Personenkult schadet der Demokratie

Sahra Wagenknecht, winkend

Sahra Wagenknecht: Demokratische Alternative oder Personenkult? Foto: Ferran Cornellà, CC BY-SA 4.0

In der Politik stehen oft Personen im Zentrum der Aufmerksamkeit anstatt der Inhalte, die sie vertreten. Doch damit sind erhebliche Gefahren verbunden. Ein Kommentar.

Die schlechten Nachrichten für die Linkspartei reißen auch ihrer schweren Wahlniederlage bei der Europawahl nicht ab. Die Abschiedserklärung von Gesine Lötzsch gehört sicher dazu. Schließlich gehört Lötsch zum Urgestein der PDS. Sechsmal hat sie das Direktmandat in Berlin-Lichtenberg errungen.

Sie sorgte mit dafür, dass die LINKE überhaupt noch in Fraktionsstärke im Bundestag sitzt. Es war unwahrscheinlich, dass sie noch mal das Direktmandat errungen hätte. Doch Lötzsch tritt nicht mehr an, mit einer klaren Kampfansage an die Führung der LINKEN.

Ein Grund für das katastrophale Ergebnis bei der Europawahl war eine Strategie, die unser Parteiprogramm nur in Teilen widerspiegelte. Der Parteivorstand wollte nicht über Frieden reden, weil unsere Partei in dieser Frage gespalten wäre. Selbst wenn sie gespalten wäre, dann ist es die erste Aufgabe des Parteivorstandes, für eine gemeinsame Position zu kämpfen. Einfach nicht über Krieg und Frieden zu reden, ist keine gute Strategie. Wer existenzielle Fragen nicht diskutieren will, der wird abgewählt.

Gesine Lötzsch, die LINKE

Zudem nannte Lötsch die Spitzenkandidatur von Carola Rackete bei der Europawahl eine Fehlentscheidung und forderte zum nächsten Parteitag eine Strategieänderung. Die Frage ist nur, in welche Richtung? Will sich Lötzsch auf das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zugehen?

Welche Schlüsse lässt das Ergebnis der Europawahl zu?

Auch Andre Stahl ist in der LINKEN bekannt. Der Bürgermeister von Bernau ist eines der wenigen Stadtoberhäupter mit Parteibuch der LINKEN und wurde mit über 60 Prozent der Stimmen gewählt. Auch er hat sich auf dem Parteitag der Brandenburger LINKEN zum BSW geäußert, aber in völlig anderer Diktion als Gesine Lötzsch.

"Das BSW sei »ein bisschen sozialistisch, ein bisschen national, man könnte auch sagen nationalsozialistisch«, zieht der Kommunalpolitiker einen drastischen historischen Vergleich, was immer schwierig ist", schreibt Andreas Fritzsche im Neuen Deutschland.

Angesichts so stark differierender Positionen wird es für die LINKE auch in Zukunft sehr schwierig sein, eine Strategie zu finden.

Wer kann die LINKE noch retten?

Vielleicht kann Bodo Ramelow, der Noch-Ministerpräsident von Thüringen, die Kohlen aus dem Feuer holen? Derzeit hadert Ramelow mit einem Paradox: Während seine Partei in den Umfragewerten auch in Thüringen deutlich hinter das BSW zurückgefallen ist, verzeichnet Ramelow weiterhin hohe persönliche Beliebtheitswerte.

Danach sind 52 Prozent der Befragten sehr zufrieden mit Ramelows Arbeit. Die Spitzenkandidatin der Thüringer BSW Katja Wolf rangiert dagegen nur auf Platz 6 ‒ noch hinter dem AFD-Rechtsaußen Björn Höcke und sogar hinter dem Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich.

Lautstarke Minderheit statt schweigende Mehrheit

Allerdings polarisiert Wolf die Wählerschaft nicht. Anders als bei Ramelow und Höcke sind auch die Werte derjenigen niedrig, die unzufrieden mit ihrer Politik sind. Da ist Höcke mit 60 Prozent noch immer Spitzenreiter, was die rechte Behauptung ad absurdum führt, dass Höcke für die schweigende Mehrheit in Thüringen spricht. In der Realität wird er von einer lautstarken Minderheit, von nicht einmal einem Drittel der Befragten unterstützt.

Doch was lässt sich aus dem scheinbaren Paradox schließen, dass Ramelow trotz hoher Spitzenwerte seine Partei nicht mitzieht und umgekehrt Wolf scheinbar nicht von den guten Umfragewerten ihrer Partei profitiert? Am ehesten sicher noch, dass das Konzept des Personenkults aus vielerlei Gründen keine gute Idee ist.

Parteien, die an eine Person gebunden sind, können schneller wieder von der politischen Bildfläche verschwinden, als Parteien, die sich nicht so stark an eine Person binden. Dieser Fluch kann auch das BSW noch treffen, das den Namen seiner Spitzenkraft sogar im Namen trägt

Der Schulz-Zug, der nie kam

Wir haben in den letzten Jahren nicht wenige Politiker erlebt, die von den Medien hochgeschrieben und schnell wieder vergessen wurden? Wer erinnert sich noch an Martin Schulz, den Kanzlerkandidaten der SPD von 2017? Erst hochgelobt, mit fast 100 Prozent auf dem SPD-Parteitag zum Kanzlerkandidaten gewählt, begann sein Absturz schon unmittelbar nach seiner Nominierung. Es war ein quälender Weg zur Niederlage.

Andere wie Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg starteten als Liebling der Medien, verschwanden aber schnell nach irgendwelchen Affären. In Österreich ist das Konzept des Personenkults am zweifachen Kurzzeitkanzler Sebastian Kurz rasch gescheitert. Politikkonzepte, die auf eine Person zugeschnitten sind, haben selten eine lange Dauer.

Aus demokratietheoretischer Perspektive ist das eine gute Nachricht. Denn Personenkult ist immer auch mit autoritären Machtstrukturen verbunden und eigentlich das Gegenteil von linker Politik. Es ist kein Zufall, dass vor allem Law-and-Order Politiker im Bereich von Innen- und Verteidigung oft gute Umfrageergebnisse haben. Und die helfen gerne mit immer neuen populistischen Ankündigungen nach, um ihre Beliebtheit zu erhalten.

Personenkult: ein autoritäres Politikmodell

Politiker, die sich dagegen für die Rechte von Geflüchteten oder anderer Minderheiten eintreten, haben in der Regel schlechte Karten beim Ranking im Personenkult. Das ist auch der Grund, warum Rackete auch innerhalb der Linken noch immer angefeindet wird, als hätte sie die Wahlniederlage der Linke bei der Europawahl alleine zu verantworten.

Dagegen erreicht Verteidigungsminister Boris Pistorius so gute Umfrageergebnisse, dass er sogar schon als möglicher Ersatz für Bundeskanzler Olaf Scholz gehandelt wird. Und das wohl nur aus dem einzigen Grund, weil er öffentlich die Wiederherstellung der Kriegsfähigkeit Deutschlands angekündigt hat.

Parteien, die auf Personenkultmodelle aufbauen, sind in der Regel autoritär nach Innen und stellen ein autoritäres Politikmodell dar. Das Personenkultprojekt BSW sollte daher kein Modell zur Nachahmung für andere Parteien sein, sondern diese eher abschrecken.

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