Phosphor: Lebensspender aus dem Schlamm
Seite 3: AbfKlärV: Die Zukunft des Klärschlamms
- Phosphor: Lebensspender aus dem Schlamm
- Der Phosphatdünger der Zukunft, zunehmend mit Uran und anderen Schwermetallen belastet
- AbfKlärV: Die Zukunft des Klärschlamms
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In Industrieländern wird fester Schlamm, der durch bakterielle Verstoffwechselung in Kläranlagen entsteht, verbrannt. Oder er wird wegen seines Nährstoffgehalts auf landwirtschaftliche Nutzflächen ausgebracht - in den USA allein etwa die Hälfte der dort jährlich erzeugten 7 Millionen Tonnen Klärschlamm. Doch dort kann er den Boden mit Schadstoffen kontaminieren, vor allem mit Schwermetallen und langlebigen organischen Substanzen. Deshalb wird von dieser Nutzungsform zunehmend abgegangen.
Entsprechen Klärschlämme hinsichtlich ihrer Schad- und Nährstoffgehalte den einschlägigen Vorschriften, können sie auch in Deutschland als Düngemittel genutzt werden. Ihre Verwendung auf Ackerflächen ist zugelassen, jedoch nicht auf Dauergrünland oder Flächen, auf denen Obst und Gemüse angebaut werden. 2016 wurden 33 % der behandelten Klärschlämme aus kommunalen Kläranlagen als Dünger in der Landwirtschaft und im Landschaftsbau eingesetzt (stoffliche Verwertung), der überwiegende Rest wurde thermisch entsorgt.
Die Novellierung der deutschen Klärschlammverordnung (AbfKlärV) von 2017 hat eine Verschärfung der Schadstoff-Grenzwerte und die Aufnahme zusätzlicher Kriterien zur Folge. Angestrebt wird eine bindende Phosphorrückgewinnung in den größten Kläranlagen, bei gleichzeitig großzügigen Übergangsfristen. Danach soll eine landwirtschaftliche Klärschlammverwertung für diese Größenklassen nicht mehr zulässig sein. Um den enthaltenen Phosphor nicht als Nährstoff zu verlieren, bedarf es Verfahren zu seiner Rückgewinnung, die außerdem wirtschaftlich sein müssen. Wenn der Aufwand beim Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung nicht durch die Phosphorrückgewinnung kompensiert werden kann, ist mit einem deutlichen Anstieg der Gebühren zu rechnen.
Phosphor aus dem Klärwerk
Aus den genannten Gründen gewinnt die Phosphorrückgewinnung seit der Jahrtausendwende an Bedeutung. Auch in Deutschland gibt es einen Phosphorschatz zu heben: Das mit Abstand größte Potential für eine Phosphorrückgewinnung liegt im Klärschlamm der kommunalen Abwasserbehandlung begraben - in Deutschland sind das 44 % der geschätzten Phosphorfracht aller organischen Siedlungsabfälle, die zusammen rund 130.000 Tonnen des Nährstoffs in sich tragen.
Der im Abwasser gelöste Phosphor wird in der Kläranlage in eine feste Form gebracht. Herkömmliche kommunale Klärwerke mit biologischer Reinigungsstufe überführen 35 % der Phosphatfracht aus dem Abwasserstrom in den Klärschlamm. Bei einer speziellen Verfahrensgestaltung ist mehr drin: Mikroorganismen können in einem Belebungsbecken durch geeignete Prozessführung dazu gebracht werden, mehr Phosphor aufzunehmen und zu speichern, als sie eigentlich zum Stoffwechsel benötigen. Ergänzt wird das ganze meist durch eine chemisch-physikalische Phosphorelimination, indem weitere Phosphoranteile durch Zugabe von Eisen- und Aluminiumsalzen ausgefällt werden. Moderne Anlagen bringen 90 % der Phosphorfracht in den Klärschlamm.
Für die eigentliche Phosphorrückgewinnung stehen mittlerweile eine ganze Anzahl verschiedener Verfahren für unterschiedliche Größenordnungen bereit.
