Pentagon will weiter aufrüsten
Mit Verweis auf die erfolgreichen Kriege in Afghanistan und im Irak will US-Verteidigungsminister Rumsfeld 380 Milliarden US-Dollar für 2004, um die Streitkräfte für die neuen Bedrohungen fit zu machen
Das Pentagon verweist auf die erfolgreichen Kriege in Afghanistan und im Irak, um seinen geplanten Haushalt von 380 Milliarden Dollar für 2004 durch den Kongress zu bringen. Dazu kommen weitere 19 Milliarden für die Atomwaffen, vom Energieministerium betreut werden. Das brauche man, so Verteidigungsminister Rumsfeld, um "den Bedrohungen, die dieses gefährliche neue Jahrhundert stellt und die oft ohne Warnung kommen, zu begegnen". Das Budget, das den Rekordrüstungshaushalt vom letzten Jahr um 15 Milliarden überschreitet (Milliarden-Budget für Bush und Rumsfeld), reflektiere das erste Mal in vollem Umfang die neuen Strategien und die Lehren aus dem "globalen Krieg gegen den Terror". Für das Haushaltsjahr 2009 geht man im Pentagon von über 500 Milliarden Dollar aus. Das ergäbe für die nächsten sechs Jahre eine Summe von 2,7 Billionen US-Dollar für die Rüstung!
Das Pentagon verspürt nach dem schnellen Sieg im Irak Aufwind. Nicht dem brüchigen Herrschaftssystem des Diktators und dessen maroder Armee sei der spektakuläre Erfolg zu verdanken, sondern natürlich der richtigen Strategie und der guten Bewaffnung. Rumsfeld klopft sich auch selbst auf die Brust, wenn er sagt, dass die Leistung der Streitkräfte im Irak in die Geschichtsbücher eingehen werde. Flexibilität, Leichtigkeit und Beweglichkeit sind die primären Prinzipien, die Rumsfeld auf den Weg zur Transformation der Streitkräfte umsetzen will. Diese Transformation der Kapazitäten, für die alleine 2004 24 Milliarden und für die nächsten 6 Jahre 240 Milliarden US-Dollar vorgesehen sind, wird von Rumsfeld wohl auch als sein Hauptwerk verstanden, mit dem er sich in die Geschichte eintragen will:
"Wir führen die erste Kriege des 21. Jahrhunderts mit einem Verteidigungsministerium, das zur Bewältigung der Aufgaben von der Mitte des 20. Jahrhunderts geschaffen wurde. Wir haben eine Organisation des Industriezeitalters, aber wir leben in der Welt des Informationszeitalters, in der neue Bedrohungen plötzlich entstehen, die uns ohne Warnung überraschen. Wir können es uns nicht leisten, nicht schnell Veränderungen vorzunehmen, wenn wir darauf hoffen, in dieser neuen Welt erfolgreich zu leben."
Im Irak-Krieg, den Rumsfeld zusammen mit dem Afghanistan-Krieg zumindest für seinen Haushalt als paradigmatisch für die militärischen Konflikte des neuen Jahrhunderts präsentieren will, habe man einiges gelernt. Der erste Punkt, den Rumsfeld anführt, ist allerdings keineswegs neu: "Speed matters." Früher hätte man das Blitzkrieg genannt. Weil die amerikanischen Truppen innerhalb von Wochen durch den Südirak Richtung Bagdad vormarschiert seien, habe der Feind keine "kohärente Verteidigung" aufbauen, keine Massenvernichtungswaffen einsetzen, Ölquellen anzünden oder andere Infrastruktur zerstören können. Das dürfte man alles für strategisch fabrizierte Illusionen halten, schließlich hätte das Hussein-Regime Monate Zeit gehabt, den Einsatz von Massenvernichtungswaffen oder die Zerstörung der Infrastruktur zu planen.
Was tatsächlich anders ist, ist die Möglichkeit, schnell - zumindest unter der Bedingung der absoluten Lufthoheit - aufgrund der perfektionierten Aufklärung zuzuschlagen oder den Feind zu verfolgen. Das zeige die Bedeutung, weiter in "command, control, communications, intelligence, and persistent surveillance" zu investieren. Rumsfeld hebt aber auch die steigende Bedeutung von Präzisionswaffen hervor und preist die thermobarische Hellfire-Rakete an, die in weniger als einem Jahr von der Entwicklung bis zum Einsatz kam und nur einen Stock in einem Gebäude zerstören kann, dabei aber Menschen, die sich hinter Wänden, in Nischen oder um die Ecke befinden, tötet.
Mit ausgeklügelten Computerprogrammen habe man die Art der Waffen und deren genauen Einschlagswinkel berechnen können, um ein Ziel zu zerstören und zivile Einrichtungen in der Nähe zu schonen. Weil man so Zivilisten schonen konnte, habe es auch keine Flüchtlingsströme gegeben: "Die Iraker fühlten sich sicher genug, um in den Städten zu bleiben, solange sie sich von den militärischen Zielen entfernt hielten." Mit den präzisen Angriffen habe man auch demonstrieren können, dass sich der Angriff nur gegen das Regime, "nicht gegen ein Land, ein Volk oder eine Religion" richtete, und dass die Amerikaner "nicht als Eroberer, sondern als Befreier" gekommen sind.
