisten verprügeln, die zu ihrem Schutz abgestellt waren - der Grund scheint jedoch eher Lagerkoller als koloniales Gehabe. Nach Angaben der örtlichen Polizei begann alles, als die etwa 30 chinesischen Arbeiter nach Feierabend ihr Lager an der Autobahn zwischen den Städten Bahawalpur und Faisalabad verlassen wollten, ohne ihren Geleitschutz mitzunehmen. Als die pakistanischen Polizisten sie aufhalten wollten, griffen die chinesischen Arbeiter sie an. Auf mehreren Handymitschnitten ist zu sehen, dass sich die vorwiegend in Zivil gekleideten Aufpasser merklich zurückhielten, die chinesischen Arbeiter aber trotzdem weitere Prügelattacken starteten.
Anfang April war in der südlichen Hafenmetropole Karatschi ein 46-jähriger chinesischer Geschäftsmann in seinem parkenden Auto gezielt erschossen worden - er war ohne seinen pakistanischen Begleitschutz unterwegs (vgl. Tote Chinesen in Pakistan. Darauf war erneut der Polizeischutz für die mindestens 10.000 chinesischen Staatsbürger erhöht worden, die in Pakistan an der neuen Seidenstraße arbeiten.
Auch die beiden letzten Ausländer, die in Pakistan ermordet wurden, waren Chinesen. Anfang Februar 2017 wurden die beiden Ingenieure im südwestlich gelegenen Quetta in Belutschistan angeblich vom IS entführt und kurz darauf umgebracht. So erklärt sich, dass die pakistanischen Polizisten dieses Mal ihren Schutzbefohlenen konsequent untersagten, alleine loszuziehen.
In der Region Punjab sind die Temperaturen schon jetzt nahe an der 40-Grad-Celsius-Grenze und die chinesischen Arbeiter teils für Monate in bescheidenen Unterkünften oder Zelten untergebracht. Auch an Unterhaltung herrscht in den oft abgelegenen Baustellen im moslemischen Pakistan Mangel. Einzig leere Alkoholflaschen in der Nähe chinesischer Arbeiterlager im ganzen Land zeugen von einer der wenigen Abwechslungen für die Gäste im kulturell fremden Land - in einigen Regionen ist sogar ein reger Alkoholhandel mit der lokalen Bevölkerung entstanden.
Auch Chinesen sind nur Menschen, die nicht alles ertragen, bloß weil ihre Volkspartei sich das vor etwa 20 Jahren so schön am Reißbrett ausgemalt hat: Ein 2500 Kilometer langer Korridor durch Pakistan mit Straßen und Pipelines vom nördlichen Kunjerab-Pass bis zum Hafen am arabischen Meer, wo Peking in Gwadar mit Milliarden von Dollar zügig einen Tiefseehafen baute. Dazu sollen in ganz Pakistan kleine chinesische Staaten im Staate mit chinesischen Unternehmungen entstehen.
Natürlich sollte auch der pakistanische Partner vom chinesischen Engagement profitieren: Kraftwerke und neue Straßen entstehen am Rande des Korridors Seidenstraße, die der Gastgeber mit chinesischen Krediten bezahlt. Die (korrupten) pakistanischen Politiker waren einfach zu überzeugen, die für Pakistan unvorteilhaften Verträge zu unterschreiben (vgl. China kauft Pakistan).
Billiger wurde der Kauf für Peking, weil es sich Pakistan mit der westlichen Welt verdorben hatte, da die pakistanische Armee es nicht lassen konnte, die afghanischen Taliban in Afghanistan zu unterstützen und pakistanische Extremisten in den von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs zu entsenden. Doch bei diesem Spiel der pakistanischen Armee beginnen die ersten Probleme in den Plänen Pekings:
Zwar haben sie sich im Gegensatz zum Westen nie zu öffentlicher Kritik gegenüber Pakistan hinreißen lassen, was jedoch nichts daran ändert, dass auch Chinesen in Pakistan zur Zielscheibe von Dschihadisten und Widerstandsgruppen geworden sind. Ganz einfach, weil diese wissen, dass sie mit Anschlägen auf Chinesen den pakistanischen Staat schaden können.
Die korrupten Verantwortlichen Pakistans haben sich in den 70 Jahren seit Bestehen des Landes viele Feinde im eigenen Land gemacht - schon 1971 verloren sie Ost-Pakistan, weil sie die bengalischen Pakistaner wie Menschen zweiter Klasse behandelten. Seit knapp 40 Jahren führen die Verantwortlichen dazu einen Unterdrückungskrieg gegen die Bevölkerung Belutschistans, der flächenmäßig größten Provinz des Landes.