Die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm-Mono-Aschen ist unter theoretischen Gesichtspunkten die effektivste Recyclingmethode. Über die Verbrennung des Klärschlamms werden zunächst organische Schadstoffe und Pathogene ausgeschaltet. Die weitere Behandlung führt zu aschebasierten Düngemitteln mit verschiedenen Nährstoffen. Doch der Ausbau von Monoverbrennungsanlagen ist kostspielig. Neben der Rückgewinnung aus Aschen können diverse weitere Verfahren zur Rückgewinnung aus der flüssigen Phase sowie aus dem Faulschlamm oder aus Teilströmen von Urin und Fäzes zur Anwendung kommen.
Häufig bedient man sich der Ausfällung als Struvit (MAP - Magnesiumammoniumphosphat), vor allem dann, wenn die Niederschlagsbildung frühzeitig erfolgt, noch bevor sich das Mineral etwa innerhalb von Rohrleitungen der Kläranlage bilden kann und den Betreiber zur kostspieligen Entfernung zwingt. Gern gesehener Begleiteffekt: Durch die Phosphorrückgewinnung wird das Klärschlammvolumen stark reduziert und so eine Einsparung der sonst dafür fälligen Entsorgung erreicht.
Jedoch gibt es heutzutage noch keine finanziell attraktiven Möglichkeiten des Verkaufs, der gewonnene Struvit kann preismäßig bisher noch nicht mit aus Rohphosphaten hergestellten Phosphatdüngern mithalten. Das könnte sich ändern, wenn der weltweite Düngemittelbedarf zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit - hauptsächlich in Entwicklungsländern - anziehen und damit auch der Preis steigen wird.
2008 wurde das von den Berliner Wasserbetrieben im Klärwerk Waßmannsdorf gewonnene MAP als mineralischer Langzeitdünger zugelassen und in der Folge unter dem Namen "Berliner Pflanze" als lokales Markenprodukt vermarktet. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Verfahren, mit denen Kläranlagen über eine großtechnische Phosphorrückgewinnung auf verschiedenen Wegen MAP herstellen. Das unter anderem in Berlin eingesetzte AirPrex-Verfahren zum Beispiel setzt beim Faulschlamm an, aus dem der Phosphor ohne Laugung zurückgewonnen wird.
Bei einem anderen Prozess, dem in Kanada entwickelten Pearl-Verfahren, wird der Klärschlamm gepresst, wobei eine nährstoffreiche Flüssigkeit freigesetzt wird. Nach Zugabe von Magnesiumchlorid wird das auskristallisierende Struvit abgetrennt. Das Verfahren kommt bereits in 15 europäischen und nordamerikanischen Klärwerken zum Einsatz.
Das entstehende MAP wird von der in Vancouver ansässigen Firma Ostara Nutrient Recovery Technologies vermarktet. Ostara demonstriert im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften mit Abwasseraufbereitern, wie ein Marketing aussehen könnte: Das Nebenprodukt Struvit wird unter dem Handelsnamen Crystal Green als kommerzieller Dünger verkauft, zu Preisen, die relativ unabhängig von den jeweils aktuellen Rohphosphatpreisen sein sollen.
EU: Kreislaufwirtschaftspaket 2018 soll auch die Wirtschaftlichkeit werthaltiger Produkte aus dem Abwasser fördern
Das aus Abwässern gewonnene MAP kann in Europa als Dünger verkauft und genutzt werden, solange es bestimmte Kriterien einhält. Zum einen müssen die sich aus der europäischen Chemikaliengesetzgebung unter REACH ergebenden Anforderungen erfüllt sein, zum anderen muss das Produkt auch den spezifischen Regeln des jeweiligen EU-Mitgliedstaates genügen. Die meisten EU-Mitglieder haben mittlerweile die zuständige aktuelle europäische Gesetzgebung in ihre eigenen nationalen Gesetzgebungen übernommen.
Die EU strebt mit dem Kreislaufwirtschaftspaket 2018 Regeln für ganz Europa an, die auch den Umgang mit aus Abwasser zurückgewonnenen Nährstoffen vereinheitlichen. Mit Umsetzung des Pakets wird Struvit aus Abwasser offiziell zum wertvollen Handelsgut befördert, ein Anreiz, der eine verstärkte Produktion in den Kläranlagen stimulieren soll.