Pentagon: Geforderte Mini-Nukes nicht als Antwort auf einen Cyberangriff
Im neuen Nuclear Posture Review fordert das Pentagon mehr Atomwaffen mit geringer Sprengkraft und droht den Einsatz von Atomwaffen auch bei einem Angriff mit "nicht-nuklearen Waffen"
Am 2. Februar wird der neue Nuclear Posture Review (NPR) erscheinen, in dem das Pentagon unter der Präsidentschaft von Donald Trump die Atomwaffenstrategie der USA formuliert. Vor kurzem wurde eine vorläufige Version bekannt. Neu ist vor allem, dass das Pentagon über mehr taktische Atomwaffen mit geringer Sprengkraft und eine atomare Langstreckenrakete verfügen will, die von einem U-Boot abgefeuert wird. Zudem wird der Einsatz von Atomwaffen auch als Reaktion auf einen größeren Angriff mit nicht-nuklearen Waffen angedroht.
Offenbar hatte es darüber einige Aufregung gegeben. So wurde spekuliert, dass auch als Vergeltung auf einen Cyberangriff mit taktischen Atomwaffen zurückgeschlagen werden könnte. Gestern versicherte der Luftwaffengeneral Paul Selva, Vizevorsitzender der Joint Chiefs of Staff, es sei nicht wahr, wenn Menschen behaupten, "dass wir diese taktischen Atomwaffen haben wollen, um auf einen Cyberangriff zu reagieren, weil wir so schlecht bei der Cybersicherheit seien". Es heiße lediglich, dass die US-Streitkräfte ihr Recht wahren, Atomwaffen einzusetzen, "wenn unsere nationalen Interessen, unsere Bevölkerung oder Infrastruktur mit bedeutsamen Folgen angegriffen werden".
Das sei keine Änderung zu früheren Strategien - "Wir haben niemals von Cyber gesprochen" - , neu sei nur die Verdeutlichung durch Hinzufügung eines Satzes, dass ein solcher Angriff auch nicht-nukleare Schläge etwa auf die strategischen Kommando- und Warnsysteme der USA oder ihrer Alliierten einschließe. Das ist wohl vor allem als Warnung an Nordkorea intendiert, das schon einmal Raketen bis kurz vor Guam und über Japan fliegen ließ.
Schon der erste NPR im Jahr 2001 unter der Präsidentschaft von George W. Bush forderte die weitere Entwicklung von taktischen Atomwaffen oder Mini-Nukes (Eine Kombination aus nuklearen und nicht-nuklearen Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten). Angedacht wurde ein begrenzter Einsatz von Nuklearwaffen und die Entwicklung von Waffen mit kleineren Nuklearsprengköpfen, um unterirdische Bunker zu zerstören oder "Kollateralschaden" zu vermindern.
Begonnen wurde mit dem Bau kleinerer Atomwaffen zur Zerstörung unterirdischer Ziele allerdings schon in den 1990er Jahren, Ergebnis war das der "Bunker Buster" B61-11, eine Wasserstoffbombe mit einer Hülle aus abgereichertem Uran. Wie andere B61-Bomben waren das auch bereits Mini-Nukes, weil sie mit unterschiedlicher Sprengkraft von 0,3 bis 320 Kilotonnen ausgestattet werden können (Mini-Nukes gegen Schurkenstaaten). Angeblich das erste Mal auf die Penetrationswirkung gegen ein Betonziel getestet wurden B61-11 ohne atomaren Sprengkopf 2014. In Entwicklung sind Atombomben des Typs B61-12. Mini-Nukes des Typs B61 sind übrigens in Europa, auch in Deutschland, im Rahmen der "nuklearen Teilhabe" gelagert.
Zur Forderung nach neuen Mini-Nukes erklärte Selva, man brauche diese als Abschreckung von begrenzten Angriffen. Sie seien eine Option für die Regierung, "unsere Gegner davon abzuhalten zu denken, dass sie uns übervorteilen können". Die geforderte Flexibilität beim Einsatz von Atomwaffen sei aber auch nichts Neues, versuchte Selva die Kritiker zu beruhigen, die fürchten, dass Mini-Nukes die Schwelle zum Atomkrieg absenken.
Man habe Atomwaffen mit geringer Sprengkraft schon seit Jahrzehnten, sagte er richtig, daher bedeute dies nicht an sich, dass die Schwelle abgesenkt werde. Aber man müsse jetzt die Schwelle für potentielle Gegner wie Russland erhöhen, das Tausende solcher Waffen besitze und möglicherweise überlege, sie einzusetzen. Es gehe dabei nicht nur um Abschreckung, sondern auch um die Identifizierung weiterer Gegner, die ähnliche Waffen besitzen. Es sei aber nicht geplant, neue Sprengköpfe zu entwickeln.
Auch mit der geplanten Modernisierung des nuklearen Arsenals würde es insgesamt nur "bescheidene Verbesserungen" geben, während die atomaren Kapazitäten der Russen und Chinesen gegenüber denen der USA besser würden. Überdies müssten die USA ihre Überlegenheit bei der Entwicklung von Hyperschallraketen oder -drohnen sichern. China würde in deren Entwicklung "Hunderte von Milliarden" stecken.
Schon seit Jahren, vor allem seit Beginn der Installation des amerikanischen Raketenabwehrschilds, sind Russland, China und die USA auch im Hinblick auf die Atomwaffen wieder in einen Rüstungswettlauf eingetreten. China hatte sich im Kalten Krieg noch nicht intensiv beteiligt. Man schätzt, dass das Land über etwa 270 Atombomben verfügt, die USA haben 6800 und Russland 7000.