Pentagon zur rechtlichen Beurteilung des Infowar
Russland fordert Abrüstung der Informationswaffen
Nach einem Bericht der Washington Post hatte das US-Militär im Kosovo-Krieg zwar keine Infowar-Angriffe ausgeführt, aber doch eine "Information Operation"-Einheit aufgestellt (s.a. FBI und amerikanisches Militär im Cyberwar-Rausch) und Attacken auf die Computersysteme vorbereitet. Offenbar gab es neben dem noch nicht ausgereiften Arsenal der "Infowaffen" und der dezentralisierten Struktur der serbischen Computersysteme, die sich für einen Anschlag nicht geeignet hatten, auch rechtliche Bedenken.
Nicht unmittelbar auf den Kosovo-Konflikt bezogen, aber während des Krieges verfasste das amerikanische Verteidigungsministerium Richtlinien zum Thema Infowar, die dessen rechtliche und ethische Probleme thematisieren. Im Vordergrund dieses Dokuments mit dem Titel: "An Assessment of International Legal Issues in Information Operations" stand, wie die Washington Post berichtet, die Warnung an führende Militärs, dass ein missbräuchlicher Einsatz die USA in Gefahr bringen könnte, eines Kriegsverbrechens beschuldigt zu werden. Computerangriffe müssten denselben Prinzipien der Kriegsführung unterworfen werden wie ein Einsatz von Bomben, also dass nur Ziele angegriffen werden, die militärisch wichtig sind und bei denen "kollaterale" Schäden möglichst vermieden werden.
Cyberangriffe sollten in einem Krieg nur von Militärangehörigen durchgeführt werden und keine primär zivilen Ziele wie Bank-, Börsen- oder Universitätssysteme treffen. Ähnlich wie bei einem Bombenangriff müssten die möglichen Folgen sorgfältig erwogen werden, da eine Störung von Computersystemen etwa im Kommunikations- oder Energieversorgungsbereich weitreichende Folgen haben und sich auf den zivilen Bereich ausweiten kann. Es könnte bei solchen Angriffen zu nicht beabsichtigten Folgen wie dem Öffnen von Schleusen eines Staudamms, der Explosion einer Ölraffinerie oder dem Austritt von Radioaktivität kommen. Überdies könnten sich Computerangriffe auch auf neutrale oder freundliche Staaten auswirken.
Schwierig sei auch die Frage, ob die USA auf einen Angriff auf ihre Computersysteme mit gleichen Waffen zurückschlagen dürften, denn es sei stets schwierig, Gewissheit darüber zu erlangen, von wo aus die Angriffe wirklich ausgegangen seien. So ist beispielsweise noch immer unklar, wer die sogenannten Moonlight Maze Angriffe auf die Pentagonsysteme wirklich ausgeführt hat, obwohl man sie angeblich auf Rechner der russischen Akademie der Wissenschaften zurückverfolgt habe (Russischer Geheimdienst weist Beschuldigungen zurück).
Weiter berichtet die Washington Post, dass die amerikanische Regierung offenbar der Meinung sei, das existierende Recht und die internationalen Abkommen seien ausreichend für die Regelung des Infowar, während die russische Regierung sich schon seit einiger Zeit darum bemüht, im Rahmen der UN ein spezifische Abkommen zu formulieren, das auch besonders gefährliche "Informationswaffen" verbieten sollte (Abrüstung der Informationswaffen). Russland fürchtet, dass es hier zu einer neuen Eskalation des Wettrüstens kommen könne, und ist der Meinung, dass das existierende internationale Recht "praktisch keine Mittel hat, die Entwicklung und den Einsatz von solchen Waffen zu regulieren." Russland hat allerdings für diese Initiative kaum bei anderen Staaten Unterstützung gefunden, die USA sehen darin vornehmlich einen Versuch, eine Entwicklung von Waffen zu blockieren, hinsichtlich derer sich Russland unterlegen fühlt. In der formalen Antwort auf den russischen Vorschlag bezeichnete die US-Regierung diesen als voreilig.
Laut Washington Post habe ein hoher amerikanischer Offizier gesagt, dass das US-Militär zwar einige Möglichkeiten für einen Infowar entwickelt hätte, aber dass diese Mittel noch keineswegs ausgereift seien. Die Post spricht davon, dass eventuell "logische Bomben" oder Computerviren zur Störung feindlicher Computersysteme, das Einspeisen falscher Informationen oder das Morphen von Videobildern in Sendungen von TV-Stationen zur Täuschung entwickelt würden.