Überdies sei der Feldzug auch deswegen so erfolgreich gewesen, weil die Streitkräfte zusammen gekämpft hätten. Rumsfeld verweist dabei ausgerechnet auf die Befreiungsaktion von Jessica Lynch, die hinter allem undurchsichtigen Nebel stark den Charakter einer Werbeaktion hatte, aber offensichtlich dazu dienen soll, die Abgeordneten zu überzeugen. Als sehr wichtig hätten sich insgesamt die Spezialeinheiten erwiesen, die man teilweise schon vor dem Beginn des Krieges in den Irak einschleuste. Spezialeinheiten, die in kleinen Verbänden relativ selbständig arbeiten, lassen sich schnell und vor allem verdeckt einsetzen und sind neben den neuen Technologien wohl ein wichtiger Aspekt der neuen Kriegsführung. Daher will Rumsfeld die Rolle und die Kapazitäten der allseits und auch unterhalb der Schwelle eines Krieges einsetzbaren Spezialeinheiten ausbauen.
Technisch sollen vor allem mit Milliarden die Entwicklung und Herstellung von unbemannten Luft- und Wasserfahrzeugen vorangetrieben werden. 300 Millionen sind für die Militarisierung des Weltraums, beispielsweise für "Space Control Systems", vorgesehen. Stark soll auch in die Informationstechnologie investiert werden. Mit 2,7 Milliarden sollen etwa Lasersysteme für Satellitenkommunikation, gemeinsame Kommandosysteme und das gemeinsame taktische Radiosystem gefördert werden. Mit 200 Millionen will man für einen besseren Schutz der eigenen Informationsnetzwerke und für Angriffsmöglichkeiten auf die feindlichen Netzwerke sorgen.
Ein Beispiel für dei Hightech-Armee der Zukunft soll das "future combat system" (FCS) sein, das ein Netzwerk aus Drohnen, leichteren Panzern und gepanzerten Fahrzeugen ist. Alle Fahrzeuge und Waffen sind mit den Soldaten und Kommandeuren vernetzt, so dass das gesamte Schlachtfeld jederzeit von allen überblickt werden kann. Für dei Entwicklung des Systems sind erst einmal 15 Milliarden vorgesehen. Ab 2008 könnte es dann hergestellt werden, um 2010 ein erstes solches Bataillon einsatzfähig zu haben. Ein anderes Beispiel ist das Space Based Radar, das 2012 fertig gestellt sein und mit dem eine ununterbrochene Überwachung der gesamten Erdkugel gewährleistet werden soll, um bewegliche Ziele in Echtzeit aus dem Weltall Tag und Nacht sowie unter allen Wetterbedingungen zu verfolgen. Das System soll dem Militär einen "deep-look" in ansonsten unzugängliche Orte auf einer "nicht-intrusiven Grundlage" und ohne Risiko für Personal und Ressourcen gewähren. Das kann natürlich nicht nur im Kriegsfall eingesetzt werden.
Den Schwerpunkt kann man auch anhand anderer Zahlen besser sehen. Gegenüber dem Verteidigungshaushalt von 2002 sollen 30 Prozent mehr in Anschaffung und 65 Prozent in Forschung, Entwicklung, Test und Evaluation (RDT&E) fließen, was jährlich 150 Milliarden ausmachen würde. Insgesamt wächst der Anteil von RDT&E an den gesamten Investitionen von 36 auf 42 Prozent, um die Entwicklung neuer Systeme zu beschleunigen. Gute Zeiten also wieder für die Rüstungs- und IT-Industrie. Dabei soll es, wie Rumsfeld betont, nicht mehr um die Herstellung des "perfekten Systems" gehen, das lange Zeit benötigt, sondern man will wie in der Industrie Grundsysteme schaffen, die dann jahrelang nach Bedarf ausgebaut und umgerüstet werden können. Das nennt der Verteidigungsminister, weil alles seinen Namen haben muss, eine "spiralförmige Entwicklung", die man auch für das Raketenabwehrsystem eingeschlagen habe, das in einer reduzierten Form bereits ab 2004 eingerichtet werde und für das allein im nächsten Haushaltsjahr wieder 9,8 Milliarden Dollar vorgesehen sind.
Bei den enormen Ausgaben für die Rüstung muss auch berücksichtigt werden, dass hier nicht alle Kosten enthalten sind, beispielsweise die Pensionen für die Veteranen. Auch die Kosten von Kriegseinsätzen sind hier nicht zu finden. So hatte der Kongress im April einen Nachtragshaushalt gebilligt, der vor allem die Ausgaben für den Krieg im Irak abdecken soll. 63 zusätzliche Milliarden gingen an das Militär, 4,3 Milliarden an das "Heimatschutzministerium" 5 Milliarden an internationale Hilfe und 2,4 Milliarden dienen dem Wiederaufbau des Irak. Ob die 63 Milliarden Dollar für den Einsatz im Irak reichen, darf bezweifelt werden, nachdem gerade die Truppen verstärkt werden. Wie lange sie im Irak bleiben werden, lässt sich noch nicht absehen, das Pentagon hat schon einmal gesagt, für unbestimmte Zeit, nachdem man nun doch angesichts der erheblichen Schwierigkeiten zuerst einmal nur eine Übergangsverwaltung und nicht schon eine Übergangsregierung aufbauen will.
Mit der von der Bush-Regierung durchgesetzten Aufrüstungsspirale dürfte die militärische Überlegenheit der USA im besten Sinne des Wortes asymmetrisch werden. Die USA geben weltweit natürlich am meisten Geld für die Rüstung aus, mehr als doppelt soviel wie die Alliierten (NATO, Australien, Japan, Südkorea), sechs Mal mehr als Russland, das an zweiter Stelle liegt, 8 Mal soviel wie China. Die Schurkenstaaten (Kuba, Iran, Syrien, Nordkore, Libyen, Sudan und ehemals Irak) geben zusammen gerade einmal ein Zwanzigstel aus.