Pflegenotstand 2024: Patienten sitzen in Kliniken fest

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Die Lage in deutschen Krankenhäusern spitzt sich dramatisch zu. Patienten müssen nach ihrer Behandlung teils wochenlang auf einen Pflegeplatz warten.

Der Pflegenotstand in Deutschland führt dazu, dass ältere Patienten nach ihrer Behandlung im Krankenhaus oftmals keinen Platz in einem Pflegeheim finden. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hat in einer Studie, basierend auf Krankenkassendaten zwischen 2011 und 2019, festgestellt, dass sich dadurch die Verweildauer in den Krankenhäusern um bis zu 40 Prozent erhöht.

Laut der Studie bleiben betroffene Patienten im Durchschnitt drei bis vier zusätzliche Tage im Krankenhaus, was zu zusätzlich abgerechneten Krankenhauskosten von rund 400 Euro pro Patient führt. Besonders betroffen sind Regionen mit wenigen Pflegeheimplätzen und hohem Personalmangel sowie Patienten mit höherem Pflegegrad.

Lea Bergmann, Gesundheitsökonomin vom RWI, betont die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Ausbildung und Rekrutierung von Pflegekräften, um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken und die überlasteten Krankenhäuser zu entlasten:

"Unsere Studienergebnisse zeigen, dass der Mangel an Pflegeheimplätzen und qualifiziertem Pflegepersonal nicht nur die Verweildauer von Krankenhauspatienten verlängert, sondern auch die Krankenhauskosten erheblich erhöht."

Mehr Ausbildung von Pflege erforderlich

Und weiter: "Um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken und die überlasteten Krankenhäuser zu entlasten, sollten dringend Maßnahmen zur Ausbildung und Rekrutierung von Pflegekräften ergriffen werden – auch aus dem Ausland.

Denn: Die Personalengpässe in der Pflege beeinträchtigen das Wohlergehen der Betroffenen erheblich. Besonders betroffen sind insbesondere Personen mit einem hohen Pflegegrad – also Personen, die ohnehin schon stärker benachteiligt sind."

Vorschläge von Berliner Forschern

Eine Interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften hat Lösungsansätze präsentiert, um die Pflege in Deutschland zukunftsfähig zu machen. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehören:

1. Anhebung des Personalschlüssels

Der Personalschlüssel gibt an, wie viele Pflegekräfte für eine bestimmte Anzahl von Patienten zuständig sind. Eine Anhebung des Personalschlüssels bedeutet, dass mehr Pflegekräfte pro Patient eingesetzt werden, um eine bessere Betreuung zu gewährleisten und die Arbeitsbelastung für das Pflegepersonal zu reduzieren.

2. Neuausrichtung des Gesundheitssystems mit stärkerer Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen

Das Gesundheitssystem soll sich mehr an den individuellen Bedürfnissen der Patienten orientieren. Dies kann durch eine bessere Kommunikation zwischen Patienten, Angehörigen und Pflegekräften sowie durch eine ganzheitliche Betrachtung der Patientensituation erreicht werden.

3. Neue Ausbildungsstrukturen und Akademisierung der Pflegeberufe

Die Ausbildung in den Pflegeberufen soll reformiert und teilweise akademisiert werden. Dadurch sollen Pflegekräfte besser auf die komplexen Anforderungen ihres Berufs vorbereitet und die Attraktivität der Pflegeberufe gesteigert werden.

4. Förderung fachlicher Autonomie und interprofessionelle Zusammenarbeit

Pflegekräfte sollen mehr Entscheidungsbefugnisse und Verantwortung in ihrem Arbeitsbereich erhalten. Zudem soll die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gesundheitsberufen (z.B. Ärzte, Therapeuten, Pflegekräfte) verbessert werden, um eine optimale Versorgung der Patienten zu gewährleisten.

5. Wiederbelebung der Gemeindeschwester (Community Health Nurse)

Die Gemeindeschwester war früher eine Pflegekraft, die für die Versorgung von Patienten in deren häuslichem Umfeld zuständig war. Dieses Konzept soll wiederbelebt werden, um eine bessere Betreuung von Patienten außerhalb von Krankenhäusern und Pflegeheimen zu ermöglichen.

6. Stärkung der Pflegewissenschaft

Die Pflegewissenschaft beschäftigt sich mit der systematischen Erforschung der Pflege. Durch eine Stärkung dieser Disziplin sollen evidenzbasierte Erkenntnisse gewonnen werden, die zur Verbesserung der Pflegepraxis beitragen.

7. Patientenorientierte Pflege und Unterstützung pflegender Angehöriger

Die Pflege soll sich stärker an den individuellen Bedürfnissen der Patienten ausrichten. Zudem sollen pflegende Angehörige besser unterstützt werden, da sie oft einen großen Teil der Pflege übernehmen und dadurch selbst einer hohen Belastung ausgesetzt sind.

8. Digitale Unterstützung und Frühwarnsysteme

Der Einsatz digitaler Technologien soll die Pflege unterstützen und entlasten. Beispiele sind elektronische Dokumentationssysteme, Telemedizin oder Sensoren, die Veränderungen im Gesundheitszustand von Patienten frühzeitig erkennen und melden (Frühwarnsysteme).

Der Denkanstoß zielt auf eine umfassende Reform ab, die sowohl strukturelle Veränderungen als auch eine Aufwertung der Pflegeberufe durch bessere Arbeitsbedingungen, Ausbildung und Autonomie umfasst.

Für Patienten und ihre Angehörigen bedeutet dies, dass sie zukünftig mit einer verbesserten Pflegesituation rechnen können. Durch mehr Pflegepersonal, eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen und eine bessere Vernetzung der Versorgung sollen die Qualität der Pflege erhöht und unnötig lange Krankenhausaufenthalte vermieden werden.