Die grenznahen Gebiete zu Afghanistan, die sogenannten FATA (Federally Administered Tribal Areas), werden bis heute noch wie zu britischen Kolonialzeiten von einem politischen Gesandten aus der Hauptstadt Islamabad regiert. Dazu hat die pakistanische Armee auch diese Gebiete benutzt, um islamische Extremisten zu verstecken und auszubilden, um in Afghanistan ein pakistanfreundliches Regime an die Macht zu bringen.
Doch in den Stammesgebieten der FATA entsteht momentan ebenfalls eine Bewegung, die sich gegen die Willkür der Machthaber in Islamabad auflehnt. Die Menschen der nördlichsten Provinz Pakistans, Gilgit-Baltistan, wollen auch endlich alle Bürgerrechte erhalten. Doch aus reinem Wunschdenken weigern sich die Verantwortlichen, die umstrittene Region, die Teil des Kaschmirkonflikts ist, als vollwertige Provinz des Landes anzuerkennen. Denn würde dies passieren, würde Pakistan im gleichen Augenblick akzeptieren, dass der von Indien verwaltete Teil Kaschmirs zu Indien gehört (vgl. Die Lösung des Kaschmirkonflikts liegt in Gilgit-Baltistan).
Pakistans ist völlig heruntergewirtschaftet - selbst die Exporte in die heimliche sechste Provinz des Landes, nach Afghanistan, sind eingebrochen, seitdem die pakistanischen Generäle die afghanischen Flüchtlinge in Pakistan als Druckmittel gegen Kabul verwenden. Dafür hat sich die Bevölkerung Pakistans seit 1947 auf 210 Millionen versiebenfacht. Dabei ist das Land trotz der größten Schmelzwasservorkommen der Erde (außerhalb der Polarzone), das mit den drittgrößten Wasserproblemen der Erde. Jedes Jahr sterben alleine 250.000 Kleinkinder an den Folgen von verdrecktem Trinkwasser. Die gleiche Anzahl an Drogenmissbrauch. Dazu fordern Luftverschmutzung und gepanschte Nahrungsmittel Hunderttausende Menschenleben.
Die jahrelange Unterstützung der Religiösen zum Machterhalt hat dazu geführt, dass sich das Land immer mehr islamisiert hat. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass dies schon 1979 begann: Damals wurden mit amerikanischen und saudischen Dollars knapp 30.000 Islamschulen hochgezogen, um in ihnen religiöse Fanatiker zu züchten, die in den Dschihad gegen die "ungläubigen" Sowjet-Soldaten in Afghanistan geschickt werden konnten - der Grundstein für die unfreiwillige Erschaffung der Taliban und al-Qaida.
Auch nur annähernd so etwas hatte Peking nie im Sinn - höchstens den pakistanischen Politikern und Generälen kann koloniales Verhalten vorgeworfen werden. Peking agiert in Pakistan mit rein wirtschaftlichen Mitteln, um natürlich auch strategische Vorteile zu erzielen. Doch die Probleme in Pakistan sind zu groß und tiefliegend, dass alleine wirtschaftliche Raffinessen zum Erfolg führen können. Wenn Peking endlich anfängt, einen Plan zu erarbeiten, wie die Chinesen die Herzen der pakistanischen Bevölkerung gewinnen und schnellstmöglich helfen, dass es dieser in allen Bereichen spürbar besser geht, könnte China in der Region Großes vollbringen. Aber das würde erst einmal viel eigenes Geld kosten, nicht nur Kredite.
China ist es außerdem als einzigem Akteur zuzutrauen, erfolgreich im Konflikt zwischen Delhi und Islamabad zu vermitteln.
Der jüngste Angriff von chinesischen Arbeitern auf ihre pakistanischen Beschützer war nicht der erste. Dass sich die Polizisten kaum zur Wehr setzten, hatte nicht nur damit zu tun, dass sie befürchteten, von ihren Vorgesetzten bestraft zu werden - im aktuellen Fall im Punjab wurden keine chinesischen Arbeiter verhaftet, sondern 9 Polizisten suspendiert. Das Gastrecht ist in der pakistanischen Kultur ein hohes Gut, was auch beinhaltet, dem Gast Fehler zu verzeihen. Doch sollte China dies nicht für einen Dauerzustand halten. Pakistan ist ein raues, hartes Land, mit überwiegend, bescheidenen Menschen, die Leiden gewohnt sind. Bis jetzt sind es "nur" Extremisten und Widerständler, die Chinesen zum Ziel haben. Doch wenn sich auch noch große Teile der Bevölkerung gegen die chinesischen Gäste wendet, wird Peking schnell tief im Schlamassel Pakistan stecken - das wird dann richtig teuer.