Personalrochaden bei den Linken: Rackete ins Nirgendwo

Seite 2: Antiimperialistische Position zur russischen Invasion in der Ukraine

Man muss Rackete zugutehalten, dass sie derzeit einiges richtig macht. So wurde sie in der taz zu ihrer Position zum russischen Einmarsch in die Ukraine gefragt. Dazu sagte sie:

Ich wünsche mir natürlich, dass die Partei eine ganz klare antiimperialistische Haltung einnimmt. Ich war nicht nur mehrmals in der Ukraine, sondern auch in Georgien, wo Russland in den letzten 15 Jahren auch zweimal einmarschiert ist und sich jedes Mal ein Stück vom Land genommen hat. Für mich ist völlig klar, dass eine linke Partei sich immer auf die Seite der Unterdrückten stellen muss. Und dass wir nicht aus irgendwelchen historischen Zusammenhängen heraus Autokraten und Diktatoren verteidigen dürfen, nur weil sie vielleicht eine linke Geschichte haben. Sei es in China, in Weißrussland oder in Russland. Da müssen wir eine zivilgesellschaftliche Position einnehmen und die antiimperialistische Perspektive als verbindendes Thema haben.

Carola Rackete

Mit dieser Antwort hat Rackete gerade nicht die Tür zu den Teilen der Linkspartei zugeschlagen, die den Konflikt möglichst durch Verhandlungen beenden wollen. Ihre Position zu weiteren Waffenlieferungen ließ sie offen, man darf dahinter Vorsatz vermuten.

Den russischen Einmarsch als imperialistisch zu verurteilen, dürfte dagegen auch von einem großen Teil derer akzeptiert werden, die trotzdem keinen neuen Militarismus wollen. Dennoch bleibt offen, was aus einer Verurteilung des russischen Einmarsches in die Ukraine aus einer antiimperialistischen Position folgt – und das schafft politisch Bewegungsspielraum.

Politisch klug war durchaus auch Racketes Forderung nach einer Zusammenarbeit von Klimabewegung und Arbeiterbewegung. "Ich würde mich zum Beispiel sehr freuen, wenn ich mal jemanden aus der Krankenhausbewegung oder von 'Ich bin arm' auf einem aussichtsreichen Listenplatz fände", sagte sie im ND-Interview.

Und dann sind da noch Linke, die um Wagenknecht kämpfen

Damit macht sie deutlich, dass auch eine Linke ohne Wagenknecht nicht auf ihre Anhänger und Wähler verzichten kann und bei Strafe ihres Untergangs auch nicht darf.

Kürzlich fand im ND-Verlagssitz in Berlin eine Diskussionsveranstaltung unter dem Motto "Ist die LINKE noch zu retten" statt. Carola Rackete war nicht anwesend.

Stattdessen plädierte die Dauersprecherin der immer noch existenten "Kommunistischen Plattform", Ellen Brombacher, dafür, die Partei müsse auch um Sahra Wagenknecht und ihre Anhänger kämpfen.

Auch Gregor Gysi stellte klar, dass die Position von Sahra Wagenknecht selbstverständlich einen Platz in der Partei haben müsse.

Linken-Politikerin Gesine Lötzsch berichtete aus ihrer Arbeit im Haushaltsausschuss, wo die AfD bei allen Rüstungsvorhaben mit den Regierungsparteien und der CDU/CSU mitstimmt, außer bei dem Posten für die Ukraine. Ein großer Teil des Publikums der Veranstaltung gehörte der Parteigeneration an, die wohl die schon 1990 für die PDS und fortan eisern für die LINKE gestimmt hat.

Warum saß nicht eine der außerparlamentarischen Kräfte, die der Linken eine letzte Chance geben wollen, auf dem Podium und stellte sich den Fragen? War wenigstens jemand aus diesem Spektrum im Saal, um sich ein Bild von diesen Spektren zu machen und sich ihre Argumente anzuhören? Und wer wären eigentlich die Personen, die in einer von Wagenknecht geprägten sozialkonservativen Partei eine Rolle spielen würden?

Laut der Wochenzeitung Freitag gehört dazu die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, die in den Corona-Jahren plötzlich mit dem Etikett der Querdenkerin versehen wurde.

Noch vor wenigen Jahren gehörte Ulrike Guérot zu den Lieblingsautorinnen der Linksliberalen, weil sie empathisch für ein geeintes Europa kämpfte. Warum sollte eine LINKE nicht auch für eine Ulrike Guérot offen sein?

Das ist die Lehre der spanischen Linken

Bei der Veranstaltung warnten alle Rednerinnen und Redner vor einer Spaltung oder Abspaltung der Linken und erinnerten auch an die Folgen in vielen europäischen Ländern. So hat sich die einst einflussreiche Kommunistische Partei Italiens so lange gespalten, dass sie heute nicht mehr im italienischen Parlament vertreten ist und Postfaschisten die Regierung stellen.

Vielleicht haben die Linksreformisten in Spanien daraus gelernt. Auch dort sah es lange so aus, als würden sich die Kräfte links von den spanischen Sozialdemokraten weiter spalten.

Warum es dann doch zu einer gemeinsamen Kandidatur kam, beschreiben zwei Linken-Politiker im Neuen Deutschland anschaulich:

Zu dem Zeitpunkt, als Sánchez die Neuwahlen ausrief, galt es als mehr als unwahrscheinlich, dass sich die Linke, in dem Fall vor allem die zwei Lager rund um den ehemaligen Podemos-Vorsitzenden Pablo Iglesia und die amtierende stellvertrende Ministerpräsidentin und Arbeits- und Sozialministerin Yolanda Diaz, auf eine gemeinsame Strategie für die anberaumten Neuwahlen würden einigen können. Podemos verlor jedoch bei den Regionalwahlen extrem, und Diaz hatte bereits im Vorjahr begonnen, das linke Wahlbündnis Sumar aufzubauen, dem Podemos zunächst nicht beitreten wollte und es angesichts der Niederlage dann doch tat. »Der Druck der Neuwahlen hat die Einigkeit der linken Parteien erst ermöglicht«, beschreibt es der ehemalige Podemos-Politiker und Mitarbeiter der Kampagne von Sumar, Pablo Bustenduy.

Heinz Bierbaum und Johanna Bussemer, Neues Deutschland

Tatsächlich hat die gemeinsame Kandidatur der Linksreformisten in Spanien dieses Bündnis nicht nur vor dem parlamentarischen Absturz bewahrt, sondern auch dazu beigetragen, dass die Konservativen nun keine Koalition mit den Rechtsextremen von Vox bilden können.

Vielleicht überlegen sich ja auch einige progressive Linke noch einmal, ob eine Linke ohne Wagenknecht und ihre Anhänger so eine gute Idee ist.

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