Persönlich zufriedene, politisch unzufriedene deutsche Wähler?
ARD-DeutschlandTrend: Für die Mehrheit war 2016 ein gutes Jahr aus persönlicher Perspektive und schlecht aus politischer Hinsicht
Mehrheiten in Umfragen sind ominös. Beim aktuellen ARD-DeutschlandTrend gab die große Mehrheit, nämlich fast drei Viertel (71 Prozent), der in den letzten Tagen angerufenen, repräsentativ ausgesuchten 1.005 Wahlberechtigten an, dass 2016 für sie persönlich "ein gutes Jahr" war.
Politisch aber bewerteten knapp zwei Drittel das vergangene Jahr ganz anders. 65 Prozent gaben an, dass 2016 in politischer Hinsicht kein gutes Jahr war. Aber eine Lust auf Veränderungen bei der Stimmabgabe dokumentieren sie nicht. Bei der Sonntagsfrage bleibt alles bei TINA: Die große Koalition bekäme die Mehrheit. Die Kanzlerin bleibt.
Keine Lust auf die Änderung der Machtverhältnisse?
Die Union käme auf 36 Prozent, die SPD auf 21 Prozent. Der Unterschied zur vorhergehenden Umfrage liegt bei einem Prozentpunkt, den die CDU dazugewonnen und die SPD verloren hat. Für eine schwarz-grüne Koalition würde es bei 10 Prozent für die Grünen nicht reichen. Eine schwarz-grün-gelbe Koalition wäre mit 6 Prozent für die FDP zwar rechnerisch im Augenblick möglich, aber aus vielen Gründen sehr spekulativ. Ein prägnanter politischer Wille für diese Konstellation ist jedenfalls nicht auszumachen.
Auch für das Projekt Rot-Rot-Grün ist keine deutliche Wählerabsicht bei der Umfrage zu erkennen. Mit 9 Prozent für die Linke käme diese Koalition augenblicklich auf 40 Prozent.
So bleibt eine merkwürdige Feststellung und ein paar Fragen: Eine deutliche Mehrheit gibt an, dass 2016 in politischer Hinsicht schlecht war, will aber an den Machtverhältnissen, soweit es zumindest die Parteimehrheiten betrifft, nichts ändern, weil es persönlich gesehen ein gutes Jahr war.
Trotzdem wird aber eine Veränderung erwartet, nämlich dass bei den nächsten Wahlen, 2017 im März in den Niederlanden, Ende April, Anfang Mai in Frankreich und im September in Deutschland die rechten Parteien besser abschneiden. Davon sind laut ARD-DeutschlandTrend 69 Prozent überzeugt.
Zwar bleibt die AfD bei der Sonntagsfrage auf 13 Prozent stehen, es zeigt sich hier also kein Trend, dass sie mehr Befragte wählen würden, aber offensichtlich geht man davon aus, dass andere rechts wählen.
Vor allem AfD-Wähler sind davon überzeugt. Laut Umfrage glauben 84 Prozent, "dass rechte Parteien besser abschneiden werden". Auch die Zahlen bei Anhängern anderer Parteien sind auffällig hoch: Bei FDP-Anhängern sind es 77 Prozent, bei der SPD 73 Prozent, bei den Grünen-Wählern 71 Prozent, bei den Linke-Anhängern 69 Prozent.
Am wenigsten deutlich fällt, die Überzeugung, dass es einen Rechtstrend bei den nächsten Wahlen in Europa geben wird, bei den Anhängern der Union aus. Aber auch hier ist es mit 63 Prozent eine große Mehrheit.
Man hätte gern ein genaueres Bild gehabt. Dass sich die Umfrage auf die einzelnen Länder gesondert bezogen hätte, zum Beispiel so bekommt man nur, wie ja auch die Antworten selbst anzeigen, die Bestätigung einer Stimmung, von der das ganze Jahr schon die Rede ist.
So bleibt es eine Gefühlsspiel, weshalb 2016 in politischer Hinsicht mehrheitlich als nicht "gut bewertet" wurde. Spielt der Krieg in Syrien hinein, der seit Wochen ein großes Medienthema ist, die Türkei, die EU, Trump? Oder sind es innenpolitische Themen, die sich auch in anderen Ländern zeigen, das System?
Die geänderte Flüchtlingspolitik
Interessant wäre es gewesen, wenn der DeutschlandTrend eine frühere Frage wieder aufgenommen hätte, die in den ersten Monaten des Jahres eine Quelle der Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik in Deutschland war - die Frage nach der Bewertung der Flüchtlingspolitik.
Dort machen Unionspolitiker mit immer radikaleren Forderungen auf sich aufmerksam, der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) zum Beispiel. Strobl fordert nach dem Freiburger Mordfall, der allen Indizien nach von einem afghanischen Flüchtling begangen wurde, eine "standardmäßige Röntgenuntersuchung des Handwurzelknochens" von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen.
Das ist, wie schon andere Vorschläge Strobls zuvor, klar an die Adresse von Wählern gerichtet, die mit der Flüchtlingspolitik der von Merkel geführten CDU nicht einverstanden waren. Bei einer ARD-DeutschlandTrend- Umfrage im August waren 65 Prozent der Befragten waren "weniger bzw. gar nicht" damit zufrieden.
Seither haben Merkel und ihre Partei einen anderen Kurs eingeschlagen. In manchen Aspekten gehen sie dabei auch über rechtliche Vorgaben hinaus, wie sich an Urteilen von Gerichten zeigt. Wo die Bundesregierung darauf entschied, dass Asylbewerbern nur der "eingeschränkte, subsidiäre Schutzstatus" zugesprochen werden soll, waren Gerichte anderer Auffassung.
In 4167 von 4718 bereits entschiedenen Fällen bekamen sie vor Gericht Recht. Insgesamt sollen fast 36.000 Menschen klagen.